Mazal: Ein Kind ist niemals ein "Schaden"
Geburt und Existenz eines Kindes sind kein "Schaden". Das hat der Präsident des Katholischen Laienrats Österreichs, Univ.-Prof. Wolfgang Mazal, am Montag in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress betont. Anlass dafür ist eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zur sogenannten "Kind als Schaden"-Problematik. Es komme in der öffentlichen Debatte zu kurz, dass der OGH ausdrücklich betont, dass "Leben und Persönlichkeit eines Kindes zweifellos unantastbare Rechtsgüter sind, und dass Geburt und Existenz eines Kindes selbstverständlich auch nicht als Schaden betrachtet werden können", monierte Mazal und sagte: "Es ist daher unverständlich, dass weiterhin die menschenverachtende Diktion verwendet wird, nach der ein Kind einen Schadensfall darstellen könne."
Neu in der am letzten Donnerstag (18. Jänner) veröffentlichten Entscheidung der Höchstrichter ist, dass künftig Schadenersatz auch für ein Kind ohne Behinderung möglich ist, weil der OGH Ärztefehler in Form missglückter Verhütung mit jenen gleichgestellt hat, bei denen eine Abtreibung wegen fehlerhafter Pränataldiagnostik unterblieb. Somit könnten künftig Eltern, die beispielsweise infolge einer misslungenen Sterilisation ein Kind bekommen haben, den Aufwand für den Unterhalt vom Arzt verlangen - auch dann, wenn das Kind ohne jede Beeinträchtigung zur Welt kommt.
Der OGH hat im jetzt entschiedenen Fall eine von einem Gynäkologen nicht entdeckte Fehlbildung an einem Fötus ("wrongful birth") somit erstmals mit einer ungewollten Schwangerschaft nach einem rechtswidrigen Verhalten eines Arztes ("wrongful conception") gleichgesetzt. In beiden Fallgruppen wäre bei fehlerfreiem Verhalten des Arztes die Geburt des Kindes unterblieben, daher ist in beiden Fallgruppen ein Schadenersatz zulässig, so die Sicht des OGH.
Gefährdung behinderten Lebens
Die Entscheidung des OGH sei "detailliert argumentiert und setzt die bisherige Judikatur fort", befand Mazal, wandte aber ein: "In mehrfacher Hinsicht bleibt jedoch ein schaler Nachgeschmack." So sei nicht nur die Diktion, die ein Kind als Schaden qualifiziert, abzulehnen. Problematisch bleibe aus Sicht des Sozial- und Familienrechtsexperten, dass der OGH auch in der vorliegenden Entscheidung der herrschenden Meinung folgt, dass ein Schwangerschaftsabbruch zivilrechtlich "aufgrund der Fristenregelung nach § 97 Abs 1 Z 1 StGB zwar als straflos, jedoch als rechtswidrig anzusehen ist; hingegen bei Indikation insbesondere nach § 97 Abs 1 Z 2 StGB nicht bloß straflos, sondern rechtmäßig" sei.
Dazu hob Mazal hervor, dass bei medizinischer Indikation im Interesse der werdenden Mutter ein Notstand vorliegt, der die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs begründen könne, dass dies jedoch bei wahrscheinlicher Behinderung des Kindes nicht möglich sei. Vielmehr gelte: "Eine Gesellschaft, in der die Abtreibung behinderten Lebens explizit als rechtmäßig qualifiziert wird, nimmt sehenden Auges eine nachhaltige Gefährdung der Humanität in Kauf."
Weitergehende Informationen notwendig
Vor diesem Hintergrund unterstrich der KLRÖ-Präsident die Notwendigkeit weitergehender Informationen. So sei der Anwendungsbereich der Entscheidung nur auf jene wenigen Fälle begrenzt, in denen entweder eine mangelnde Aufklärung über Risiken aus dem medizinischen Eingriff - einschließlich des Risikos einer nach wie vor möglichen Schwangerschaft - oder eine fehlerhafte Durchführung des Eingriffs vorliegt. Mazal: "Die Vorstellung, dass bei ungewollter Schwangerschaft nach Sterilisation der Arzt für den Unterhalt aufzukommen habe, verkürzt die Aussage der Entscheidung in unzutreffender Weise".
Zudem ist aus der Sicht Mazals die Forschung über sozio-ökonomische und medizinische Begleitumstände von Schwangerschaftsabbrüchen überfällig: "Die Debatte zu allen mit ungewollter Schwangerschaft verbundenen Themen würde rationaler verlaufen, wenn sie nicht auf Vermutungen über die Zahl und die Umstände von Schwangerschaftsabbrüchen angewiesen wäre."
Quelle: kathpress