Über 20.000 Glocken läuten zu Ostern in Österreich
Über 20.000 Glocken ertönen in der Osternacht von Karsamstag auf Ostersonntag in ganz Österreich. In der Karwoche bleiben die Kirchturmglocken traditionellerweise still: Dem Volksglauben nach "fliegen" sie am Gründonnerstag nach Rom und kehren erst zum Gloria in der Osternacht zurück. Laut aktuellen Zählungen soll es in den österreichischen Diözesen 20.696 Glocken geben - jene der evangelischen Kirchen nicht mitgezählt. Die schwerste Kirchenglocke Österreichs ist die "Pummerin" im Wiener Stephansdom mit mehr als 20 Tonnen Eigengewicht. Die wahrscheinlich älteste erhaltene Glocke Österreichs stammt aus dem 11. Jahrhundert und befindet sich in der Schatzkammer Gurk.
In der Erzdiözese Wien gibt es insgesamt 3.545 Einzelglocken - darin auch Glocken von Schlosskapellen oder Friedhofskapellen eingerechnet - davon sind 1.328 Geläute, also Ensembles von zwei bis acht Glocken sowie sieben Glockenspiele. Die größten Glocken sind "Pummerin" und "Stephanus", erstere wiegt etwa 20 Tonnen, zweitere etwa fünf Tonnen, beide läuten im Wiener Stephansdom. Die ältesten Glocken der Erzdiözese Wien ertönen bis heute in der Ruprechtskirche, im Stephansdom, der Filialkirche Kranichberg und der Pfarrkirche Feistritz am Wechsel - alle stammen aus dem 13. Jahrhundert.
Nach dem Glockenverzeichnis der Diözese St. Pölten gibt es im Diözesangebiet 2.681 Glocken. Die größte Glocke hängt in der Stiftskirche Melk mit rund sieben Tonnen, einem Durchmesser von mehr als zwei Metern, 1739 gegossen. Die älteste datierte Glocke wurde 1200 gegossen und hängt im Turm von St. Martin/Ybbsfelde. Die beiden jüngsten Glocken wurden 2023 für die Pfarrkirche Aschbach gegossen.
Im Burgenland beträgt die Gesamtzahl der Kirchenglocken 1.036. Die Tradition der Glocken habe bereits im frühen Mittelalter eine große Rolle gespielt, hieß es in einer Aussendung; etwa bei der Verteidigung gegen fremde Heere. Die älteste Glocke hängt im Südburgenland in der romanischen Wehrkirche St. Laurentius in Zahling und wurde 1404 gegossen.
"Österreich Gedächtnisglocke" in Mariazell
Zu Ostern läuten in der Diözese Graz-Seckau 2.000 Glocken. Die älteste Glocke in der Steiermark stammt aus dem 13. Jahrhundert, sie ist in der Totenkammer am Friedhof Schäffern zu finden und wiegt etwa 75 Kilo. Schwerer ist hingegen die "Österreich Gedächtnisglocke" in der Mariazeller Basilika, sie wiegt 5.702 Kilo und stammt aus dem Jahr 1950. Als Rarität gilt die "Armensünderglocke" aus dem Jahr 1382 am Grazer Schloßberg.
Rund 3.000 Kirchenglocken schlagen in der Diözese Linz zu jeder vollen Stunde. Die älteste Glocke mit rund 800 Jahren hängt in der Römerkirche Aurachkirchen in der Pfarre Ohlsdorf und wurde 1280 als Merowinger-Glocke gegossen. Als größtes und schwerstes Exemplar gilt die "Angstglocke" oder "Prälatenglocke" im Augustiner Chorherrenstift St. Florian: Sie wiegt 8.845 Kilogramm und hat einen Durchmesser von 245 Zentimeter. In St. Florian befand sich auch eine berühmte Glockengießerei, die 1973 den Glockenguss einstellte. Aus ihrer Werkstätte stammt u.a. die Pummerin für den Wiener Stephansdom. Die Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck ist die letzte Erzeugungsstätte für große Glocken in Österreich.
Zweitgrößte Glocke im Salzburger Dom
Die Erzdiözese Salzburg zählt rund 1.700 Glocken, darunter die Glocke "Salvator"- die Glocke des Salzburger Doms, die nach der Pummerin im Wiener Stephansdom mit ihren 14.256 Kilo als die zweitgrößte Glocke Österreichs gilt. Das Gesamtgeläute des Doms gehört mit seinem 32.000 Kilo zu den größten Europas. In Salzburg gibt es zudem lokale Sagen zum "Wetterläuten" und über Glocken, die nicht geraubt werden können sowie Erzählungen um Glockenrettungsaktionen im Zweiten Weltkrieg.
In der Diözese Innsbruck werden insgesamt 1.704 Glocken von Gründonnerstag bis in die Osternacht verstummen, darunter auch die älteste Glocke Tirols auf 1.279 Metern Seehöhe in St. Helena aus dem Jahr 1300. Die schwerste Kirchenglocke Tirols, die "Schützenglocke", kommt aus der Glockengießerei Grassmayr und wiegt 9.050 Kilogramm. Im Innsbrucker Dom ist zudem das größte Glockenspiel Österreichs installiert; das Mahnmal für den Frieden zählt 48 Glocken und hat einen Umfang von vier Oktaven.
Rund 1.000 Glocken läuten in den 150 Kirchen und 400 Kapellen Vorarlbergs. Die jüngsten läuten in Nüziders und Schoppernau, die größte schwingt im Feldkircher Katzenturm. Die älteste Glocke Vorarlbergs läutet heute in der Schweiz, sie kam im Jahr 610 mit den Missionaren Kolumban und Gallus in die heutige Diözese Feldkirch, befindet sich aber mittlerweile in der Kathedrale des benachbarten St. Gallen.
In den rund 1.000 katholischen Kirchen in Kärnten gibt es etwa 4.000 Glocken. Die größte und zugleich schwerste Glocke Kärntens ist die sogenannte "Maria Saalerin" im Nordturm des Maria Saaler Doms aus dem Jahr 1687; sie hat einen Durchmesser von 222 Zentimeter und ist etwa 6.600 Kilogramm schwer. Bis 1711 war die "Maria Saalerin" auch die größte Glocke Österreichs, dann wurde sie von der "Pummerin" im Wiener Stephansdom abgelöst. Die älteste Glocke Kärntens ist gleichzeitig eine der ältesten erhaltenen Glocken Österreichs: Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert und gehörte ursprünglich zur Filialkirche "Maria Schmerzen" am Freudenberg. Heute befindet sich die Glocke mit einer Höhe von 57 cm, einem Durchmesser von 45,5 cm und einem Gewicht von 55 kg in der Schatzkammer Gurk.
Auch die Gotteshäuser der Militärdiözese besitzen Glocken, etwa 30 Stück. Ein Großteil davon wurde in den späten 1950er- und 1960er-Jahren angeschafft und großteils in Österreich hergestellt. Eine Besonderheit stellt darunter das Geläut der Bischofskirche des Militärbischofs an der Militärakademie in Wiener Neustadt dar, die über drei Tonnen wiegt und 1617 hergestellt wurde.
"Fasten der Ohren"
Ab dem Gloria der Gründonnerstagsliturgie schweigen in der katholischen Kirche die Glocken und Orgeln. Der Legende zufolge "fliegen" sie nach Rom und kehren zum Gloria in der Osternacht zurück. Die Formulierung im Volksmund "Die Glocken sind nach Rom geflogen" hat keine klare Begründung: So ist es unsicher, ob sich die Glocken den päpstlichen Segen holen und mit der Osterbotschaft wiederkommen, dort gereinigt werden oder gar eine Mahlzeit erhalten.
Tatsächlich ist das Schweigen der Glocken ein Brauch, um die Tage des traurigen Leidens Jesu in Stille zu begehen. Analog zum Verhüllen von Kreuzen und Bildern, das als "Fasten der Augen" gedeutet wird, soll der Verzicht auf den Klang von Glocken und Orgeln ein "Fasten der Ohren" sein. Anstelle der Glocken werden in der Zeit der schweigenden Glocken von Ministrantinnen und Ministranten im Gottesdienst Klöppeln oder Ratschen benutzt.
Uhrzeit und Gottesdienst
Das Glockenläuten zur vollen Stunde oder zu jeder Viertelstunde hat sich im Mittelalter entwickelt, als der größte Teil der Bevölkerung noch keine Uhr hatte. Bis heute läuten die Kirchenglocken traditionell vor einem Gottesdienst, um die Gemeinde in die Kirche zusammenzurufen sowie während des Gottesdienstes bei der Wandlung. Je nach Region gibt es zudem ein "Freitagsläuten" um 15 Uhr, das wöchentlich an das Karfreitagsgeschehen erinnert. Außerdem gibt es ein "Feierabendläuten" am Samstag oder am Vortag eines Feiertags sowie ein Glockengeläut für Hochzeiten, Taufen oder ähnliche Feierlichkeiten.
Nahezu alle Diözesen haben eigene Glockenbeauftragte, die für die Erhaltung und Zählung zuständig sind. Eine Vielzahl der Glocken stammen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, da ihre Vorgängerinnen meistens im Zuge des Zweiten Weltkriegs zu Kriegsgerät verarbeitet wurden.
Das Läuten der Kirchenglocken fällt unter das Grundrecht der Religionsfreiheit. Demnach ist das Glockenläuten ein Bestandteil der freien öffentlichen Religionsausübung und gilt "in bisher ortsüblichem Rahmen" nicht als Ruhestörung. Kirchenrechtlich besitzen Kirchen und öffentliche Kapellen das Recht auf Glocken, um die Gläubigen zum Gottesdienst einzuladen und an häusliche und persönliche Gebete tagsüber zu erinnern.