Van der Bellen und Religionsvertreter setzen Zeichen für Frieden
Zu einer "Stunde für den Frieden" lud Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstag Vertreterinnen und Vertreter aller in Österreich anerkannten 16 Kirchen und Religionsgesellschaften in die Hofburg ein. Dabei betonten sowohl das Staatsoberhaupt wie auch die Kirchen- und Religionsvertreter die gemeinsame Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und das gesellschaftliche Miteinander. Es sei bemerkenswert, so Van der Bellen in seinem Grußwort, dass die Kirchen und Religionen ein so besonders gutes Miteinander in Österreich pflegen würden. Das heutige Treffen sei ein Zeichen dafür.
Bundespräsident Van der Bellen und seine Gattin Doris Schmidauer begrüßten in der Hofburg u.a. Militärbischof Werner Freistetter, den lutherischen Bischof Michael Chalupka, die evangelische Synodenpräsidentin Ingrid Monjencs, den armenisch-apostolischen Bischof und Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan, den koptischen Bischof Anba Gabriel, den methodistischen Superintendenten Stefan Schröckenfuchs, die altkatholische Bischöfin Maria Kubin, die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung, Angelika Ritter-Grepl, den orthodoxen Erzpriester Nikolaus Rappert, den syrisch-orthodoxen Chorepiskopos Emanuel Aydin, Hirte Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche und Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka. Weiters waren der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural, IKG-Präsident Oskar Deutsch und der Präsident der Buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weißgrab, der Einladung gefolgt.
"Frieden ist in Österreich eine Selbstverständlichkeit und die Kirchen und Religionen tragen viel dazu bei. Leider ist der Frieden weltweit keine Selbstverständlichkeit", so Bundespräsident Van der Bellen wörtlich. Er hob die Bedeutung des Dialogs hervor und rief dazu auf, diesen weiterhin mit Engagement zu pflegen. Nachsatz: "Ich vertraue darauf, dass wir ein friedvolles Miteinander bewahren. Miteinander zu reden ist essenziell für das Wohl unserer Gesellschaft. In Zeiten globaler Unsicherheiten ist es wichtig, dass wir einander zuhören und uns nicht vor anderen Überzeugungen fürchten."
Bedeutung der Religionen nimmt zu
Bischof Werner Freistetter, der in seiner Funktion als Referatsbischof für den interreligiösen Dialog in der Bischofskonferenz an erster Stelle die katholische Kirche vertrat, hob in seinen Ausführungen das Friedenspotenzial der Religionen hervor und verwies in diesem Zusammenhang auf Papst Franziskus wie auch auf eigene Erfahrungen. Die Bedeutung der Religionen für die Bewältigung der aktuellen Krisen und Herausforderungen nehme sogar zu, zeigte sich der Bischof überzeugt.
Entgegen der verbreiteten Ansicht, dass Religionen oder Religion überhaupt die Ursache vieler bewaffneter Konflikte sind und die Welt ohne Religion wesentlich friedlicher wäre, hätten der aktuelle Papst wie auch seine Vorgänger immer wieder auf das Friedenspotential der Weltreligionen hingewiesen. "Religion kann und darf nie als Legitimation für Kriege und die gewaltsame Durchsetzung wirtschaftlicher oder politischer Interessen herangezogen werden", so Freistetter.
Als ehemaliger Leiter des Instituts für Religion und Frieden und Militärseelsorger in verschiedenen Konfliktgebieten, besonders auf dem Balkan, aber auch im Libanon und auf dem Golan, habe er miterlebt, so Freistetter weiter, "wie wichtig die Rolle der Religionsgemeinschaften für den Erhalt oder die Wiederherstellung eines dauerhaften Friedens in einer Gesellschaft ist". Er habe aber auch erfahren, "wie schwer es für manche religiösen Repräsentanten ist, ihr gesellschaftliches und politisches Engagement von der innersten Substanz ihres Glaubens her zu bestimmen und nicht umgekehrt". Oft sei die Versuchung groß, "das Trennende zwischen Gruppen von Menschen im Rückgriff auf religiöse Unterschiede hervorzustreichen, um ganz andere Interessen damit zu verfolgen und bestehende Konflikte noch zu verfestigen", räumte der Bischof ein.
Er sei deshalb sehr froh, "dass die Vertreter der Religionsgemeinschaften in Österreich einen freundschaftlichen Umgang miteinander pflegen und auf vielen Ebenen zum Wohl der Menschen in diesem Land und darüber hinaus zusammenarbeiten".
Respekt und Wertschätzung
Deutliche Worte kamen auch von der evangelischen Synodenpräsidentin Ingrid Monjencs. Als evangelische Kirchen in Österreich stehe man voller Schrecken vor dem Grauen der Kriege, ob in unmittelbarer Nachbarschaft Österreichs oder in anderen Weltgegenden. "Wir teilen das Entsetzen und das Gefühl der Ohnmacht mit allen Menschen, die in Österreich leben. Wir verurteilen die Aggression derer, die Schuld auf sich geladen haben - sei es durch den Angriffskrieg auf die Ukraine oder den Terrorüberfall der Hamas auf Israel. Und wir beten für die Opfer des Krieges, die Kinder, Frauen und Zivilisten, die Opfer der Gewalt werden", so die Synodenpräsidentin.
Die evangelischen Kirchen wollten sich mit all ihren Möglichkeiten dafür einsetzen, "dass in Österreich ein friedliches Zusammenleben aller, die hier leben, möglich ist und bleibt", hielt Monjencs fest. Sie würdigte, "dass Respekt und gegenseitige Wertschätzung zwischen den Religionsgemeinschaften in Österreich gelebt wird".
Gewissheit über die eigenen Glaubensgrundlagen und Toleranz seien keine Gegensätze, sondern ermöglichten erst Dialogfähigkeit und gehaltvolle Toleranz, so Monjencs: "Wir sind froh und dankbar, dass diese Weise der freien, pluralismusfähigen Religionsausübung in Österreich garantiert ist und zum Einsatz für Frieden in Gerechtigkeit beiträgt." Friede in Gerechtigkeit ziele ab auf die Anerkennung der Würde aller, auf die Achtung der Menschenrechte, auf nachhaltige politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Monjencs: "Als Evangelische Kirchen wissen wir uns deshalb weiterhin in der Verantwortung, den Opfern der weltweiten Konflikte humanitäre Hilfe zu leisten, sowohl vor Ort als auch denen, die als Flüchtlinge bei uns Schutz und Zuflucht suchen." Die Synodenpräsidentin wies zudem auf die Notwendigkeit des Einsatzes gegen jede Form von Antisemitismus hin.
Orthodoxer Beitrag zum Frieden
Zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zum gemeinsamen Einsatz für den Frieden rief auch der griechisch-orthodoxe Metropolit und Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich, Arsenios (Kardamakis), auf. Oftmals neigten Gesellschaften dazu, das Trennende zu suchen und zu betonen. Umso mehr seien die Kirchen und Religionsgemeinschaften gefordert, "Glauben und Nächstenliebe zu bekennen, Verbindendes zu schaffen und zu erhalten".
Die Orthodoxe Kirche lege großen Wert auf die Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft der Menschen entstehe und wachse durch Begegnung und Dialog. "Entsprechend ist es uns von Natur aus ein Anliegen, miteinander und mit Menschen unterschiedlichster Hintergründe und Herkunft in Verbindung zu treten und so die Gemeinschaft wachsen zu lassen", so der Metropolit in seinem Grußwort, das von Erzpriester Nikolaus Rappert verlesen wurde. Der Metropolit hält sich derzeit bei einer Bischofsversammlung des Patriarchats von Konstantinopel in Istanbul auf.
Die Aufforderung zur Gottes- und zur Nächstenliebe durchziehe das Evangelium wie ein roter Faden und werde zu Recht als eine der Kernaussagen des Christentums betrachtet. Umso tragischer, ja fast schon paradox, seien die vielen Kriege und Konflikte in der Welt. "Wir sehen, dass der Mensch, obwohl er das Gute kennt, doch immer wieder zum Bösen verführt werden kann und das Böse tut", so der Metropolit in seinem Grußwort und weiter: "Umso wichtiger ist es, dass wir uns bemühen, wo immer wir können, das Gute zu tun und zu fördern und uns ganz besonders auch für den Frieden einzusetzen." Er begrüße die aktuelle interreligiöse Friedensinitiative des Bundespräsidenten. Die Orthodoxe Kirche leiste gerne ihren Beitrag "zur ehrlichen Verständigung und zum harmonischen, friedlichen Miteinander in unserer Welt, für unsere und für die zukünftigen Generationen".
Jüdischer Friedensappell
Eidel Malowicki ergriff für die Israelitische Kultusgemeinde das Wort und appellierte eindringlich für Frieden und Versöhnung: "Reichen wir einander die Hände, um ein Zeichen zu setzen für Frieden, Schalom."
Religion nicht missbrauchen
Für die Muslime in Österreich betonte Ümit Vural wörtlich: "Heute treten wir gemeinsam auf, um das Potenzial unseres Dialogs aufzuzeigen und ein starkes Signal in die Bevölkerung zu tragen. Wir möchten verdeutlichen, dass Religion nicht als Werkzeug für Hass, Gewalt und Konflikte missbraucht werden darf. Im Gegenteil - wir stehen für die positive und konstruktive Rolle der Religionen in der Gesellschaft." Die Religionen verbinde die grundlegenden Bedürfnisse nach Frieden, Wertschätzung und Solidarität untereinander, "basierend auf dem festen Glauben an die Unantastbarkeit der Würde des Menschen", so der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft.
In den vergangenen Jahren habe man in vielen Bereichen gesellschaftliche Spaltungen erlebt. "Wir sind mit einer unerträglichen Polarisierung konfrontiert, mit menschenverachtender Rhetorik und einem Mangel an Empathie", warnte Vural. Die vergangenen Wochen hätten "tragische Verluste an Menschenleben und großes Leid über Israel und Palästina gebracht". Die Islamische Glaubensgemeinschaft stehe an der Seite derer, "die Hass und Gewalt verurteilen und sich für den Frieden einsetzen".
Er sei der Überzeugung, "dass durch Gewalt keine Probleme gelöst werden, sondern nur neue entstehen", daher wolle er an dieser Stelle noch einmal seinen Appell für ein unverzügliches Ende der Gewalt im Nahen Osten wiederholen: "Es ist dringend notwendig, den konstruktiven Friedensdialog wiederaufzunehmen, der zu einem friedlichen Zusammenleben aller Menschen in der Region führt. Allen Völkern muss gleichermaßen ein Leben in Sicherheit, Würde und Freiheit zugestanden werden."
Vural zitierte in seiner Rede auch mehrmals den südafrikanischen Friedensnobelpreisträger und Präsidenten Nelson Mandela: "Solange Armut, Ungerechtigkeit und Ungleichheit in der Welt fortbestehen, kann keiner von uns wirklich ruhen." Und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft fügte hinzu: "Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam an der Vision einer solchen Welt arbeiten."
Frauen und Frieden
Die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö), Angelika Ritter-Grepl, die ebenfalls an der "Stunde für den Frieden" teilnahm, wies in einem Statement auf die fehlende Einbindung von Frauen in Friedensverhandlungen hin: "Frauen sind von Krieg durch Gewalthandlungen und insbesondere durch Vergewaltigungen stark betroffen. Gleichzeitig leisten sie an vielen Orten der Welt einflussreiche Friedensarbeit. Damit sie wirken können, müssen sie aber erst einmal in ihrer Tätigkeit akzeptiert und anerkannt werden."
Bereits im Jahr 2000 habe die UNO die Teilnahme von Frauen bei Friedensverhandlungen gefordert. Bald ein Vierteljahrhundert später würden die Frauen immer noch darauf warten, Gehör zu finden. "Wenn wir nicht als gleichberechtigte Gesprächspartnerinnen in die Gestaltung von Frieden integriert werden, ist letzterer ein Wolf im Schafspelz. Denn Frieden braucht die egalitäre Einbindung und Gleichstellung aller Geschlechter ebenso wie aller religiösen, gesellschaftlichen und kulturellen Identitäten", so Ritter-Grepl.
Grundlage für Friedensarbeit seien Vergebung und Versöhnung. Dieses Konzept werde in allen Religionen gelehrt, "weil es ohne ein Zugehen auf mein Gegenüber keine Gemeinschaft geben kann", so die kfbö-Vorsitzende: "Der Glaube unserer Religionen lehrt uns Vertrauen. Vertrauen in Gott heißt 'trotz allem' weitermachen und sich für den Frieden einsetzen. Zuversicht ist ein Geschenk an alle gläubigen Menschen und ein Keim der Verständigung. Wir haben den christlichen Auftrag, diesen Keim zu bewässern, auch wenn ringsum Dürre herrscht."
Am Rande der Veranstaltung hob Van der Bellen im Gespräch mit Medien hervor, dass die Initiative zu dieser Begegnung von den Kirchen und Religionen ausgegangen sei. Dass alle anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sofort der Einladung in die Hofburg gefolgt seien, sei ein sehr erfreuliches Zeichen. Ebenso freue er sich besonders darüber, "dass die Kirchen und Religionen heute durch Männer und Frauen vertreten waren".
Quelle: kathpress