Tödtling-Musenbichler: "Caritas ist gelebtes Christentum"
"Caritas ist gelebtes Christentum und die Caritas ist ein ganz wichtiger Teil der katholischen Kirche, der mit Händen und Füßen anpackt, um Menschen in Not zu helfen": Das hat die neue Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler im Kathpress-Interview betont. Oder mit den Worten des emeritierten Erfurter Bischofs Joachim Wanke ausgedrückt: "Caritas ist Verkündigung mit Händen und Füßen." Die Basis der Caritas sei das Evangelium, und von diesem Grundauftrag des Evangeliums her sei man für alle Menschen da, ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Religion oder des Geschlechts, betonte Tödtling-Musenbichler.
"Dort hinschauen, wo Not ist. Handeln, kreativ sein und wenn nötig auch neue Wege beschreiten. Und immer den Menschen mit Wertschätzung und Achtung begegnen." Mit diesen Worten hat die neue Caritas-Präsidentin jene Werthaltung erklärt, die beim Gegenüber ankommen müsse. Letztere seien jene, "die tagtäglich in unsere Caritas-Beratungsstellen oder in unsere Essensausspeisung kommen, oder bei jenen, die bei uns in einem Pflegeheim wohnen. An all diesen Orten soll spürbar sein, dass die Caritas eine Organisation ist, die von christlichen Werten getragen ist."
"Geht nicht, gibt's nicht"
Tödtling-Musenbichler war von 2004 an stellvertretende Leiterin im VinziDorf der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, einer Einrichtung für obdachlose Männer mit schwerer Suchterkrankung. Ab 2010 war sie Koordinatorin und Leiterin der VinziWerke Österreich, bis sie im November 2021 als Vizedirektorin ins Direktorium der Caritas Steiermark wechselte und mit 1. Juli 2022 Direktorin wurde.
Die neue Caritas-Präsidentin erinnerte an Vinzi-Gründer Pfarrer Wolfgang Pucher, der vergangenes Jahr verstorben ist. Ohne Wolfgang Pucher wäre Österreich ein Stück weit ärmer, zeigte sich Tödtling-Musenbichler überzeugt: "Ich habe vieles gelernt von ihm und ich glaube, dass ich wie er stur sein kann, wenn es darum geht, dass wir uns für Menschen in Not einsetzen und nicht klein beigeben. Dass wir Lebensbedingungen für Menschen verändern, dass wir nicht nachlassen, auf Probleme hinzuweisen und auch in die dunklen Ecken der Gesellschaft hineinleuchten, dort, wo man vielleicht gerne vorbeigeht und wegsieht, weil es unbequem ist."
Tödtling-Musenbichler erinnerte an eine Episode, als sich Pfarrer Pucher, um gegen das Grazer Bettelverbot zu protestieren, selbst zum Betteln auf die Straße gesetzt hat. "Ich durfte das damals organisieren und habe mich natürlich auch selbst auf die Straße gesetzt." Das Motto Puchers, das sie auch für sich weiterleben und in die Caritas auf Österreichebene hineintragen will: "Geht nicht, gibt's nicht."
Bodenhaftung nicht verlieren
Auch als Caritas-Präsidentin sei ihr der direkte Bezug zu den Menschen wichtig. Sie werde sicher auch weiterhin regelmäßig die Caritas-Einrichtungen in der Steiermark und auch in ganz Österreich besuchen, "weil es mir ganz wichtig ist, die Bodenhaftung nicht zu verlieren, auch selbst hinzuhören, selbst zu erfahren, wie es ist, wenn Menschen bei uns in der Lebensmittelausgabe anstehen müssen." Erst vergangenen Woche habe sie wieder Lebensmittelpakte bei einer Caritas-Stelle ausgegeben. "Das brauche ich persönlich für mich. Ich glaube, das tut aber auch der Caritas gut, dass wir uns berühren lassen."
Positive Worte fand Tödtling-Musenbichler im Kathpress-Interview für Papst Franziskus, der in seinem Pontifikat die Sorge für die Armen, die die Kirche ja immer schon prägte, wieder deutlicher thematisiert hat. "Auch ich wünsche mir von Herzen eine Kirche, die für die Armen da ist und ihnen hilft, aus ihrer Not auch wieder herauszukommen. Die Kluft zwischen Arm und Reich muss wieder kleiner werden."
Sozialpolitische Hebel
Im sozialpolitischen Bereich nannte Tödtling-Musenbichler drei Hebel, bei denen es laut Caritas anzusetzen gilt. Es brauche eine Anhebung der Ausgleichszulage auf die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle, die vor allem Mindestpensionistinnen zugutekäme; zweitens eine Reform der Sozialhilfe sowie drittens die Valorisierung der Notstandshilfe und des Arbeitslosengeldes.
Die Frage, ob die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe dazu einlädt, vom Staat abhängig zu bleiben, verneinte Tödtling-Musenbichler. Diese sei "das letzte Auffangnetz, das ist keine Hängematte. Das ist nichts, wo man sich zurücklehnen kann und mit dem man ein Leben lang auskommt."
Sorge um solidarische Gesellschaft
Eindringlich warnte die Caritas-Präsidentin vor weiteren Spaltungstendenzen und Ausgrenzungen in der Gesellschaft. Statt Polarisierung brauche es mehr Solidarität. Demokratie und Menschenrechte sind keine Verhandlungsmasse, hielt Tödtling-Musenbichler fest.
Darauf angesprochen, dass sie die erste Frau an der Spitze der Caritas in Österreich ist, sagte Tödtling-Musenbichler: "Ich warte auf den Moment, wenn ich darauf nicht mehr angesprochen werde bzw. diese Frage nicht mehr gestellt wird. Denn dann haben wir die Gleichberechtigung endlich erreicht und es macht keinen Unterschied mehr, ob ein Mann oder eine Frau eine Position besetzt. Es geht einfach darum, dass die richtige Person am richtigen Ort die richtige Funktion ausübt."
Quelle: kathpress