Caritas: Einsatz für Demokratie und Menschenrechte sichtbar machen
Der Einsatz so vieler Menschen für Demokratie und Menschenrechte müsste öffentlich viel stärker präsent sein. Das hat Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler eingemahnt. Sie habe Sorge, "dass die rechtsradikalen Tendenzen zu stark in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wir brauchen den Einsatz von den vielen Menschen, die noch immer die Mehrheit sind und sich hoffentlich für Demokratie einsetzen und die Wahrung der Menschenrechte", so die Caritas-Präsidentin im "Kurier"-Interview (Montag). Oft habe sie das Gefühl, "wir trauen uns nicht, dazu zu stehen, aus Furcht, manche Wählerstimmen zu verlieren, anstatt sich darüber Gedanken zu machen, dass man Wählerstimmen eher gewinnt, wenn man klar für etwas einsteht".
Tödtling-Musenbichler nahm im Interview zur auseinanderdriftenden Gesellschaft, zu Hasspostings auf Social Media und zu den vielfältigen Formen von Armut im Land Stellung. Auf die anstehende Nationalratswahl angesprochen und darauf, dass man in Gesellschaft und Politik derzeit wenig Dialogbereitschaft feststelle, sagte die Caritas-Präsidentin: "Ja, wir haben momentan eine Stimmung, die kühl ist, und Erzählungen, die rau sind. Wir bitten um eine Abrüstung der Worte. Das Ziel ist, in Österreich einen Ort zu schaffen, wo Vielfalt sichtbar und lebbar ist, weil wir sie ja auch brauchen. Wir haben auf der einen Seite zu wenige Menschen, die bei uns arbeiten, aber zum anderen eine Kultur, die Fremde nicht willkommen heißt."
Dass die Gesellschaft auseinanderdriftet, sehe man u.a. am steigenden Antisemitismus. Tödtling-Musenbichler: "Aus der Geschichte Österreichs haben wir eine ganz klare Verantwortung - sich einsetzen gegen Antisemitismus, aber auch gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus. (...) Wir müssen daran arbeiten, dass Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bei uns keinen Platz haben, weil bei uns die Menschenrechte zählen."
Gesetze gegen Hasspostings
Im Blick auf Hasspostings in Sozialen Medien sagte die Caritas-Präsidentin: "Viele Menschen wissen gar nicht, welche Auswirkungen ihre Worte haben. Ich denke an die Fälle, wo Menschen Suizidgedanken deswegen haben, so etwas darf nicht passieren." Beim anonymisierten Reden über Menschen bis hin zu Verleumdungen und Drohungen brauche es wohl neue Gesetzgebungen, um dagegen stärker vorzugehen. Sie persönlich könne sich gut schützen, so Tödling-Musenbichler: "Ich lese das einfach nicht. Ich nehme nur Kommentare ernst, die mir mit Namen geschrieben werden."
Es brauche "Begegnungsräume, wo wir trainieren, wieder miteinander in den Dialog zu treten, gerade im Hinblick auf die Spaltungstendenzen, die entstehen". Es würde viel helfen, "wenn wir uns wieder darauf fokussieren, dass wir gemeinsam in die Zukunft gehen und nicht jeder für sich allein als Einzelperson".
"Wir reden mit allen Parteien"
Zur Frage, ob es für die Caritas eine Wunschkonstellation für die nächste Bundesregierung gibt, antwortete Tödtling-Musenbichler: "Wir machen als Caritas keine Parteipolitik, wir reden mit allen Parteien. Aber wir wünschen uns, dass es eine Politik ist, die ihre Aufgaben ernst nimmt, die die vielen Anliegen der Bevölkerung aufnimmt und gestaltet, wofür sie gewählt wird." Soziale Anliegen sollte jede Partei "ganz groß drin haben, weil sie sonst ganz viele Menschen vergessen würden".
Mit einer Partei, die sich massiv gegen Menschenrechte oder gegen Fremde ausspricht, wäre eine Zusammenarbeit wohl schwierig. Sie wünsche sich "eine Bundesregierung, die Demokratie und eine solidarische Gesellschaft hochhält".
"Kinderarmut darf nicht sein"
Tödtling-Musenbichler sprach im "Kurier"-Interview zudem von vielfältigen Nöten im Land. Manche seien offensichtlich: "Menschen, die zuvor nie geglaubt hätten, dass sie mit der Caritas in Berührung kommen, sind jetzt bei uns, weil sie mit Miete, Strom und der Teuerung nicht zurechtkommen." Auch bei Frauen- und Kinderarmut brauche es ganz dringend Lösungen "und ein Bekenntnis, dass man hier anpackt". Nachsatz: "Kinderarmut darf einfach bei uns in Österreich nicht sein."
Unsichtbarer sei hingegen die Einsamkeit, so die Caritas-Präsidentin weiter: "Das betrifft nicht nur ältere Menschen, es sind viele junge Menschen darunter, die nicht wissen, wie sie ihr Leben und ihre Freizeit gestalten sollen, welchen Sinn ihr Leben hat." Die Caritas wünsche sich einen "Pakt gegen Einsamkeit", auch auf Bundesregierungsebene, "wo wir in allen Formen des menschlichen Lebens das Thema Einsamkeit mitdenken: Wie bauen wir Wohnungen, wie bauen wir Orte?" Dazu gehöre auch ein armutsfestes Sozialnetz, in dem man abgesichert ist, so Tödtling-Musenbichler.
Quelle: kathpress