Caritas-Generalsekretärin Parr: "Armutsgefährdung verfestigt sich"
Caritas-Österreich-Generalsekretärin Anna Parr fordert angesichts der hohen Wohnkostenbelastung und Ernährungsarmut strukturelle Verbesserungen bei Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Ausgleichszulage. Diese müssten auf Höhe der Armutsgefährdungsschwelle gehoben werden, forderte Parr am Dienstag via Online-Plattform "X". Hintergrund ist eine Erhebung der Statistik Austria zu den sozialen Krisenfolgen im vierten Quartal 2023, nach der 28 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher angeben, in den vergangenen zwölf Monaten Einkommensverluste erlitten zu haben. Eine Belastung stellt dabei oft der Einkauf von Lebensmitteln dar, mehr als 30 Prozent müssen sich hier einschränken. "Vulnerable Personengruppen sind und bleiben stärker betroffen, die Armutsgefährdung verfestigt sich", so Parr.
Die Generalsekretärin der Caritas Österreich forderte eine Reform der Sozialhilfe und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, "um Menschen schnell wieder in Beschäftigung zu bringen". Die Zahlen würden aber vor allem zeigen, dass die sozialen Auswirkungen nicht alle Menschen gleich betreffen. "Vulnerable Personengruppen sind und bleiben besonders betroffen", so die Caritas-Generalsekretärin.
Parr verwies auf jene 16 Prozent, die laut Statistik Austria angaben, ihre Ausgaben nur schwer decken zu können. Konkret soll dies in Österreich eine Million Menschen betreffen. So geben etwa 250.000 Personen an, hungrig gewesen zu sein, weil nicht genug Geld für Lebensmittel verfügbar war. Besonders betroffen waren Alleinerziehenden, Arbeitslosenhaushalte und Menschen mit geringem Einkommen.
Positiv bewertet Parr die "leichte Verbesserung" durch positive Kollektivvertrag-Abschlüsse, eine rückläufige Inflation und die Maßnahmen der Bundesregierung in den Bereichen Lebensmittel, Wohnen und Energie. "Danke - das hilft!", so Parr wörtlich.
Hohe Wohn- und Energiekosten
Trotz positivem Trend in den Erwartungen der sozialen Entwicklungen der nächsten Zukunft mahnte auch die Armutskonferenz, deren Mitglieder u.a. die Caritas, Diakonie und die Katholische Aktion Österreich sind, am Dienstag in einer Pressemitteilung "mehr günstigen leistbaren Wohnraum" ein. Wohnkostenbelastung, Einkommenssituation und Ernährungsarmut würden bei bestimmten Bevölkerungsgruppen "weiter hoch und bedrückend" bleiben.
Wohn- und Energiekosten stellen laut Erhebung für rund 20 Prozent eine schwere finanzielle Belastung dar, wobei sich laut Statistik Austria eine leichte Entspannung zeigte. Trotzdem erwarten 17 Prozent der 18- bis 74-Jährigen in den kommenden drei Monaten Zahlungsschwierigkeiten bei Wohnkosten wie Miete, Wohnkredit, Wohnnebenkosten oder Betriebskosten.
Die Armutskonferenz bemängelte in ihrer Kritik am geltenden Sozialhilfegesetz einmal mehr, dass etwa die Wohnbeihilfe von den zuständigen Behörden einbehalten werde. "Mindeststandards gibt es keine mehr, das Ziel der Armutsbekämpfung ist aus den Zielen des Gesetzes gestrichen worden", lautete die Kritik. Manche wollten in dieser Situation Sozialleistungen für die Ärmsten im Land weiter kürzen "und Menschen mit einem pauschalen Sachleistungszwang entmündigen", so die Armutskonferenz.
Wie Caritas-Generalsekretärin Parr forderte das Netzwerk "existenzsichernde Sozialleistungen". Konkret brauche es eine "Reform der schlechten Sozialhilfe, Valorisierung und Erhöhung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe", so das Netzwerk. Ferner müsse eine verbesserte Wohnbeihilfe mit einer neuen Mindestsicherung statt der "Sozialhilfe" umgesetzt und eine Energiegrundsicherung eingeführt werden.
Durch das aktuelle Sozialhilfegesetz würde es besonders bei Menschen mit Behinderungen zu drastischen Kürzungen kommen, da deren Unterhaltsforderungen jetzt österreichweit als Einkommen gewertet werden. Auch Kinder seinen von Kürzungen "gravierend betroffen und vielfach in ihrer Entwicklung eingeschränkt". Für Letztere brauche es leistbare und gute Kindergartenplätze sowie eine Schule mit gesunder Jause und warmen Mittagessen, verwies die Armutskonferenz auf den Handlungsbedarf in der Bildung.
Die bereits neunte unter dem Titel "So geht's uns heute" firmierende Datenerhebung fand im November und Dezember 2023 statt. Rund 3.200 Personen zwischen 18 und 74 Jahren haben daran teilgenommen. Die Daten zur Ernährungsarmut wurden laut Statistik Austria erstmalig erhoben.
Quelle: kathpress