Bosnien: Gedenkfeier für auf Balkanroute verstorbene Flüchtlinge
Ein Gedenken für in den jüngsten Jahren auf der Balkanroute verstorbene Migranten hat an der bosnisch-serbischen Grenze stattgefunden. Mitglieder des Wiener Pfarrnetzwerks Asyl, der Diakonie, der NGO "SOS Balkanroute", der "Omas gegen Rechts" sowie auch die Nationalratsabgeordnete Bedrana Ribo (Grüne) eröffneten am Wochenende gemeinsam mit bosnischen Aktivisten, Bergrettungs- und Zivilschutzmitgliedern sowie Vertretern des bosnischen Menschenrechtsministeriums Teilstücke auf zwei orthodoxen Friedhöfen, auf denen Flüchtlinge ihre letzte Ruhestätte finden. Das berichtete Roswitha Feige vom Pfarrnetzwerk Asyl am Donnerstag gegenüber Kathpress.
19 Gräber wurden in der im Dreiländereck Serbien-Bosnien-Kroatien liegenden Stadt Bijeljina errichtet, 22 in der weiter südlich liegenden Grenzort Zvornik. Die hier mit der Bezeichnung "N.N." (No Name) Begrabenen starben beim Versuch, die Grenzflüsse Drina und Save zu überqueren - nicht durch die Fluten, sondern durch die Pushbacks des EU-Grenzschutzes in die Flüsse und die "Nicht-Existenz legaler Fluchtwege", hieß es bei dem Gedenken. Jeder einzelne Grabstein stehe für die "an Europas Außengrenzen zerbrochenen Träume nach Frieden und Sicherheit".
Feige berichtete von einem Afghanen, der bei der Trauerfeierlichkeit in Bijeljina von der Hoffnung seines Bruders auf ein sicheres Leben erzählte, das in der Drina ein Ende fand. Besonders bewegt habe sie auch die Begegnung mit bosnischen Frauen und zwei Imamen, die sich für Geflüchtete einsetzen. "Menschen, die 1992 selbst den Krieg erlebt haben, nehmen hier Geflüchtete in ihre Häuser und Moscheen auf, versorgen die mit dem Nötigsten und erhalten ihre Menschenwürde bis zum Schluss", so die Vertreterin des Pfarrnetzwerk Asyl, die mit den anderen Anwesenden Rosen in die Drina warf und für die Toten betete. Auch ein Denkmal und eine gepflanzte Baumreihe erinnert an die Toten.
Hunderte tote Geflüchtete
Es gibt keine Statistik, wie viele Menschen auf der Balkanroute verstorben sind, jedoch verzeichnet die Forschungsplattform "4D" 346 bestätigte tote Geflüchtete zwischen 2014 und Dezember 2023 alleine in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. In den Grenzstädten Bijeljina, Bratunac, Janja und Zvornik wurden 60 Tote zwischen 2018 und 2024 gefunden, die Dunkelziffer ist jedoch deutlich höher. Angaben des hier tätigen Pathologen Vidak Simic waren alle der Aufgefundenen unter 30 Jahre alt gewesen, einige sogar erst Kinder. Er sehe es als seine ärztliche und christliche Pflicht an, die DNA-Proben lebenslang aufzubewahren, um Angehörigen die Identifikation zu ermöglichen, so der Experte.
Das ganze Ausmaß der Tragödie sei dann laut Feige bei einer anschließenden Konferenz unter dem Titel "Gestoppte Träume an Europas Außengrenzen" sichtbar geworden: "Nur wenige Leichen können überhaupt geborgen werden." Die Teilnehmenden seien sich einig gewesen, dass die Länder Verantwortung übernehmen müssen. In der Zukunft müsse nicht nur ein menschenwürdiges System der Bestattung, sondern auch eine DNA-Datenbank geschaffen werden, um für Angehörige Klarheit zu schaffen.
Anerkennung und Lob für das Projekt gab es auch von Österreichs Justizministerin Alma Zadic, die bei der Konferenz mit einer Videobotschaft präsent war. Endlich würden "menschenwürdige Grabstätten" geschaffen. "Ich wünsche Euch, dass die jungen Verstorbenen nie vergessen werden", so die Ministerin.
Feiges Angaben zufolge ist auch in Wien ein interreligiöses Totengedenken für auf der EU-Außengrenze verstorbene Flüchtlinge geplant. Nihad Suljic, ein bosnischer Aktivist, der sich seit Jahren um die toten Flüchtlinge im Grenzgebiet kümmert, wird bei der Veranstaltung am 19. Juni auf Einladung des Pfarrnetzwerk Asyl sprechen. (Infos: https://pfarrnetzwerkasyl.at)
Quelle: kathpress