Rabbiner Hofmeister: Gehen als "Augenöffner" in die Schulen
Der seit dem 7. Oktober neu entfachte Nahost-Konflikt birgt auch Zündstoff für die österreichischen Klassenzimmer. Hier gilt es für den Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister anzusetzen. Gemeinsam mit Imam Ramazan Demir geht er seit einigen Jahren in die Schulen und leistet Aufklärungsarbeit. Die Botschaft lautet: Die Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Muslimen sind viel größer, als die meisten wissen. "Wir gehen als Augenöffner in die Schulen und geben den Schülerinnen und Schülern Antworten, die sie überraschen und zum Nachdenken motivieren", berichtete der Rabbi bei einer interreligiösen Veranstaltung am Montag in Wien anlässlich des Fünf-Jahres-Jubiläums der Abu-Dhabi-Erklärung zwischen Papst Franziskus und dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayyeb.
"Viel zu viele haben zu einfache und falsche Bilder vom Gegenüber, schon der Umstand, dass ein Imam und ein Rabbi gemeinsam und freundschaftlich in einer Schule auftreten, sorgt oft für Verwunderung", so der Wiener Gemeinderabbiner.
Die Politik im Nahen Osten ist kein Konflikt der Religionen, auch wenn es religiöse Fanatiker auf beiden Seiten gebe, so Hofmeister. Aber: "Muslime und Juden haben viel gemeinsam, was in der christlichen Gesellschaft nicht beachtet wird, etwa Speise- oder Gebetsregeln". Die muslimisch-jüdischen Beziehungen würden viel mehr von der Politik missbrauch, ist er überzeugt.
Aktueller Hintergrund ist auch die debattierte Zunahme der Schulsuspendierungen; so gab es in Wien im Schuljahr 2022/23 etwa 814 Suspendierungen. Der Wiener Bildungsstadtrat Christopher Wiederkehr (NEOS) führte diese zum Teil auf Auseinandersetzungen zum Geschehen in Israel zurück, wie er am Montagabend in der "Zeit im Bild 2" darlegte.
Erzählung von Rechtsextremen
Es gebe auch in Europa Politikerinnen und Politiker, die sich insgeheim über muslimischen Antisemitismus und die Angst der jüdischen Bevölkerung vor Musliminnen und Muslimen freuen würden, zeigte sich Hofmeister überzeugt. "Dass Muslime Europa islamisieren wollen, ist die Erzählung von Rechtsextremen", so Hofmeister. Sie profitierten davon, dass Jüdinnen und Juden Angst haben.
Mit Imam Demir geht er in die Schulen, "um absolute Basics zu vermitteln", so der Rabbi. Jüdinnen und Juden würden immer auch als Repräsentanten des Staates Israel wahrgenommen, bei den Muslimen sei das anders. "Unsere Botschaft ist, dass durch Kooperation und die täglichen menschlichen Interaktionen auch die Vorurteile schrumpfen", so der Rabbi. "Es geht nicht nur um Konzepte und Schriften, das wichtigste ist aktiv zu werden und einander zu zeigen, dass wir alle gleich sind."
Und es gelte, wieder einzuüben, dem Gegenüber Fragen zu stellen: "Die größte Krankheit der heutigen Zeit ist, dass die Menschen keine Fragen mehr stellen", zeigte sich Rabbi Hofmeister überzeugt.
Quelle: kathpress