Glettler: Widerstand gegen das Böse ist eine österliche Tugend
Zur "höchsten Wachsamkeit" hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler aufgerufen, "wenn demokratische Strukturen infrage gestellt werden oder sich erschreckend viele einen 'starken Führer' wünschen." Jeder sei verantwortlich, dass "Polarisierungen in unserer Gesellschaft nicht zunehmen", so Glettler im Interview in der Tirol-Ausgabe der "Kronen Zeitung" (Samstag). "Gemeinsam müssen wir uns für Menschen stark machen, die sehr zu kämpfen haben oder vereinsamen." Im politischen Diskurs dürften Hetze und Brutalität nicht erfolgreich sein. "Widerstand ist jedenfalls eine wichtige österliche Tugend. Sie bewahrt vor Verzweiflung und Resignation. Ostern ist ein Fest der Zuversicht", so der Bischof wörtlich!
Ein österlicher Vorsatz könnte lauten: "Ich möchte mich von der Dynamik des Bösen nicht mitreißen lassen!" In der Feier der Osternacht werde in den Kirchen das Taufversprechen erneuert. Es beginne mit der Formel: "Ich widersage dem Bösen!" - Diese Klarheit sei heutzutage besonders wichtig, betonte der Bischof.
Das Interview fand im Kloster der Ewigen Anbetung in Innsbruck statt. Die Nazis wollten das Kloster wie so viele andere schließen, doch die Ordensfrauen weigerten sich und der damalige Provikar Carl Lampert (1894-1944) kam ihnen zu Hilfe. Lampert leistete auf vielfältige Weise Widerstand gegen die Nazis, bis er festgenommen und hingerichtet wurde. 2011 wurde er seliggesprochen. - Der selige Carl Lampert sei ein großes Vorbild, so Bischof Glettler: "Seine Klarheit und Entschlossenheit machen Mut." Lampert habe stets seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass sich Menschen politischer Verhetzung widersetzen "und damit wieder menschlicher werden, sensibler und empathischer".
Vielfältige Veränderungen notwendig
Es brauche individuelle und gesellschaftliche Veränderungen, so Bischof Glettler weiter: "Angesichts der vielen sozialen Herausforderungen und angesichts der extremen Klimakrise muss sich jeder von uns fragen, wo die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten sind." Es gehe darum, nicht immer alles von anderen zu fordern, sondern sich selbst zu fragen: "Was könnte ich in meinem Lebensstil verändern, damit die Welt ein Stück gerechter wird?" Ostern sei eine Inspiration und Kraftquelle, "um aufmerksamer, dankbarer und auch umsichtiger zu leben. Sich zu vernetzen, Begegnungen zu suchen und nicht nur in der eigenen Bubble zu verharren."
Daneben brauche es auch politische Weichenstellungen, die sich für jeden Einzelnen auswirken. Glettler: "Es gibt doch viele offene Fragen, wenn es um den zukünftigen Pflegebedarf, leistbares Wohnen, einen barrierefreien Zugang zu Bildung, Unterstützung für Angehörige von Demenzerkrankten oder anderen Beeinträchtigungen geht."
Kraft des Gebets
Ausdrücklich unterstrich der Bischof im Interview die Kraft des Gebets. Christliches Beten habe zwei Richtungen. Einerseits gehe es nach innen, in die Stille. Auf der anderen Seite sei das christliche Gebet eine klare Weltzuwendung. "Alles darf vorkommen, was Menschen beschäftigt, erfreut oder bedrängt." Glettler: "Wer betet, kommt auch aus einem gefährlichen Kreisen um das eigene Ego heraus. Im Gebet verwurzelt sich der Mensch im lebendigen Urgrund unseres Seins, den wir Gott nennen."
Quelle: kathpress