Ritter-Grepl: "Gleichmacher-Ängste" nicht angebracht
"Es ist ein Missverständnis, dass Geschlechtertheorien alle Geschlechter gleich machen wollen": Die Vielfalt und das "Anders-Sein" anderer anzuerkennen, bezeichnete die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö) Angelika Ritter-Grepl als "die wahre Herausforderung unserer Zeit". Als "nicht hilfreich" bezeichnet sie im Kathpress-Interview anlässlich des internationalen Weltfrauentags am 8. März die "Angst vor der Vielfalt" sogenannter "Gender-Ideologie"-Kritiker. "Gleichmacher-Ängste" könne sie nicht nachvollziehen, wenngleich Vielfalt die Herausforderung mit sich bringe, die Besonderheiten aller einzubeziehen, sei es in Bezug auf Generationen oder Geschlechter.
"Wir haben in Österreich zwar eine gesetzliche Gleichberechtigung, sie drückt sich aber nicht in einer tatsächlichen Gleichberechtigung aus", kritisierte Ritter-Grepl. Noch immer gebe es in Österreich einen zu hohen "Gender Pay Gap" - also ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle -, eine hohe weibliche Altersarmut und eine ungleich aufgeteilte Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern. "Wir haben in Österreich - in Gesellschaft wie Kirche - noch immer Lebensumstände für Männer und Frauen, die speziell für Frauen nachteilig sind. Und darüber reden wir zu wenig."
Geschlechtergerechtigkeit beginnt im Alltag
Am Weltfrauentag müsse man jährlich Politik wie Gesellschaft auf die geschlechtsabhängigen Defizite und Benachteiligungen hinweisen, meinte Ritter-Grepl. Sowohl im gering bezahlten professionellen Care-Bereich wie Kinderbetreuung und Pflege als auch in Form von unbezahlter Arbeit im Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen seien es immer noch überwiegend Frauen, auf denen die Last der Sorgearbeit ruhe, kritisierte die kfbö-Vorsitzende.
"Geschlechtergerechtigkeit beginnt schon im Alltag, etwa bei der fairen Aufteilung der Care-Arbeit innerhalb der Familie", wies Ritter-Grepl hin. Noch immer würden aber stereotype Rollenbilder vorherrschen, etwa dass Frauen die besseren Versorgerinnen wären. "Junge Männer benötigen positive Vorbilder, sich stärker im Care-Bereich einzubringen, gleichzeitig braucht es attraktivere Arbeitszeitmodelle für junge Familien", lautete die Forderung von Ritter-Grepl. Eine Abfuhr erteilte sie dabei dem Vorschlag einer "Großeltern-Karenz", wie es Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in seinem "Österreich-Plan" vorgestellt hatte. Damit würde das Problem der fehlenden Kinderbetreuungsplätze nicht gelöst und wiederum Frauen - in diesem Fall Großmütter - in die Care-Arbeit gedrängt.
Generationenfrage
Mit Blick auf den hohen Altersdurchschnitt der kbf-Mitglieder sagte die Vorsitzende der größten Frauenorganisation Österreichs: "Die katholische Frauenbewegung repräsentiert jenen Teil der österreichischen Kirche, der noch immer treu in der Kirche ist und sich in der Institution bewegt." Als problematisch bezeichnete sie aber weniger das Alter der Mitglieder, sondern dass immer mehr Frauen um die 30 Jahre aus der Kirche austreten - anders als junge Männer. "Das macht uns Sorgen und ist Anlass, neue Angebote zu setzen", so die kfb-Vorsitzende.
Ritter-Grepl erklärte dies mit dem Anspruch jüngerer Frauen, dass innere und äußere Struktur übereinstimmen müssten, "und das ist in der katholischen Kirche schwierig, da es hier eine starke Differenz gibt, die immer schwerer zu vermitteln ist".
Konkret wollen die katholischen Frauen künftig verstärkt auf altersrelevante Angebote setzen. "In einer Umfrage innerhalb der kfb haben wir gesehen, dass die Angebote für junge Frauen 'radikaler' sein müssen als für die Generation 60 plus, die meist schon ihren Platz in der Kirche wie Gesellschaft gefunden oder sich mit Strukturen abgefunden haben." So seien innerkirchliche Veränderungen in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit für jüngere Frauen "der Schlüssel zum Engagement", für ältere Frauen nicht mehr. Frauen über 60 - die den Großteil der kfb-Mitglieder ausmachen - würden es schätzen, mehr Zeit für sich, ihre Interessen oder ihre Spiritualität aufbringen zu können.
Vielfalt leben
Innerhalb der kfb versuche man, als positives Beispiel voranzugehen, so deren Vorsitzende. Die Mitglieder seien Frauen aus ländlichen wie städtischen Bereichen, in unterschiedlichen Lebenssituationen und mit vielfältigen Ausbildungen, "weil wir so vielfältig sind, wird auch immer wieder kontrovers diskutiert"; unterschiedliche Meinungen werden mithilfe von Moderation und inhaltlichen Prozessen aufgearbeitet. Als hilfreich bei Spannungen bezeichnete Ritter-Grepl die gemeinsame Spiritualität und die vom Glauben getragene gegenseitige Achtung.
Gewalt gegen Frauen
Gewalt gegen Frauen sei keine Randerscheinung, sondern ein weltweites und speziell Österreich spezifisches Problem, mahnte Ritter-Grepl: "Hinter der hohen Zahl an Femiziden in Österreich liegen kulturell gelebte Geschlechterstereotypen, die Gewalt gegen Frauen fördern und tolerieren". Sie forderte eine breite gesellschaftliche Debatte und stärkere Gesetze zum Schutz von Frauen sowie eine Aufklärungskampagne für Männer ein.
Hintergrund ist die Serie an Tötungen von Frauen in Österreich; Österreichweit wurden 2024 (Stand Ende Februar) laut dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser bereits sieben Frauen getötet; im Vorjahr waren es 26 Femizide. Frauen benötigten positive Beispiele, wie es gelingen kann, Gewalthandlungen abzuwehren: "Es fehlt an öffentlichen Vorbildern von und für Frauen, die zeigen, wie man sich wehren kann."
Quelle: Kathpress