Schönborn zum Ukraine-Krieg: "Ich verteidige Papst Franziskus"
Kardinal Christoph Schönborn steht hinter Papst Franziskus, der vor Kurzem in einem Interview dazu aufgerufen hat, im Ukraine-Krieg endlich mit Verhandlungen zu beginnen. Im Interview mit Kathpress und den Medien der Erzdiözese Wien sagte Schönborn wörtlich: "Ich verteidige Papst Franziskus". Man könne diskutieren, ob Franziskus' Formulierung von der "weißen Fahne" gelungen war. Aber eines sei sicher: "Wenn nicht angefangen wird, zu verhandeln, dann geht das Massaker weiter." Und diesen Schritt zu Verhandlungen könnten nur die politisch Verantwortlichen setzen.
"Im Ukraine-Krieg wird es Verhandlungen geben müssen - keine Seite wird 100 Prozent erreichen", zeigte sich Schönborn realistisch. Er lasse sich gerne sagen, "dass das Defätismus ist, aber ein weiteres Jahr dieses Krieges mit zigtausend Toten und Zerstörungen ist keine Option". Verhandeln sei für ihn daher kein Zeichen von Schwäche.
Schönborn räumte ein, dass man die Situation auch anders sehen und sagen könne: "Bis zum Letzten wird gekämpft." Seine Position sei das nicht und auch der Papst habe aus reinem Gewissen gesagt: "Bitte verhandeln!"
Papst Franziskus hatte in einem Interview des Schweizer Fernsehens RSI der Ukraine Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahegelegt. Wahre Stärke beweise derjenige, "der die Situation betrachtet, an die Bevölkerung denkt und den Mut zur weißen Fahne und zu Verhandlungen hat", sagte der Papst unter anderem. Dafür musste er von verschiedenen Seiten auch heftige Kritik einstecken. Man unterstellte ihm, die Ukraine zur Kapitulation zu drängen. Der Papst hätte seinen Aufruf zum Schwenken der weißen Fahne an Russland stellen sollen.
"Das Kreuz ist aufgerichtet"
Der heurige Karfreitag stehe unter besonders schmerzlichen Vorzeichen, sagte Schönborn im Kathpress-Interview weiter. "Die Bilder und die Realität aus der Ukraine, aus Gaza, aus Bergkarabach und vielen anderen Krisenorten berichten nicht nur von kriegerischen Ereignissen, sondern von unendlich schweren Schicksalen von einzelnen Menschen", so Schönborn: "Das Kreuz ist aufgerichtet im Leben vieler Menschen."
Der Wiener Erzbischof zeigte sich erschüttert: "Ich habe dieser Tage ein Foto gesehen von einem riesigen Gräberfeld für Kriegstote in der Ukraine. Neben diesem riesigen Feld ist schon ein Feld bloß gelegt, um Platz zu machen für die nächsten Gräber." Man könne nur inständig hoffen und beten, "dass es für diese leidgeplagten Menschen bald Ostern wird und mit dem Frieden ein Ende der Gewalt.
Im Blick auf Ostern, das zentrale Fest der Christen, hielt Schönborn fest: "Das Leugnen der Auferstehung ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar." Er glaube schon, so der Kardinal, dass die Mehrheit der Menschen an irgendeine Form des Lebens nach dem Tod glaubt. Der christliche Glaube an die Auferstehung des Fleisches sei aber jedenfalls eine Provokation. "Was soll ich mit einem Leib im Ewigen Leben? Warum glauben an eine Auferstehung des ganzen Menschen?" Doch für die Christen sei der Glaube an die Auferstehung so ernst und entscheidend, dass der Apostel Paulus sagen kann: "Wenn es keine Auferstehung gibt, ist unser Glaube leer."
Vertrauen in junge Generation
Zur Frage, welche Botschaft er für die jungen Menschen habe, die die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte - u.a. im Blick auf den Klimawandel - aufarbeiten und lernen müssten, damit umzugehen, sagte der Kardinal: "Ich habe ein tiefes Vertrauen, dass die junge Generation das bewältigen wird." Aber es werde Opfer kosten. Und Schönborn räumte ein: "Unsere Generation hat das angerichtet, gar nicht in böser Absicht. Wer hat in meiner Generation, als die Motorisierung mit den Autos und die Atomkraft gekommen sind, daran gedacht, welche Konsequenzen das haben wird?" Er sei fast 80 Jahre alt, so Schönborn: "Ich werde das nicht sehr lange spüren. Die junge Generation wird es lange spüren. Aber sie wird mit der Herausforderung leben, ich bin zuversichtlich. Warum sollten die jungen Menschen es nicht schaffen?"
Zum Synodalen Prozess sagte Schönborn, dass es in dem ganzen Prozess um einen Kulturwandel gehe, in dem das aufeinander Hören ein wesentliches Element sei: "Die erste Etappe ist, schweigend zuzuhören, die anderen reden zu lassen. Der zweite Schritt ist ein echtes Echo auf das Gehörte: Was hat das, was du gesagt hast, in mir bewirkt? Das heißt, in einen Dialog einzutreten." Es gehe um einen Kulturwandel in der Kirche, in den Pfarrgemeinden und Diözesen. Er wünsche sich, "dass man aufeinander hört. Finden wir gemeinsam heraus, was der Wille Gottes ist. Wenn es nur darum geht, wer der Stärkere ist, dann sind wir ein schlechter Verein." Nachsatz: "Nur weil die gesamte Gesellschaft sagt, es muss in diese Richtung gehen, ist das schon der Wille Gottes?"
Ostern sei "das große Fest der Zuversicht und der Hoffnung", so Schönborn abschließend: "In diesen Tagen brauchen wir dringend die Hoffnung für uns und die vielen Menschen, die in Sorge, unter Kriegsgewalt, in existenziellen Nöten sind. Der Tod habe nicht das letzte Wort. "Das Leben ist stärker. Auferstehen ist das Wort der Hoffnung und der Zuversicht."
Quelle: kathpress