Marketz: Im Dialog Kirche-Wirtschaft "Scheuklappen" ablegen
Der oft stockende Dialog zwischen katholischer Kirche und Wirtschaft erfordert von beiden Seiten, "ideologische Scheuklappen" abzulegen. Dann öffnet sich laut dem Kärntner Bischof Josef Marketz "ein weiter Blick", bei dem der Austausch sehr fruchtbar gestaltet werden könne. Er ortet hier Defizite: Zwischen Kirche und einer sich schnell verändernden Wirtschaft habe sich eher Sprachlosigkeit breit gemacht, als dass beide Seiten Wege der Annäherung suchten, so Marketz. "Es scheint, als glaube weder die Wirtschaft, dass sie wirklich sinnvolle Inputs vonseiten der Kirche erhalten kann, noch die Kirche, dass sie den Zugang zu Vertretern der Unternehmenswelt brauche", sagte der Bischof am Donnerstag in Salzburg.
Der in der Bischofskonferenz für pastorale Fragen zuständige Marketz eröffnete im Bildungszentrum St. Virgil die diesjährige Österreichische Pastoraltagung, die heuer dem Verhältnis von Kirche und Wirtschaft gewidmet ist. "Gutes Leben. Verantwortungsvolles Wirtschaften" lautet der Titel der traditionsreichen Tagung vom 11. bis 13. Jänner, die nach den Worten des Bischofs eine "Austauschplattform" und ein Ort für Dialog und Reflexion sein soll. Zur Sprache kämen Wirtschaft und Ethik, Unternehmensführung und Spiritualität, Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit, Solidarität mit den Schwachen und Seelsorge in den gegenwärtigen Arbeitswelten.
Nicht beabsichtigt hätten die Veranstalter - das Österreichische Pastoralinstitut (ÖPI) und die Österreichische Pastoralkommission (PKÖ) -, den "moralischen Zeigefinger" zu erheben, den Wirtschafter in und außerhalb der Kirche oft mit der Aussage von Papst Franziskus "Diese Wirtschaft tötet!" erinnere. Der Haupttitel der Pastoraltagung "Gutes Leben" stehe für eine Zielformulierung, in der sich Pastoral und Wirtschaft treffen, wie Marketz sagte. Nur eine tiefe theologische Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragen stelle seiner Überzeugung nach sicher, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht in eines von zwei Extreme verfallen: entweder übertrieben kritisch alle wirtschaftlichen Aktivitäten zu verurteilen oder aber "zu Lieferanten von Spiritualität für Unternehmer und Manager zu werden, die eine Absolution für ihr Handeln verlangen".
Wirtschaftsfaktor Kirche
Die Katholische Kirche könne trotz ihrer großen Bedeutung als einer der größten Arbeitgeber in Österreich auch als Lernende auftreten, so der Bischof weiter. Dass sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, zeige eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) und von Joanneum Research. Demnach würden jährlich rund 6,65 Milliarden Euro an direkter, indirekter und induzierter Wertschöpfung von den 158.000 Beschäftigten in der Kirche und deren Umfeld erwirtschaftet, wies Marketz hin. Das ehrenamtliche Engagement der Katholiken entspreche weiteren 14.000 Fulltime-Jobs. Die Allgemeinheit und der Steuerzahler profitierten somit deutlich von den kirchlich erbrachten Leistungen, wie der Bischof betonte.
Als Teilnehmende der Pastoraltagung begrüßte die gf. PKÖ-Vorsitzende Anni Findl-Ludescher am Donnerstag u.a. die Bischöfe Wilhelm Krautwaschl (Graz-Seckau), Hermann Glettler (Innsbruck), Hansjörg Hofer (Weihbischof in Salzburg) und Josef Marketz, Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka, den Vorsitzenden der Österreichischen Ordenskonferenz, Korbinian Birnbacher, das Führungstrio der Katholischen Aktion Österreich, Ferdinand Kaineder, Katharina Renner und Brigitte Knell, sowie rund 270 weitere Teilnehmende aus Österreich und aus den Nachbarländern.
Bonin: Wirtschaft braucht Regulative
Der erste Halbtag der Pastoraltagung war dem vorherrschenden Wirtschaftssystem und den Ansprüchen der Katholischen Soziallehre gewidmet. Der neue IHS-Direktor Holger Bonin betonte im eröffnenden Online-Gespräch mit dem an der Uni Wien wie auch in der Industriellenvereinigung tätigen Theologen Christian Friesl die Notwendigkeit, die Märkte in Richtung eines guten Lebens für möglichst alle zu regulieren. Eine profitorientierte, vermeintlich freie Marktwirtschaft führe leicht zu Wettbewerbsungleichheiten und Defiziten bei der Information. In Bezug auf ökosoziale Zielsetzungen könne es durchaus sein, dass sich von der Politik vorgegebene Gebote bzw. Verbote als effizienter erweisen als Regulative z.B. über den Preis wie im Fall einer Ökosteuer.
Gerade auf supranationaler Ebene würden Regulierungssysteme aber versagen, verwies Bonin auf neue Phänomene wie die Klimakrise und die Digitalisierung. Hier würde die nationalstaatliche Ebene nicht ausreichen. Unter die größten zukünftigen Herausforderungen für die Wirtschaft nannte der IHS-Direktor nicht die derzeit dominierende Teuerung und Inflation, sondern neben Digitalisierung und Dekarbonisierung auch die demografische Entwicklung und den damit verbundenen Generationenkonflikt sowie den aktuellen globalen Trend in Richtung Polarisierung und politische Instabilität. Als problematisch nannte es Bonin auch, dass auf den eigenen Vorteil bedachte Unternehmer wie René Benko oder Elon Musk für manche als Role Model dienen. Bonin sprach sich bei Pleiten für Vorkehrungen aus, durch die in erster Linie die Beschäftigten und nicht die Unternehmen aufgefangen werden.
Auf die Frage nach der Rolle der Kirche beim Bemühen um eine gerechte Wirtschaft äußerte Bonin Kritik daran, dass die Kirche - etwa in den USA - manchmal sozialstaatliche Auffangnetze spannt und dadurch eigentlich dem Staat zukommende Aufgaben übernimmt. Armutsbekämpfung dürfe aber keine Frage von freiwilligem Engagement oder Charity sein. Die Kirche sieht der IHS-Direktor gefordert, Werte in die Wirtschaft einzubringen, die auch auf das Konsumverhalten Einfluss haben könnten.
Lüge der "ökonomischen Sachzwänge"
Auf Auswüchse von Konsum und lebensbedrohlichem Ressourcenverbrauch machte der Grazer Wirtschaftsethiker Prof. Bernhard Ungericht in seinem Vortrag aufmerksam: So würden aktuell 60 Prozent der weltweit produzierten Kleidung ungetragen entsorgt. Er wandte sich eingangs mit der Frage ans Publikum, ob es glaube, dass es den eigenen Kindern und Enkel einmal besser gehen wird als der heutigen Generation - und wie fast überall hatten rund 90 Prozent diesbezüglich Zweifel.
"Schöpfungsverantwortung macht eine andere Wirtschaft notwendig", betonte der Experte. Und ein grundlegender Systemwandel in Richtung Nachhaltigkeit sei schwierig, aber bei entsprechend positiven Zukunftsvisionen machbar. Ungericht wandte sich scharf gegen die von Veränderungsunwilligen suggerierten "ökonomischen Sachzwänge". Wirtschaft folge keine Naturgesetzlichkeit, sondern müsse zum Wohl der zukünftigen - und auch schon der jetzigen - Generation gelenkt werden. Als Leitfrage sollte dabei dienen: "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?"
Quelle: kathpress