Sr. Madl: Kirche muss Geschlechtergerechtigkeit fördern
Es wird schwerer, jungen Frauen die Chancenungleichheit innerhalb der Kirche zu erklären: "Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts - egal ob gesellschaftlich oder kirchlich - sind für eine junge Generation nicht mehr argumentierbar." - Das hat die stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz, Priorin Sr. Franziska Madl, im Kathpress-Gespräch anlässlich des Weltfrauentags betont. Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche müsse mit Transparenz bei Besetzungen und Vertrauen in die Fähigkeit anderer einhergehen, ansonsten würden sich immer mehr junge Frauen von der Kirche verabschieden oder sich weniger engagieren, befürchtete die Priorin der Gemeinschaft der Dominikanerinnen Wien-Hacking.
Kritik übte Sr. Madl auch an den Vorurteilen gegenüber Ordensfrauen, die von Ressentiments bis Anfeindungen reichen würden. Die Erkennbarkeit als katholische Ordensfrau habe ihr bereits negative Reaktionen eingebracht, berichtete Sr. Madl. Durch ihre Ordenstracht sei sie als "Vertreterin der Kirche" erkennbar und für manche eine "sichtbare Irritation".
"Was mich schockiert, ist der mangelnde Respekt im zwischenmenschlichen Umgang", sagte Sr. Madl. Kleidung sei eine Projektionsfläche für Vorurteile und Halbwissen, darum gehe es meist weniger um den Habit an sich, sondern um die Sichtbarkeit als gläubige Frau, erklärte die ausgebildete und praktizierende Psychotherapeutin, die sich auch die Freiheit nehme, auf Provokationen zu reagieren.
Unterstützung statt Verurteilung
Unverständnis gäbe es auch für die bewusste Entscheidung für ein Leben in Gemeinschaft: "Man hat mir oft gesagt, dass ich diesen Schritt bereuen und einen Kinderwunsch entwickeln werde. Nun bin ich Mitte 40 und bereue noch immer nichts", so die Ordensfrau wörtlich. Die Entscheidung für eine Ordensgemeinschaft sei keine Ablehnung von Familie und Kindern, betonte die Dominikanerin, die gleichzeitig Klischees gegenüber kinderlosen Frauen kritisierte, die entweder dafür bemitleidet oder verurteilt würden. "Ich finde es furchtbar, wenn wir Menschen einander Vorschriften machen, wie es sein muss oder wie wir es zu tun hätten." Das Ziel müsse eine gegenseitige Unterstützung von Männern wie Frauen sein.
Die Ressentiments gegenüber Religionen und Gläubigen erklärte die Dominikanerin mit fehlendem Wissen und Respekt vor Andersdenkenden. Es sei daher auch das Ziel der Gemeinschaft der Dominikanerinnen Wien-Hacking, die eine Volksschule, Neue Mittelschule, Fachschule sowie Gymnasium betreiben, Kindern und Jugendlichen die eigene Tradition und den eigenen Glauben näherzubringen, "um anderen respektvoll begegnen zu können".
Geschlechtergerechtigkeit
"Es gibt einen Unterschied zwischen einem Mann Mitte 20 und einer Frau im gleichen Altern: Ein Mann, der das Priestertum in Erwägung zieht, erhält faktisch andere Chancen als eine Frau, die Theologie studiert." Diese fehlende Chancengleichheit könne dazu führen, dass immer weniger junge Theologinnen in der Kirche arbeiten wollen, meinte die Priorin. "Möglicherweise ist eine junge Frau heute auch weniger geneigt, das verstehen oder hinzunehmen zu wollen", meinte Sr. Madl. Selbst das Ökumene- oder Traditionsargument, die als gewichtige Erklärungen gegen das Frauenpriestertum oder -diakonat angeführt werden, seien nicht mehr ausreichend in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklungen.
Wichtiger als die oft gestellte Frage nach dem Frauenpriestertum oder -diakonat sei aber das Thema Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche, meinte die Ordensfrau. Konkret gehe es um die Besetzung wichtiger Positionen, faire und transparente Bezahlung unabhängig vom Geschlecht und die Umsetzung des Gleichbehandlungsgesetzes. In Anbetracht des fehlenden Priesternachwuchses und der immer größer werdenden Pfarrkonstrukte sei die Kirche nun gewissermaßen gezwungen, eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sowie Frauen und Männern zu fördern, sagte Sr. Madl.
Bewahrungsbemühen und Erneuerungsbestrebungen
Die aktuell gesellschaftliche Tendenz zu extremen Meinungen zeichne sich auch in der Kirche ab, mahnte Sr. Madl. Auch die Kirche laufe aktuell Gefahr auseinanderzudriften: "Es gibt die, die am liebsten alles niederreißen und revolutionieren wollen und die, die am liebsten in die nostalgische Zeit vor dem Zweiten Vatikanum zurückkehren möchten, an die sie sich selbst kaum noch erinnern können." Kritik übte die Priorin auch am Druck, sich ständig positionieren zu müssen, da dies wiederum zu einer Kategorisierung in "links und rechts" führe, die kaum dienlich sei.
Die viel kritisierte Langsamkeit der Kirche könne hier den Vorteil haben, Bewährtes zu behalten und Veraltetes zu erneuern, bemerkte die Ordensfrau. "Bekanntlich liegt die Tugend in der Mitte. Und die Mitte wäre dann irgendwo zwischen Bewahrungsbemühen und Erneuerungsbestrebungen."
Dominikanerinnen Wien-Hacking
Sr. Franzsika Madl wurde 2018 zur Priorin der Gemeinschaft der Dominikanerinnen Wien-Hacking gewählt. Sie folgte Sr. Martina Boisits nach, die 17 Jahre lang das Kloster geleitet hat. Das Kloster wurde 1870 von Mutter Raymunda von Auersperg und P. Raymund Hekking in Hacking, einem damaligen Vorort von Wien, gegründet. Ziel der kleinen Schwesterngemeinschaft war "Unterricht und Erziehung weiblicher Jugend", eine Schule wurde 1874 eröffnet. Die heutige Gemeinschaft in Wien umfasst mehrere Generationen, die zusammen leben.
Quelle: kathpress