"Reiche" katholische Kirche braucht neues Ressourcenmanagement
Die katholische Kirche in Österreich gehört weltweit gesehen zu den vergleichsweise "Reichen", hat aber dennoch mit knapper werdenden Mitteln zu kämpfen und steht vor der Herausforderung, diese bestmöglich einzusetzen. Über "Kirche in der Spannung zwischen Ressourcenmanagement, Dienstleistung und biblischem Auftrag" referierten am Freitag bei der Pastoraltagung in Salzburg gemeinsam der Finanzkammerdirektor der Diözese Innsbruck, Rainer Kirchmair, und die Pastoraltheologin Veronika Prüller-Jagenteufel. Kirchmair wies darauf hin, dass der Kirche durch die Erhaltung denkmalgeschützter Gebäude hohe Lasten auferlegt ist und im Jahr 2022 trotz der seit der Jahrtausendwende gestiegenen Einnahmen aus Kirchenbeiträgen 18 Mio. Euro aus Rücklagen aufgewendet werden mussten.
Was also tun angesichts weniger werdender Kirchenmitglieder? Prüller-Jagenteufel prognostizierte, dass bisher von hauptamtlich Mitarbeitenden wahrgenommene Aufgaben zunehmend von freiwillig Engagierten wahrgenommen werden. Dies erfordere eine "bewusste Freiwilligenorganisation", die durchaus offensiv gestaltet werden sollte. Über die Verwendung der Mittel sollte laut der Theologin "synodal", also in Einbindung auch der von notwendigen Einschnitten Betroffenen entschieden werden. Wichtig sei zudem, dass die christliche Frohbotschaft eine klare Option für Arme und Benachteiligte beinhaltet und das kirchliche Vermögen grundsätzlich unter einem Rechtfertigungsdruck stehe. So sollen Gelder "sozialpflichtig" und nicht etwa zur "Selbstdarstellung", zum "Machterhalt" oder auch nur auf Basis bisheriger - und obsolet gewordener? - Gewohnheiten eingesetzt werden.
Prüller-Jagenteufel erinnerte an den "Katakombenpakt" von 1965, mit dem sich während des Zweiten Vatikanischen Konzils eine Gruppe von Bischöfen selbst zu einem einfachen Lebensstil und zum Dienst an den Armen verpflichtete. Dies könne auch heute als Richtschnur dienen.
Finanzkammerdirektor: Frage nach Effizienz
Finanzkammerdirektor Kirchmair stellte zur Diskussion, wo kirchliche Ressourcen womöglich heute nicht mehr effizient eingesetzt werden: Manche Strukturen seien zuletzt "unhinterfragt beibehalten" worden und müssten ob der veränderten religiösen Landschaft in Österreich neu zur Diskussion gestellt werden.
Die katholische Kirche in Österreich sei aber weiterhin ein relevanter Player - auch etwa im Gesundheits- und Bildungswesen, betonte Kirchmair. Die von ihr erbrachten Leistungen würden laut Joanneum Reseach eine jährliche Wertschöpfung von rund 6,65 Milliarden Euro ausmachen. Zugleich schlug er ein verbessertes "Impact Measurement" vor, das misst und bewertet, wie sich die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf Gesellschaft und Umwelt auswirkt - im Positiven wie im Negativen.
Viel mehr beworben werden sollten nach Kirchmairs Ansicht bestehende Richtlinien der Kirchenleitung für ethische Geldveranlagung. Wenn sich nur ein Bruchteil der weltweit 1,38 Milliarden Katholiken daran orientierte, könnte auch in einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Weltwirtschaft vieles positiv gelenkt werden.
Kirche übt Kapitalismuskritik
Auf die kapitalismuskritische Tradition der Katholischen Soziallehre machte die Linzer Theologin Katja Winkler unter dem von Papst Franziskus in "Evangelii gaudium" (2014) formulierten Wort "Diese Wirtschaft tötet" aufmerksam. Die inhaltlichen Leitlinien reichten dabei von einem auch Sorge-Arbeit umfassenden Wirtschaftsbegriff; Wertschätzung von Arbeit und Pochen auf gerechten Lohn; Solidarität als vom Gemeinwesen zu erbringende Rechtspflicht sowie das Gemeinwohl als sozialethisches Herzstück, das Vorrang vor Einzel- oder Gruppeninteressen haben müsse. Zu Letzterem sprach sich Winkler für eine Weiterentwicklung in Richtung Selbstbestimmung des Individuums aus, denn das Hochhalten des Gemeinwohls suggeriere: Wir wissen, was für dich/euch gut ist.
Das Pontifikat von Franziskus sieht die Theologin nicht auf individuelle Verhaltensänderung ausgerichtet, sondern auf systemische Veränderungen in Gesellschaft und Kirche. Der Papst aus Argentinien biete eine neue Sicht auf Exklusion: Menschen "an den Rändern" würden nicht nur hintangestellt, sondern faktisch "unsichtbar" gemacht. Kritisch merkte Winkler in Richtung Franziskus an, dessen Soziallehre umfasse wenig Vorschläge, wie Alternativen zu einer "tötenden" Wirtschaft aussehen könnten.
Anna Wall-Strasser
Kritik am gerade in Österreich steuerlich begünstigten "Überreichtum" übte auch die Vorsitzende der "Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegung", Anna Wall-Strasser. Hierzulande gebe es eine im internationalen Vergleich enorm hohe Vermögenskonzentration, was negative Folgen für Chancengleichheit, Demokratie und Umwelt hätte. Wirtschaftliche Privilegien etwa durch Erbschaften würden "über Generationen einzementiert", und Wohlhabende würden viel zu wenig zur engmaschigen Ausstattung des Sozialstaates beitragen.
"Wir alle sind Teil der Wirtschaft"
In einem den Donnerstag abschließenden Podiumsgespräch betonte der Leiter der Katholischen Sozialakademie, Markus Schlagnitweit: "Wir alle sind Teil der Wirtschaft, die tötet!" Von "der" Wirtschaft als Gegenüber zu sprechen, sei unkorrekt und polarisierend. Mit dem Hinweis auf den großen Sozialethiker Johannes Schasching SJ sagte Schlagnitweit, "Wirtschaft müsse sach-, menschen- und gesellschaftsgerecht" sein - und die Verantwortung dafür trügen alle.
Sr. Annelise Herzig, Koordinatorin von "Gold und Kirche" der Dreikönigsaktion, brachte die Perspektive des Globalen Südens ein. Dort litten die Menschen unter dem Raubbau von Bodenschätzen, betroffene Länder würden nicht umsonst von "Neokolonialismus" sprechen. Die aus Rom angereiste Generalökonomin der Salvatorianerinnen, Sr. Brigitte Thalhammer, berichtete von der Schwierigkeit, innerhalb ihrer Kongregation Auflagen für ethische Veranlagung, wie sie etwa die Österreichische Bischofskonferenz vorlegte, zu folgen. So würden die US-Salvatorianerinnen den Handelsboykott von Ländern, in denen es noch die Todesstrafe gibt, anders sehen als Ordensfrauen aus Österreich.
Der Präsident der Katholischen Aktion, Ferdinand Kaineder, warb für die von der Laienorganisation herausgegebenen Dossiers "Arbeit und soziale Fairness" und "Ökologische Umkehr und Mitweltgerechtigkeit". Er sehe es als Aufgabe der Kirche, dieses "und" zwischen vermeintlich schwer zu vereinbarenden Herausforderungen einzufordern. Auf die zuletzt diskutierten Manager-Boni und -Gehälter ging der Laienrat-Vizepräsident und frühere Unternehmer Friedrich Macher ein und wandte sich gegen den Pauschalverdacht, Wirtschaftsverantwortliche seien vor allem am Eigennutz interessiert. Der Laienrat habe einmal als maximale Kluft zwischen dem Geringst- und dem Bestverdienenden eines Unternehmens mit 1:20 angesetzt - wobei korrekterweise das Nettoeinkommen beider der Maßstab sein müsste.
270 Interessierte in St. Virgil
Die traditionell zu Jahresbeginn stattfindende Österreichische Pastoraltagung setzt sich heuer thematisch mit dem Verhältnis von Kirche und Wirtschaft auseinander. "Gutes Leben. Verantwortungsvolles Wirtschaften" lautet der Titel der noch bis Samstag dauernden im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil, mit der die Veranstalter - das Österreichische Pastoralinstitut (ÖPI) und die Österreichische Pastoralkommission - heuer rund 270 Interessierte aus dem ganzen deutschen Sprachraum anlockten, darunter die Bischöfe Josef Marketz (Gurk), Wilhelm Krautwaschl (Graz-Seckau), Hermann Glettler (Innsbruck), Hansjörg Hofer (Weihbischof in Salzburg) und der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz, Korbinian Birnbacher.
Am Freitag standen noch eine einer Podiumsdiskussion u.a. mit "Wirtschaftsbischof" Alois Schwarz (St. Pölten) und der Vorsitzenden der "Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegung Österreich", Anna Wall-Strasser, über die Kirche als Unternehmerin, Arbeitgeberin und Seelsorgerin sowie Beiträge zur Pastoral für Dienstnehmer und Unternehmer auf dem Programm.
Quelle: kathpress