Bischöfe begrüßen Vatikan-Schreiben "Dignitas infinita"
Österreichs Bischöfe begrüßen das vatikanische Schreiben "Dignitas infinita" (Unendliche Würde). Mit diesem Schreiben ergreife die Kirche erneut das Wort für die Würde und Rechte aller Menschen, so der Salzburger Erzbischof und Bischofskonferenz-Vorsitzende Franz Lackner in einer Stellungnahme am Dienstag. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler bezeichnete die Erklärung in einer Aussendung als "energisch vorgetragenen Denkanstoß". Die Erklärung wolle im Sinne einer prophetischen Mahnschrift wachrütteln und "ein positives Engagement zugunsten der Schwächsten in unserer Gesellschaft stimulieren".
Die Erklärung "Dignitas infinita" über die menschliche Würde war am Montag vom Vatikan veröffentlicht worden. Im Dokument wird etwa Leihmutterschaft grundlegend abgelehnt. Zudem bleibt die Katholische Kirche bei ihrem strikten Nein zu Abtreibung und Sterbehilfe. Ein Nein gibt es auch zur Geschlechtsumwandlung, außer zur medizinischen Behebung von Anomalien. Weiters geht es auch um Themen wie Armut, Krieg, Migration und Menschenhandel, sexuellen Missbrauch oder Gewalt gegen Frauen.
"Eine Stimme für die Menschlichkeit"
Mit "Dignitas infinita" bekräftige die Kirche die grundsätzliche Würde aller, "immer und überall", so Erzbischof Lackner. Gleichzeitig stelle die Kirche klar, "dass aus eben jenem Personenverständnis heraus menschliches Leben und Lebensweise vor Ideologisierungen geschützt werden müssen". Die Kirche werde die Würde des Menschen im gesellschaftlichen Kontext bedingungslos verteidigen, so Lackner: "Sie tut dies mit einer Klarheit, die nicht immer auf Verständnis und Einigkeit mit manchen Sichtweisen heutiger Zeit stoßen kann." Nicht alle Standpunkte der Kirche würden gerne gehört. Die Stimme der Kirche sei auch mahnend und rufe zum Innehalten auf. Jedoch sei es klar "eine Stimme für den Menschen, für seine Würde und Rechte, und damit für die Menschlichkeit".
Die unendliche Würde der Person, die von keiner anderen menschlichen Instanz verliehen oder genommen werden kann und darf, sei Ergebnis und Errungenschaft einer "großen Begegnung der philosophischen Kultur des antiken Griechenlands und der religiösen Offenbarung des Judentums und des Christentums". Der Begriff der Person, wie er Jahrhunderte später Eingang in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gefunden hat, habe hier seinen Anfang genommen. Diese Personenwürde gelte somit ausnahmslos für alle Menschen, immer und überall - für "jene, die glauben; jene, die nicht glauben; alle Geschlechter, alle Altersstufen, Reiche und Arme, Gesunde und Kranke, Geborene und Ungeborene".
Die Menschenwürde sei heute vielfach Herausforderungen und Angriffen ausgesetzt, direkten und indirekten, so der Salzburger Erzbischof: "Menschliches Leben und der ihm eigene Wert wird oftmals bereits an seinem Anfang wie auch an seinem natürlichen Ende negiert, dazwischen vielfach von Krieg und Gewalt bedroht." Gleichzeitig würden unzählige Menschen in Armut und Not ihr Dasein fristen. Besonders diese Armut prangere Papst Franziskus auch wiederholt an. Auch würden Frauen immer wieder Opfer von gesellschaftlicher Benachteiligung, Diskriminierung oder gar direkter körperlicher Gewalt. In nicht wenigen Regionen der Welt würden Menschen allein aufgrund ihrer Orientierung oder Lebensweise verfolgt oder gar getötet.
Der christliche Glaube, so Lackner weiter, sei immer persönlicher Glaube: "Die Würde der Person ist hier unverrückbar wesenseigen, denn der Mensch ist persönlich Geschöpf Gottes; als Mensch hat Gott, der Sohn, sich inkarniert und so all unsere Existenz mitgetragen; im ewigen Heil durch seine Erlösungstat liegt schließlich auch das je persönliche Ziel aller Menschen in allen Zeiten und an allen Orten."
Viele Herzensanliegen des Papstes
Die Erklärung "Dignitas infinita", die die vielen humanitären Herzensanliegen von Papst Franziskus aufgreift, sei ein energischer Appell zur Achtung der Menschenwürde, "den es immer wieder neu im Kontext aktueller Gefährdungen in ein lebensbejahendes Engagement umzusetzen gilt", hält Bischof Glettler in seiner Stellungnahme fest. Nachsatz: "Dass das vatikanische Schreiben an einigen Stellen nur plakativ argumentiert, ist der Fülle der angesprochenen Themen geschuldet. Das aktuelle Schreiben aus dem Dikasterium für die Glaubenslehre sei "ein energisch vorgetragener Denkanstoß, keine finale Lehrverkündigung".
Glettler skizziert in seinen Ausführungen die zentralen Inhalte des Dokuments. Schon in der Einleitung werde betont, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner kulturellen, sozialen und religiösen Zugehörigkeit, ein von Gott unendlich geliebtes Wesen ist. Darin sei die Würde jedes Menschen grundgelegt, "die es mit größter Aufmerksamkeit zu verteidigen gilt". In den ersten Kapiteln weise der Text auf die missbräuchliche Verwendung des Begriffs Würde hin, wenn damit irreführend die Ansprüche einer "individualistischen Freiheit" gleichgesetzt werden. Klar benannt würden die ökologische Verantwortung des Menschen und die vielfältigen Formen sozialer Armut, die die Gleichheit aller Menschen in ihrer Würde infrage stellten.
Entstellungen menschlicher Würde
Im zweiten Teil des Schreibens würden konkrete Entstellungen menschlicher Würde diagnostiziert. Als aktuell wohl bedrückendste Entstellung werde die Vielzahl der Kriege, terroristischen Gewaltexzesse sowie die Vertreibungen von Menschen, die millionenfaches Elend zur Folge haben, genannt. Besonders empathisch werde das Schicksal der Migranten geschildert, die Opfer vielfältiger Formen von Armut werden.
Mit großer Leidenschaft werde zudem auf die weltweit bestehende Ungleichheit zwischen Frauen und Männern hingewiesen, die sich selbst in demokratisch entwickelten Ländern als mangelnde Fairness in der Entlohnung gleicher Arbeit sowie in der ungleichen Verteilung von Care-Arbeit aktuell am deutlichsten zeigt. In diesem Kontext wird die Zunahme von Gewalt gegenüber Frauen und die erschreckende Zahl der Femizide beklagt. Dagegen bräuchte es eine gemeinsame Anstrengung, um die Ursachen dieser fatalen Entwürdigung zu bekämpfen.
Als besonders schmerzlich wird die Missachtung der Menschenwürde in der Praxis der Abtreibung beklagt. Niemals könne "ein Menschenrecht auf Abtreibung" ethisch begründet werden, wie dies aktuell mit einer geplanten Abstimmung im Europäischen Parlament versucht wird. Ein klares Nein werde auch der Praxis der Leihmutterschaft entgegengehalten, weil sie sowohl die Würde der austragenden Mutter als auch jene des Kindes verletzt, so Glettler.
Kritisch setze sich das Schreiben auch mit der Praxis des assistierten Suizids auseinander. Es sei eine klare Begriffsverwirrung, wenn die Beihilfe zur Selbsttötung als Beitrag zu einem "würdigen Sterben" propagiert wird. Wichtig sei es, den Kranken und Leidenden Beistand zu leisten, eine angemessene palliative Pflege zugänglich zu machen sowie auf ihre "emotionalen, affektiven und spirituellen Bedürfnisse" menschlich zu antworten. Sehr deutlich wende sich das Schreiben gegen eine gefährliche "Wegwerf-Kultur", in der jenen Menschen mit körperlichen oder psychischen Defiziten die Daseinsberechtigung abgesprochen wird.
Im Hinblick auf die Gender-Theorie werde klargestellt, dass mit Recht zwischen dem biologischen Geschlecht (sex) und der soziokulturellen Rolle des Geschlechts (gender) unterschieden werden müsse. Allerdings seien alle Versuche abzulehnen, "die den unaufhebbaren Geschlechtsunterschied zwischen Mann und Frau" verschleiern wollten. Kritisch ablehnend werde das Thema der Geschlechtsumwandlung referiert, weil jeder unwiderrufbare Eingriff die Gefahr in sich berge, die von Gott gegebene Würde einer konkreten Person zu verletzen, so Glettler.
Fünf Jahre Vorarbeiten
Der Veröffentlichung von "Dignitas infinita" waren fünf Jahre Vorarbeit vorausgegangen. Autor ist die zentrale Institution für die Bewahrung und Weiterentwicklung katholischer Dogmen, das Dikasterium für die Glaubenslehre im Vatikan unter Kardinal Victor Fernandez, mit dem Hinweis der ausdrücklichen Genehmigung von Papst Franziskus.
Quelle: kathpress