Gedenkkirche in Berlin zeigt aufgetauchte Hrdlicka-Zeichnungen
Zwei lange verschollen geglaubte Werke des Wiener Malers und Bildhauers Alfred Hrdlicka (1928-2009) sind ab 3. Februar erstmals öffentlich in der evangelischen Gedenkkirche Berlin-Plötzensee in Deutschland zu sehen. Es handele sich um Entwurfsskizzen für den "Plötzenseer Totentanz", den Hrdlicka 1969 bis 1972 für den Kirchraum des Gemeindezentrums Plötzensee in der Nähe der ehemaligen NS-Hinrichtungsstätte schuf, wie das Ökumenisches Gedenkzentrum Plötzensee mitteilte. Der Totentanz gilt als eines der wichtigsten Werke zeitgenössischer kirchlicher Kunst in Berlin.
Die wiederentdeckten Entwurfsskizzen stammten aus dem Nachlass von Pfarrer Christof Karzig (1934-2022). Sie seien der Kirchengemeinde Charlottenburg-Nord von seiner Witwe überlassen worden.
Der "Plötzenseer Totentanz" umfasst 16 großformatige Zeichnungen mit Bleistift, Kohle, Tusche, Deckweiß und Rötel auf großformatigen Tischlerholzplatten. Szenen mit biblischen und gegenwartsbezogenen Themen sollen auf die heutige Bedrohung der Menschen und Völker durch Gewalt, Macht und Willkür hinweisen. Auf allen Tafeln ist ein Balken mit Fleischerhaken zu sehen als Hinweis auf den ehemaligen Hinrichtungsschuppen im nahe gelegenen Gefängnis, wo zwischen 1933 und 1945 fast 3.000 Menschen ermordet wurden.
Totentanz-Ausschnitt war Titelbild der Schulbibel
Vielen ist in Österreich der "Plötzenseer Totentanz" auch deswegen bekannt, weil er das Titelbild einer katholischen Schulbibel war, die seit 1975 in Verwendung war. Diese vollständige und kommentierte Ausgabe des Neuen Testaments in der Einheitsübersetzung war damals die erste Schulbibel, die kostenlos im Religionsunterricht zum Einsatz kam und daher weite Verbreitung fand. Sie war für die Oberstufe bestimmt und wurde dann ab 1986 von einer neuen Schulbibel abgelöst, die auch das Alte Testament enthielt.
Das Titelbild der Schulbibel aus dem Jahr 1975 ist dem Motiv "Emmaus-Abendmahl-Ostern" von Hrdlickas Totentanz entnommen. Es zeigt den Hinrichtungsraum als Gefängnis, das durch die Gestalt der Fenster kirchenähnlichen Charakter bekommt. Jesus ist mitten unter den Gefangenen. Von ihm geht ein Licht aus, das sich an dem Gefangenen widerspiegelt, der gerade abgeführt wird. Jesus wird beim Brotbrechen gezeigt, was an die biblische Begegnung des Auferstandenen mit den Emmausjüngern erinnert.
Als Erklärung, weshalb dieses Bildmotiv von Hrdlicka zum Titelbild der damaligen Schulbibel wurde, ist auf deren Einband zu lesen: "Das ist die Botschaft des Neuen Testaments: in jeder Situation unseres Lebens, auch im Zustand der größten Verlassenheit ist Jesus bei den Menschen, die an ihn glauben. Er ist ihnen Trost, Kraft und letzter Sinn im Leben."
Quelle: kathpress