Scheuer für wertschätzende Begegnungen mit jüdischen Gemeinden
Für eine "wertschätzende Begegnung und Weggemeinschaft mit den jüdischen Gemeinden" hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer plädiert. In einem Beitrag zum 25. "Tag des Judentums", den die Kirchen in Österreich am 17. Jänner begehen, weist Bischof Scheuer einmal mehr darauf hin, dass die Verwurzelung im Judentum eine entscheidende Dimension des Christseins sei. (Der Beitrag des Bischofs ist auf der Website des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich - www.oekumene.at - veröffentlicht.)
Das Christentum ist von seinem Selbstverständnis her wesentlich mit dem Judentum verbunden. Damit dies den Christen immer deutlicher bewusst wird, hat der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Jahr 2000 den 17. Jänner als eigenen Gedenktag im Kirchenjahr eingeführt. Dabei sollen sich die Christen in besonderer Weise ihrer Wurzeln im Judentum und ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden. Zugleich soll auch das Unrecht an jüdischen Menschen und ihrem Glauben in der Geschichte thematisiert werden. Dies erfolgt im Rahmen von Gottesdiensten und weiteren Gedenk- und Lernveranstaltungen.
Bischof Scheuer - er ist in der Österreichischen Bischofskonferenz u.a. für Ökumene und die Beziehungen zum Judentum zuständig - zieht eine sehr positive Bilanz der vergangenen 25 Jahre, in denen dieser "Tag des Judentums" in den Kirchen in Österreich, vielen weiteren kirchlichen Einrichtungen oder wie etwa den theologischen Bildungseinrichtungen zu einer nicht mehr wegzudenken Größe geworden sei.
Der "Tag des Judentums" sei in den vergangenen Jahren zudem aber auch zu einem Tag der Begegnung mit den jüdischen Gemeinden geworden, so Scheuer: "Ich bin dankbar, dass die jüdischen Gemeinden diesen Weg der Kirchen wohlwollend annehmen und unsere Lernbereitschaft begleiten." Die Aufgabe der Kirchen sei es, "jüdisches Leben so zu erfassen, wie es sich selbst versteht: Der entschiedene Monotheismus, das Geschenk der Tora und die Verbundenheit mit dem Land Israel sind Kernpunkte jüdischen Selbstverständnisses, deren Tiefe wir Christinnen und Christen noch lange nicht als Herausforderung ausgelotet haben."
Warnung vor "biblischem Fundamentalismus"
Bischof Scheuer warnte davor, sich einem "biblischen Fundamentalismus" hinzugeben, der meine, "das heutige Judentum allein anhand der biblischen Offenbarung des Tanach, des Ersten Testaments erklären zu wollen". Die Traditionen des Talmuds und die engagierte Diskussion der mündlichen Tora bis in heutige Tage gehörten zu einer vollständigen Wahrnehmung dazu. "Diese wertschätzende Begegnung und Weggemeinschaft mit den jüdischen Gemeinden in unserer Zeit ist einer der Schlüssel für die erneuerte Selbstwahrnehmung von uns Christinnen und Christen", so Scheuer: "Jesus ist ohne sein Jude-Sein nicht zu verstehen und auch der Glauben jeder Christin und jedes Christen heute findet im Judentum seinen Bezugspunkt und seine Quelle."
Scheuer: "Jesus war gläubiger Jude, der fest in den Traditionen seines Volkes und seiner Religion stand. Die Heilige Schrift Jesu, der Tanach, unser christliches Erstes Testament, ist dieselbe Heilige Schrift des Judentums. Jeder Psalm, den wir sprechen, ist ein Lied des Judentums", so der Bischof wörtlich und auch das christliche Neue Testament sei eine Sammlung von Schriften jüdischer Autoren.
"Die Verkündigung der Frohbotschaft möge im Geist der wertschätzenden Verbindung mit dem Judentum geschehen, dessen liebenden Vater im Himmel Juden wie Christen gemeinsam, doch je in ihrer Tradition, verehren", so Scheuer weiter. Zu vermeiden seien alle Aussagen, "die das Judentum als unvollkommen, defizitär, gewalttätig oder nur als Vorläufer des Christentums darstellen".
Christliche Schuldgeschichte
Es gelte zudem, "der kirchlichen Judenfeindschaft in der Geschichte demütig zu erinnern, ihr zu entsagen, den Opfern der Schoah zu gedenken und in Solidarität jüdisches Leben zu fördern und jeglicher Judenfeindschaft entgegenzutreten".
Die Jahrhunderte lang tradierten antijüdischen Stereotypen in der christlichen Theologie hätten bei den Christen zu einer Mentalität beigetragen, "die sich vor der notwendigen Solidarität mit den ausgegrenzten und nach und nach auch dem Tod preisgegebenen Opfern des nationalsozialistischen Regimes drückte". Das Bewusstsein der Glaubenssolidarität der Christen mit den Juden sei nicht oder viel zu wenig vorhanden gewesen. Und es habe viel zu wenig Gerechte gegeben.
Scheuer: "Politische Naivität, Angst, eine fehlgeleitete Theologie, die über Jahrhunderte hinweg die Verachtung des jüdischen Volkes gelehrt hatte, und mangelnde Liebe hatten viele Christen damals veranlasst, gegenüber dem Unrecht und der Gewalt zu schweigen, die jüdischen Menschen angetan wurden."
Dem hält der Bischof entgegen: "Christen bekennen mit dem jüdischen Volk den Gott Israels. Sie erkennen heute, dass mit der Zerstörung der Synagogen, dass mit der Shoah der Name des Ewigen geschändet wurde, ohne dass viele der christlichen Vorfahren im Glauben dies gespürt hätten. So tragen Christen ihre Ehrfurcht vor den Opfern, ihren Schmerz über das bis dahin unausdenkbare Leid, das dem jüdischen Volk angetan wurde, ihre Klage und ihre Hoffnung, dass nicht die Täter, sondern die Opfer und deren Würde das letzte Wort in der Geschichte haben, vor Gott den Richter menschlicher Geschichte vor."
ÖRKÖ-Gottesdienst in Wien
Der "Tag des Judentums" wird in ganz Österreich mit verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten begangen. Der zentrale Gottesdienst des ÖRKÖ zum "Tag des Judentums" findet am Mittwoch, 17. Jänner, um 18 Uhr, in der katholischen Kirche St. Josef-Weinhaus in Wien (1180,Gentzgasse 142) statt. Mit der Gemeinde feiern u.a. der armenisch-apostolische Bischof und ÖRKÖ-Vorsitzende Tiran Petrosyan, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, Walter Fürsatz von der Altkatholischen Kirche sowie der Präsident der Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle. Die Predigt hält die Evangelisch methodistische Pastorin Esther Handschin.
(Infos: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress