Wiener Pfarre arbeitete antisemitische Geschichte auf
Die Kirchen in Österreich begehen am 17. Jänner den 25. "Tag des Judentums". Dabei sollen sich die Christen in besonderer Weise ihrer Wurzeln im Judentum und ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden. Zugleich soll auch das Unrecht an jüdischen Menschen und ihrem Glauben in der Geschichte thematisiert werden. Der zentrale Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRKÖ) zum "Tag des Judentums" findet am Mittwoch um 18 Uhr in der katholischen Kirche St. Josef-Weinhaus in Wien (18., Gentzgasse 142) statt. Die Wahl der Kirche erfolgte bewusst, denn sie war Ende des 19. Jahrhunderts ein Ort antisemitischer Propaganda. Die Pfarre hat sich in den vergangenen rund 20 Jahren intensiv mit dieser Vergangenheit auseinandergesetzt.
Pfarrer Joseph Deckert (1843-1901), nach ihm war der Platz vor der Kirche benannt, hielt in ihr "antisemitische Conferencen" ab. Deckert war von 1874 bis 1901 Pfarrer von St. Josef-Weinhaus. So sagte er beispielsweise: "Bei gläubigen Christen steht fest, dass das Volk der Juden durch die Verwerfung ihres Messias von Gott verworfen wurde, und dass dieses gottesmörderische Geschlecht zur Strafe für die Frevel seiner Vorfahren heimat- und ruhelos auf Erden herumirren muss. Ihre Auserwählung ist überflüssig geworden." 1893 beantwortet Deckert die Frage, ob ein Priester Antisemit sein dürfte, "mit voller Überzeugung: Ja, er kann es, er soll es sein und, wenn er es noch nicht ist, soll und muss er es werden."
Die Pfarrgemeinde hat sich inzwischen unter Pfarrer Peter Zitta ausführlich mit ihrer antisemitischen Vergangenheit auseinandergesetzt. An der Kirchenmauer wurde eine Tafelkomposition angebracht, die darüber Auskunft gibt. Die Enthüllung der Tafelkomposition fand am 24. April 2014 statt.
Der Text der Haupttafel hat folgenden Inhalt: "Diese Kirche wurde unter Pfarrer Dr. Joseph Deckert (1843-1901) erbaut und im Jahr 1889 geweiht. Pfarrer Deckert war ein sehr engagierter Seelsorger, jedoch verbreitete er von hier aus als kirchliche Autorität in Predigten und Schriften Verleumdungen über Juden und das Judentum. So trug er mit anderen zu einer Verschärfung des Antisemitismus bei. Der verhängnisvolle Einfluss dieser Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus einerseits und die Leugnung des bleibenden Bundes Gottes mit dem Volk Israel andererseits machen uns betroffen. Deshalb lassen wir uns von der Umkehr der Kirche im 2. Vatikanischen Konzil leiten und möchten als Pfarrgemeinde zur Versöhnung zwischen Juden und Christen beitragen."
In einem weiteren Projekt der Pfarre geht es um die Erforschung der Deportationen aus dem Pfarrgebiet in der NS-Zeit. Dazu hat die Pfarre auf ihrer Website die Namen der bisher bekannten deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden festgehalten, um ihnen ein ehrendes Andenken zu bewahren.
Mit der Gemeinde von St. Josef-Weinhaus feiern am 17. Jänner u.a. der armenisch-apostolische Bischof und ÖRKÖ-Vorsitzende Tiran Petrosyan, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, Walter Fürsatz von der Altkatholischen Kirche sowie der Präsident der Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle. Die Predigt hält die evangelisch-methodistische Pastorin Esther Handschin.
Der Gottesdienst steht unter dem Motto "So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe." Das Motto ist dem biblischen Buch Ezechiel entnommen. Der Gottesdienst wird auch via Radio Maria übertragen.
(Infos zur Pfarre St. Josef-Weinhaus: https://pfarre-weinhaus.at/gemeinde/geschichtliches-und-informatives/deckert/; Website Ökumenischer Rat der Kirchen: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress