Polak: Kirche geht mit Verlust junger Frauen Potential verloren
"Die Kirche steht bei vielen jungen Menschen für eine Institution, in der Frauen diskriminiert werden und das ist für sie nicht mehr nachvollziehbar": Darauf hat die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak im Kathpress-Gespräch hingewiesen. Junge Frauen würden auch die Rolle von Religionen und Kirchen kritischer hinterfragen, wenn sie sich nicht bereits abgewendet hätten, meinte die Religionssoziologin. Als Gründe für diese Entwicklung nannte Polak die Missbrauchsskandale, die Debatten um die Rolle der Frau in der Kirche und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Gender und Geschlechtergerechtigkeit: "Hier entsteht für junge Menschen, speziell Frauen, eine Gemengelage aus vielen offenen Fragen, die die Kirche nicht mehr beantworten kann."
Der Kirche gehe mit dem Verlust junger Frauen jedenfalls "ein enormes Potenzial" verloren, so Polak. Daran ändere auch nichts, dass junge Frauen trotz sinkender Religiosität noch immer Interesse an spirituellen Themen hätten, da die Kirche für sie nicht mehr als Anlaufstelle gelte. Diese Entwicklung sei bei der katholischen wie evangelischen Kirche sehr ähnlich, erklärte die Institutsvorständin am Institut für Praktische Theologie der Universität Wien.
"Die Kirchen stehen damit für Institutionen, die die spirituellen Erfahrungen und Sehnsüchte einer jungen Generation nicht mehr adäquat bedienen können", erklärte die Theologin. Überdurchschnittlich häufig seien Frauen hingegen im Bereich von Hilfsorganisationen, Sozialprojekten oder zivilgesellschaftlichen Initiativen zu finden.
Gefragt, ob der Synodale Prozess der Weltkirche sich positiv auf das Image der Kirche auswirken könne, sagte Polak: "Die Ungleichzeitigkeit zwischen den durchaus positiven Entwicklungen in der Weltkirche in der Frauenfrage und die Erfahrungen vieler junger, liberaler Frauen führt dazu, dass der Synodale Prozess diese nicht mehr erreicht. Aus Sicht der jungen Frauen, für die Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit selbstverständlich sind, sind die kirchlichen Debatten fern ab ihrer Realität." Die katholische Kirche behandle damit Themen, die bei vielen jungen Frauen längst keine mehr seien, so das Fazit der Theologin.
Generation Z
Hintergrund ist u.a. eine Studie der "Financial Times", laut der Frauen der Generation Z, also jene, die um die Jahrtausendwende geboren wurden, liberaler sind als gleichaltrige Männer. Wenn diese These auch für Österreich stimmt, dann hätte dies negative Auswirkungen auf größere Institutionen, warnte Polak. Institutionen - egal ob Kirche, Vereine oder Politik - würden davon leben, dass sie keinen "uniformen Block" bildeten, sondern dass es einen liberalen und konservativen Flügel gibt, die im besten Falle miteinander kommunizieren würden.
Die Zeitung wertete globale Daten über das politische Profil der Generation Z aus. Die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen trenne ein tiefer Geschlechtergraben, so das Fazit: Die jungen Frauen werden linker, die jungen Männer rechter.
Interesse an körpernahen Spiritualitäten
Schon seit Beginn der 2000er-Jahre sei eine Veränderung der Religiosität in Richtung Spiritualität zu beobachten, meinte Polak, die auch Mitglied des Forschungsverbundes Interdisziplinäre Werteforschung ist. Als konstant zeige sich dabei die Entwicklung eines steigenden Interesses an körper- und gefühlsnahen Spiritualitäten, wie Yoga oder Formen des Zen und Meditation. "Das hat viel mit der Suche nach sich selbst zu tun", so die Theologin. "Gleichzeitig haben sich die Vorstellungen von göttlicher Wirklichkeit verändert. Das liegt vermutlich auch daran, dass die klassisch christliche Rede von Gott oder einer göttlichen Wirklichkeit von vielen nicht mehr verstanden wird", so Polaks Fazit.
Mittlerweile seien die veränderten Anforderungen an Kirchen und Religionen auch in der katholischen und evangelischen Kirche angekommen, die bewusst christliche Spiritualitätsformen fördern und in einigen Diözesen eigene Arbeitsbereiche dafür geschaffen haben, erwähnte Polak positiv.
Quelle: kathpress