Hilfswerke: "Care Leaver" mit ungleichen Startbedingungen konfrontiert
Hilfsorganisationen machen auf die schwierige Situation Jugendlicher und junger Erwachsener aufmerksam, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Familien aufwachsen konnten. Sogenannte "Care Leaver" werden, solange sie noch nicht volljährig sind, von der Jugendhilfe betreut, ab dem 18. Geburtstag jedoch aus ihrem gewohnten Umfeld entlassen, womit sie ihre Versorgung und somit oft auch ihr einziges Sicherheitsnetz verlieren. Mehr als 200 Expertinnen und Experten beleuchten bei der Wiener Fachtagung am Freitag zum Internationalen Care Day (16. Februar) die vielfältigen Probleme von jungen Erwachsenen und "Care Leaver" und zeigen Lösungsvorschläge auf.
Organisiert wird das Symposium von der Caritas der Erzdiözese Wien, der Diakonie, der Heilsarmee, Wiener Hilfswerk, Neunerhaus, SOS-Kinderdorf, Volkshilfe Wien und anderen Hilfsorganisationen. Gemein ist ihnen das Anliegen einer verlässlichen Unterstützung der jungen Menschen auf dem Weg in ein stabiles Erwachsenenleben. "Viele junge Menschen, die fremduntergebracht aufgewachsen sind, haben in ihrem Leben schon viel mitgemacht. Umso wichtiger wäre eine verlässliche Unterstützung auf dem Weg in ein stabiles Erwachsenenleben", so der Appell der Hilfsorganisationen.
Der Umstand, dass Qualität und Dauer der Betreuung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist, sei "inakzeptabel", kritisieren die NGOs. Es brauche dringend eine Gesamtstrategie mit österreichweit einheitlichen Regelungen und einen Rechtsanspruch auf Betreuung bis zum 21. oder bestenfalls sogar 24. Lebensjahr, um die ungleichen Startbedingungen für "Care Leaver" auszugleichen. "Sowohl die Bundesregierung als auch die Wiener Landesregierung haben sich in ihren Regierungsabkommen Verbesserungen für "Care Leaver" vorgenommen. Wir appellieren an die Verantwortlichen, diese endlich umzusetzen."
Konkret wird neben der Vereinheitlichung und Verlängerung der Betreuung auch die Möglichkeit gefordert, nach einseitiger Beendigung der Betreuung wieder in Einrichtungen zurückzukehren. Zudem machen sich Expertinnen und Experten für flexible Formen der Unterstützung stark, um auf die jeweiligen Bedürfnisse der "Care Leaver" eingehen zu können.
Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Armut
Im Gegensatz zu jungen Menschen, die in einem intakten Elternhaus aufwachsen und durchschnittlich erst mit 25 Jahren von zu Hause ausziehen, sind "Care Leavers" früh zur Selbstständigkeit gezwungen, erklärte Tom Adrian, Leiter der Jugendnotschlafstelle "a_way" der Caritas der Erzdiözese Wien. Die Krisen der letzten Jahre haben die Situation für junge Menschen noch einmal mehr verschärft. "Leistbarer Wohnraum ist rar - für viele 'Care Leaver' bleibt ab dem 18. Geburtstag dann nur der Weg in die Wohnungslosenhilfe", so Adrian.
Dort gebe es aber wenig spezifische Angebote für junge Erwachsene, obwohl rund ein Drittel aller Klienten der Wiener Wohnungslosenhilfe unter 30 Jahre ist. Wenn zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe noch keine Ausbildung abgeschlossen ist, seien "Care Leaver" zusätzlich mit Armut und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Es gibt keine flächendeckenden Strukturen, die ihnen ausreichende Unterstützung und verlässliche Betreuung bis ins frühe Erwachsenenleben und somit eine faire Chance auf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen, kritisieren die Organisationen.
Österreichweit fehlten zudem einheitliche Standards, die eine gute Versorgung junger Menschen garantieren. Bei der Fachtagung soll es neben Vorträgen zu nationalen und internationalen Best-Practice-Beispielen auch viel Raum für Diskurs ermöglicht werden. In einer Podiumsdiskussion tauschen sich "Care Leaver", Organisationen, politische Vertreterinnen und Vertreter und wissenschaftliche Expertinnen und Experten über die aktuellen Problemstellungen und mögliche Lösungen aus. Dabei steht die Erfahrung der Betroffenen im Zentrum der Veranstaltung.
Quelle: kathpress