Theologin: "Weltfrauentag für Kirche reklamieren"
"Wir müssen den Weltfrauentag für die Kirche reklamieren", forderte Martina Bär, Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz. Die Anliegen des internationalen Weltfrauentags am 8. März, wie Gleichstellung von Männern und Frauen, Chancengleichheit oder der Kampf gegen Gewalt, seien auch für die Kirche anwendbar. "Es genügt nicht an einem Tag im Jahre Rosen zu verteilen, es braucht vielmehr eine Debatte über kirchliche wie gesellschaftliche Geschlechterkonstrukte". Feministische oder queere Theologie hätten lange als "no go" gegolten, inklusive Abwehrhaltung, einem negativen Image von Feminismus sowie Feministinnen und einer "Einstufung als links". "Heute ist es ein wissenschaftlich ernst genommenes Thema", so die Theologin.
In der katholischen Kirche würde zwar seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und besonders seit dem Pontifikat von Papst Franziskus die Gleichwertigkeit von Frau und Mann betont, nicht aber deren Gleichberechtigung in Ämterfragen, erläuterte Bär. Bei der Frage nach dem "heißen Eisen" Frauenpriestertum und -diakonat wies sie auf die europäische Tradition des modernen Verfassungsstaates hin, in dessen Entwicklung auch die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts aufgehoben und die Gleichberechtigung von Frauen gefordert und gefördert worden sei. "Die Kirche orientiert sich nicht an einem modernen Staat, was zu Missverständnissen und Unverständnis bei Frauen führt", erklärte die Leiterin des Fachbereichs Fundamentaltheologie der Uni Graz.
Zur Frage, ob man nach der Weltbischofssynode im Herbst Frauen zu Diakoninnen oder Priesterinnen weihen kann, meinte Bär: "Es wird sicher eine Debatte geben, aber ich erwarte keine Entscheidung". Und weiter: "Wahrscheinlich muss noch mehr Druck vonseiten der Frauen ausgeübt werden, bevor sich etwas ändert." Frauenpriestertum und -diakonat seien aber nicht nur eine Sache von westeuropäischen Frauen, meinte die Theologin, die auf eine globale kirchliche Perspektive hinwies. So sei es nicht überall selbstverständlich, dass Frauen und Männer Kirche aktiv und entscheidend mitgestalten dürfen", so das Fazit der Theologin.
Bewusstseinswandel in Theologie und Wissenschaft
Zum positiven Umbruch hätten soziale Bewegungen rund um "Black Lives Matter" oder "#metoo" beigetragen, aber auch die Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen innerhalb von Kirche wie Gesellschaft. "Eine kritische Masse innerhalb der Gesellschaft bekennt sich zu einem Bewusstseinswandel, der auch in der Wissenschaft Ausdruck findet", so die Erklärung der Professorin. Aber auch das moralisch-ethische Empfingen in Gesellschaft wie Theologie habe das vormalige Randthema in den Fokus gerückt.
Verändert habe sich auch das Verständnis der theologischen Frauen- und Geschlechterforschung selbst, wies Bär hin. Die Entwicklung sei von der sogenannten ersten Welle des Feminismus, die noch stärker auf die Lebensbereiche von Frauen fokussiert war, hin zur dritten Welle des Feminismus, die sich als intersektional versteht, gegangen. Konkret bedeute dies andere Diskriminierungsformen - wie Rassismus - sowie einen interreligiösen Blick miteinzubeziehen, so die Leiterin der Fakultätsschwerpunktes "Frauen- und Geschlechterforschung" an der Katholisch-Theologische Fakultät Graz.
Das aktuelle Forschungsfeld in Graz umfasst u.a. die Themenbreite von Sexualität(en) im Alten Testament bis hin zur aktuellen Debatte um Reproduktive Gerechtigkeit und ist im Forschungsnetzwerk "Heterogenität und Kohäsion" aktiv vernetzt. "Theologische Frauen- und Geschlechterforschung hat heute keine Randstellung mehr und ist stark im interdisziplinären Diskurs eingebunden", so Bär.
Graz: 30 Jahre Geschlechterforschung
Der Fakultätsschwerpunkt "Frauen- und Geschlechterforschung" wurde im Juni 1994 errichtet und feiert heuer sein dreißigjähriges Bestehen. Gründungsmitglied ist die emeritierte Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Graz, Irmtraud Fischer. Anlässlich dieses Jubiläums sind einige Veranstaltungen geplant. Der Auftakt bildet die Ringvorlesung zum Thema "Sex, Gender und Religion" in diesem Sommersemester. Aktuelle Themen wie die Diskussion um das vatikanische Papier "Fiducia supplicans" zur Segnung homosexueller Paare, aber auch tabuisierte Bereiche wie die Prostitution werden interdisziplinär besprochen, hieß es in einer Ankündigung. "Das Besondere an der Vortragsreihe ist aber, dass 'heiße Eisen' wie Ehe und Scheidung oder Verhüllung von Frauen in interreligiösen Tandemvorträgen diskutiert werden", informierte Bär.
Alle Vorträge sind öffentlich und richten sich an alle Interessierten. Sie werden live gestreamt und finden von 14. März bis 27. Juni jeweils donnerstags um 19 Uhr statt (Link: https://static.uni-graz.at/fileadmin/_files/_project_sites/_genderforschung-theologie/Dateien/uni-graz-genderforschung-theologie-RelDoFlyer_WEB.pdf).
Tradition hat bereits die Grazer "Genderlesung" anlässlich des Welttags der Frauen: Am Donnerstag, 7. März, von 17 bis 21 Uhr lesen Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Kunst im Graz Museum (Sackstraße 18) für sie programmatische Texte. Sie treten mit dieser Veranstaltung für die Gleichbehandlung aller Geschlechter ein und setzen ein Zeichen gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, hieß es. Organisiert wird die "Genderlesung" von der Bibelwissenschaftlerin Irmtraud Fischer. Sie fußt auf einer Kooperation des "Cluster Gender" der Universität Graz und der Koordinationsstelle für Geschlechterstudien und Gleichstellung.
Frauentag seit 1911
1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März offiziell als Internationalen Frauentag an. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen. Der erste Frauentag fand am 19. März 1911 statt. 1921 wurde sein Datum durch einen Beschluss der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau endgültig auf den 8. März gelegt. (Link: https://genderforschung-theologie.uni-graz.at/de/)
Quelle: kathpress