Landau: "Wir brauchen mehr und nicht weniger Europa"
"Wir brauchen im Blick nach vorn mehr und nicht weniger Europa und auch mehr Caritas in Europa." - Das hat der scheidende Caritas-Präsident Michael Landau betont. Im Interview mit Kathpress und den Medien der Erzdiözese Wien (Der Sonntag, radio klassik Stephansdom) zog Landau ein Resümee seiner bisherigen Caritas-Arbeit, die 1995 begann. Seine Amtszeit als Präsident der Caritas Österreich endet mit 31. Jänner. Auf Landau folgt Nora Tödtling-Musenbichler, Caritasdirektorin in der Steiermark. Landau bleibt aber Präsident der Caritas Europa.
Europa stehe vor enormen Herausforderungen durch die Klimakrise, bei den Themen Armutsbekämpfung, Demografie, Migration oder auch Digitalisierung, sagte Landau. Lösungen könne man nur gemeinsam umsetzen, warnte er vor einem Ausscheren einzelner Staaten.
Exemplarisch wies Landau etwa auf die EU-Kinderrechtsstrategie und die Europäische Kindergarantie hin, wo es darum geht, gemeinsam gegen Kinderarmut vorzugehen. Er sehe aber beispielsweise auch, dass in Österreich und in anderen Ländern neue Probleme sichtbar werden, etwa die "stille Not der Einsamkeit". Auch das sei ein Thema, "bei dem alle Länder gefordert sind und voneinander lernen können." Vieles werde gemeinsame Lösungen brauchen und die Möglichkeit, voneinander zu lernen, plädierte der Caritas-Europa-Präsident für ein verstärktes europäisches Miteinander. Dazu könne auch die Caritas Europa mit ihrem Netzwerk Wesentliches beitragen, zeigte sich Landau überzeugt.
"Politisch, aber nicht parteipolitisch"
Landau nahm im Interview auch ausführlich zum Verhältnis der Caritas zur Politik Stellung. Die Caritas sei politisch, aber nicht parteipolitisch. "Unser Auftrag ist es, Menschen in Not beizustehen, ganz gleich, um wen es sich handelt. (...) Unser Auftrag ist unter jeder Bundesregierung der gleiche. Das Evangelium ist kein Parteiprogramm und die Caritas ist von daher weder rot noch schwarz, noch grün, noch pink, noch blau. Sondern es geht um die konkrete Hilfe für konkrete Menschen."
Die Rolle der Caritas bzw. der Kirche sei wohl so wichtig wie schon lange nicht mehr, so Landau: "Wir müssen auch als Kirche Sprachrohr all der ausgegrenzten, vermeintlich überflüssigen und an den Rand gedrängten Menschen sein, vom behinderten Kind bis zum sterbenden Greis." Das sei nicht immer eine gemütliche Aufgabe, "aber permanente Gemütlichkeit ist auch nicht Gegenstand der biblischen Verheißung". Nachsatz: "Wenn die Kirche nicht mehr mahnt, wer soll es dann noch tun?"
Zur Frage, ob es ihn in den vergangenen Jahrzehnten nicht auch ab und zu gereizt hätte, in die Politik zu wechseln und beispielsweise als Sozialminister Caritas-Forderungen umzusetzen, hielt Landau fest: "Als Priester geht man nicht in die Politik." Das bedeute freilich nicht, dass er nicht auch ein politischer Mensch sei. Politik sei aus kirchlicher Sicht ein "wichtiger Dienst der Nächstenliebe". Er habe auch viele Politikerinnen und Politiker kennen und schätzen gelernt. Neidgefühle seien dabei aber bei ihm nicht aufgekommen, "weil ich auch erlebt habe, wie herausfordernd diese Arbeit ist, wie sehr man unter ständiger Beobachtung steht und wie oft auch der Umgangston in der Politik zu wünschen übrig lässt". Er würde sich von daher gerade auch im Blick auf die kommenden Wahlen einen sachlicheren und respektvolleren Umgangston in der Politik wünschen, so der Caritas-Präsident.
Im Rückblick räumte Landau ein, dass es auch der Caritas unter seiner Leitung wohl nicht immer gelungen sei, in öffentlichen Debatten das richtige Maß an Kritik an den Tag zu legen, man in der Kritik manchmal überbordend war. Manchmal wäre man auf der anderen Seite wiederum vielleicht zu leise gewesen, wenn es darum gegangen sei, auf Not und Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, etwa in der internationalen Hilfe angesichts des Dramas, wenn Kinder an Hunger oder an dessen Folgen sterben.
Und manchmal habe man im Nachhinein leider auch schmerzlich recht behalten, "wenn wir etwa unter der türkis-blauen Bundesregierung davor gewarnt haben, die Mindestsicherung zu zerschlagen. Das war ein schwerer Fehler, der sich jetzt in der Krise schmerzlich rächt. Da hätten wir lieber nicht recht behalten", so Landau.
Im Blick auf die vielfältigen Krisen, die den Menschen in Österreich Sorgen machen, sprach Landau von einer "Zeit des Umbruchs". Es sei aber möglich, diesen Umbruch zu gestalten, plädierte er für Nüchternheit, Optimismus, Zusammenhalt und Zuversicht. Es brauche Engagement und Solidarität auf allen Ebenen. "Wir werden aus diesen Krisen verändert hervorgehen. Aber ob zum Guten oder zum Schlechten, das liegt ein ganzes Stück weit auch an uns. Und hier kommt es auf jede und jeden Einzelnen an", zeigte sich der scheidende Caritas-Präsident überzeugt.
Wie weiblich ist die Caritas?
Als er vor gut 28 Jahren in der Caritas anfing, habe es in den höchsten Positionen nur Männer gegeben, erinnerte sich Landau im Interview. Heute habe man bereits drei Direktorinnen in den Diözesen, es gebe seit einigen Jahren eine Generalsekretärin und nun auch eine Präsidentin. Er habe in der täglichen Arbeit gelernt, "dass gemischte Teams bessere Arbeit leisten". Und: Die Caritas sei schon lange eine weibliche Organisation auf den unterschiedlichsten Ebenen und in den unterschiedlichsten Bereichen gewesen. Das sei nun auch ein ganzes Stück weit auf der Führungsebene sichtbar geworden. "Und das halte ich für wichtig. Das ist ein wichtiges Signal nach innen und außen."
Was wirklich zählt
Im Rückblick darauf angesprochen, was Erfolg für ihn sei, sagte Landau: "Ein Erfolg im Kleinen ist, wenn ein wohnungsloser Mensch einen Schlafsack bekommt, einen Teller heiße Suppe. Wenn es möglich ist, Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben oder in der Ukraine Menschen zu begleiten in dieser dramatischen Situation oder auch Kinder in Äthiopien vor dem Hungertod zu bewahren.
In einem größeren Kontext meine Erfolg auch, "wenn es uns gelingt, Menschen zu befähigen, wieder auf den eigenen Beinen zu stehen und das eigene Leben selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu leben". Letztlich gehe es darum, die Gesellschaft ein Stück weit zum Positiven zu verändern. Es gehe ihm auch immer darum, "die Frage wachzuhalten, was wirklich zählt. Lebe ich heute schon so, wie ich am Ende meiner Tage gelebt haben möchte?"
Glaube nimmt Gestalt an den Rädern an
Und Landau fügte persönlich hinzu: "Je älter ich werde, umso sicherer bin ich mir, dass Glaube und Leben zusammengehören, dass der Glaube nicht zuerst Theorie ist, sondern Beziehung und befreiende Praxis. Der Glaube wird heute und hier konkret, oder er wird es gar nicht. Und er wird konkret nicht zuerst in Theorien, sondern im konkreten Tun. Er gewinnt Gestalt an den Rändern des Lebens und an den Rändern der Gesellschaft, nicht zuletzt als Erinnerung daran, dass es am Ende vor allem darum gehen wird, ob wir aufeinander geachtet haben, ob wir füreinander da gewesen sind, ob wir, so gut wir es konnten, versucht haben, als Menschen zu leben."
Michael Landau wurde 1995 Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien, 2013 zusätzlich Präsident der Caritas Österreich. Im Herbst 2023 hatte er angekündigt, nicht mehr für die Wiederwahl in letzterer Funktion zu kandidieren. Seine Aufgabe als Wiener Caritas-Direktor hatte er schon im Frühjahr 2023 an Alexander Bodmann und Klaus Schwertner übergeben.
Landau will sich nun ganz seiner Aufgabe als Präsident der Caritas Europa widmen. Für dieses 2020 angetretene Leitungsamt im Netz von 49 Mitgliedsorganisationen in 46 Ländern wurde er im Vorjahr einstimmig wiedergewählt, wobei hier die Amtsperiode noch bis 2027 dauert.
Das Interview zum Nachlesen gibt es auf der Website https://www.dersonntag.at. auf Radio Klassik Stephansdom wird es am Mittwoch, 31. Jänner, um 17.30 Uhr gesendet, ist zum Nachhören als Podcast über die Website von Radio Klassik Stephansdom (https://radioklassik.at/)abrufbar bzw. über die Website www.katholisch.at und via Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar.
Quelle: kathpress