"Dignitas infinita": Katholische Kirche baut ihre Morallehre aus
Die katholische Kirche hat zur Verteidigung der Menschenwürde gegen aktuelle Bedrohungen aufgerufen und dabei Leihmutterschaft grundlegend abgelehnt. Zudem bleibt sie bei ihrem strikten Nein zu Abtreibung und Sterbehilfe. Ein Nein gibt es auch zur Geschlechtsumwandlung, außer zur medizinischen Behebung von Anomalien. Ihre Position begründet sie in dem am Montag im Vatikan veröffentlichten Dokument "Dignitas infinita" (Unendliche Würde) mit der Pflicht zur Verteidigung der von Gott gegebenen Menschenwürde.
Der 25-seitigen, umfassenden Erklärung waren fünf Jahre Vorarbeit vorausgegangen. Autor ist die zentrale Institution für die Bewahrung und Weiterentwicklung katholischer Dogmen, das Dikasterium für die Glaubenslehre im Vatikan unter Kardinal Victor Fernandez, mit dem Hinweis der ausdrücklichen Genehmigung von Papst Franziskus. Das Dokument stützt sich auf die biblische Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, auf allgemein verbindliche ethische Prinzipien und auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948.
In dem neuen Text ruft der Vatikan Staaten und Regierungen dazu auf, die ursprüngliche Idee der Menschenwürde zu verteidigen. Es sei "die Pflicht der Staaten, sie nicht nur zu schützen, sondern auch jene Bedingungen zu gewährleisten, die notwendig sind, damit die Menschenwürde sich in der ganzheitlichen Förderung der menschlichen Person entfalten kann". Die Achtung der Menschenwürde sei die "unverzichtbare Grundlage für die Existenz jeder Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, sich auf ein gerechtes Recht und nicht auf Macht zu gründen". "Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwürde", heißt es in dem Schreiben.
Todesstrafe, Umweltzerstörung und Missbrauch
Enthalten ist eine umfassende Darstellung von Verstößen gegen die Menschenwürde aus Sicht der katholischen Kirche. Genannt werden dabei zunächst die "gesellschaftlichen Übel" wie Ausbeutung, Todesstrafe, Krieg und Umweltzerstörung in ihrer ganzen Bandbreite und Dramatik. Armut und ungerechte Güterverteilung, jedoch auch die Leiden der Migranten und der Menschenhandel werden dabei als Themen besonderer Aktualität hervorgehoben. Auch der sexuelle Missbrauch wird, nicht zuletzt als Problematik der Kirche selbst, angesprochen.
Besondere Aufmerksamkeit widmet das Dokument unter der Überschrift "Gewalt gegen Frauen" außer physischer und sexueller Gewalt gegen Frauen auch der mangelnden Rechtsgleichheit für Frauen, ungleicher Entlohnung und Berufsaussichten, sexueller Ausbeutung und dem Zwang zur Abtreibung. Auch Probleme wie Polygamie sowie die Verbrechen der Frauenmorde werden angesprochen.
Kriege seien immer eine "Niederlage der Menschlichkeit", heißt es in dem Vatikan-Schreiben, und weiter: "Kein Krieg ist die Tränen einer Mutter wert, die ihr Kind verstümmelt oder tot gesehen hat; kein Krieg ist den Verlust des Lebens auch nur eines einzigen menschlichen Wesens wert, eines heiligen Wesens, das nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers geschaffen wurde". Dennoch gebe es ein "unveräußerliches Recht auf Selbstverteidigung" wie auch die "Verantwortung, diejenigen zu schützen, deren Existenz bedroht ist".
Fortpflanzungsmedizin und Transgender
Als Bedrohungen der Menschenwürde werden jedoch weiters auch einige neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Sexual- und Fortpflanzungsmedizin genannt. Dies betrifft insbesondere die Leihmutterschaft und die immer häufiger nachgefragte anatomische Veränderung von Geschlechtsmerkmalen mit dem Ziel einer Geschlechtsangleichung.
Zum Thema Transgender heißt es in der Erklärung, dass "jeder geschlechtsverändernde Eingriff in der Regel die Gefahr birgt, die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitzt". Als einzige mögliche Ausnahme nennt die Erklärung Fälle, in denen "eine Person mit bereits bei der Geburt vorhandenen oder sich später entwickelnden genitalen Anomalien sich für eine medizinische Behandlung zur Behebung dieser Anomalien entscheiden kann".
In Sachen Leihmutterschaft unterstreicht der Text erneut die ablehnende Haltung der katholischen Kirche. Diese Praxis verletze sowohl die Würde des Kindes als auch die der Frau, die ein Kind im Auftrag anderer austrage. Das Kind werde "zu einem bloßen Objekt", die austragende Mutter werde "von dem Kind, das in ihr heranwächst, losgelöst und zu einem bloßen Mittel, das dem Profit oder dem willkürlichen Wunsch anderer unterworfen ist". Dies widerspreche "der grundlegenden Würde eines jeden Menschen und seinem Recht, immer als er selbst anerkannt" und niemals als Instrument für etwas anderes benutzt zu werden.
Kritik an Gender-Theorie
Kritisch äußert sich die Kirche gegenüber einem Bestreben der Gender-Theorie, die Existenz der biologischen Geschlechter zu leugnen. Es handle sich dabei um einen "fundamentalen Unterschied", zu dem festgehalten wird: "Er bewirkt im Paar von Mann und Frau die bewundernswerteste Gegenseitigkeit und ist somit die Quelle jenes Wunders, das uns immer wieder in Erstaunen versetzt, nämlich die Ankunft neuer menschlicher Wesen in der Welt."
Immer sei eine Person eine "unteilbare Substanz", deren Würde unveräußerlich sei, so das Dokument. Dies betreffe auch ein ungeborenes Kind, einen bewusstlosen Menschen, einen unselbständig gewordenen alten Menschen, einen Menschen im Todeskampf oder einen Menschen mit geistiger Behinderung. Die Würde eines Menschen bleibe "jenseits aller Umstände" und könne niemals von der Beurteilung der Fähigkeit zu Erkenntnis oder zu freiem Handeln abhängen.
Quelle: kathpress