Theologin: Apokalyptische Klimaangst braucht Alternativen
Weder "Öko-Ängste" noch die "Lust-Angst" an apokalyptischen Szenarien sind hilfreich, wenn es darum geht, die Klimakatastrophe abzuwenden: Darauf hat die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak am Dienstagabend im Rahmen der Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien hingewiesen. Neben der berechtigten Angst vor der Klimaveränderung brauche es Hoffnung, um nicht in Eskapismus oder Verschwörungstheorien zu landen, so die Theologin. Zeitgenössische apokalyptische Vorstellungen schwankten aktuell jedoch zwischen Vorstellungen von "A wie Atombombe bis Z wie Zombies". Anders die christlich-apokalyptische Vorstellung, die trotz Katastrophenvorstellungen in der Zukunft etwas Gutes erwarte.
Das moderne Verhältnis zur Zukunft sei aktuell nicht von Utopie oder Hoffnung geprägt, sondern von der Katastrophe. Konkret zeige sich das am aktuellen Klimaaktivismus, an Verschwörungstheorien oder einem österreichisch ausgeprägten "passiven Schicksalsglauben". Als Alternative nannte Polak die biblische Tradition der Apokalyptik, die trotz möglicher Weltzerstörung zum gesellschaftlichen Wandel und zur Hoffnung aufrufe.
"Die biblische Tradition bezeugt, dass Gott die Welt befreien und retten möchte", so Polak über die Welt der Bibel, die Widerstands- und Hoffnungspraxis vereine. Die biblische Apokalyptik biete demnach eine alternative Deutungsmöglichkeit zur aktuellen Katastrophenstimmung, betonte die Theologin. Dies sei keine naive Hoffnung, sondern ein Ringen mit der als hoffnungslos erlebten Geschichte, die auch den Glauben erschüttere. "Biblische Texte sind keine Moralanweisungen, sondern Zeugnisse, wie das Volk Gottes glauben und hoffen gelernt hat".
Die Texte hätten die katastrophischen Zustände nicht verschleiert, sondern menschliche Ohnmachtsgefühle zugelassen. Diese differenzierte Sicht sei auch in Zeiten der Klimakrise dringend notwendig. Dabei sei es unwichtig, ob Menschen gläubig seien oder nicht, da es letztlich um die Vorstellung einer alternativen besseren Welt gehe.
Eine Absage erteile Polak damit auch Vorstellungen von gewaltvollen Systemrevolutionen. Denn die biblischen Apokalyptik rege trotz der Empörung über die Zustände der Welt zu Hoffnung, Aushalten und zur Transformation der Ängste an. "Die Katastrophe wird nicht ausgeblendet, aber das Tun und die Hoffnung für eine bessere Welt stehen im Vordergrund", so Polak.
Klima-Angst bei Jüngeren
Die apokalyptische Klima-Angst bei jüngeren Menschen, die zu neuen Protest- und Aktivismus-Formen führe, erklärte Polak damit, dass "die Klimaveränderung uns mit etwas konfrontiert, was zu groß ist für uns". Die Welt werde als fragil und gefährdet wahrgenommen. Die sogenannte "Öko-Angst" sei folglich eine psychische Reaktion auf die unsichere globale Zukunft. Die scheinbar katastrophische Zukunft dränge zum Handeln, wie es sich aktuell im Aktivismus der Gruppen wie "Die letzte Generation" oder "Extinction Rebellion" zeige.
So unverzichtbar Technik und Wissenschaft wären, so sehr brauche es aber auch eine Transformation "unserer mentalen Infrastruktur und einen Sinn für eine bessere Zukunft, um die Klimakrise zu bestehen", konstatierte die Pastoraltheologin und Religionssoziologie.
Polak wertete die Angst nicht als etwas per se Negatives, sondern als Möglichkeit, mit dem Unmöglichen - wie den Weltuntergang - oder den realen Auswirkungen der Klimaveränderung umzugehen. Das multimediale Forschungsprojekt "Was glaubt Österreich?" habe gezeigt, dass in Österreich ein "ausgeprägter passiver Schicksalsglaube" vorherrsche. Darunter würden Aussagen wie "Es ist alles vorbestimmt" oder "Man kann nichts tun" passen. Dem gegenüber stünden Eliten, bei denen technische Antworten auf die Krise dominieren würden sowie Verschwörungstheorien vonseiten gesellschaftlicher Gruppe, die sich von Politik und Medien nicht mehr repräsentiert fühlen.
Wiener Ringvorlesung
Die Wiener Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" findet jeweils an Dienstagen ab 18.30 Uhr statt. Die Themenpalette der Vorträgt reicht von der Schöpfungstheologie und einer neuen Sicht auf den Menschen innerhalb dieser Schöpfung ("Ende des Anthropozäns") über tierethische Fragestellungen bis hin zur Analyse des Phänomens "Apokalyptik", mit dem Szenarien der Klimakrise oft beschrieben werden. Im Rahmen des letzten Termins am 23. Jänner findet eine Podiumsdiskussion mit Umweltverantwortlichen und Klimaaktivistinnen und -aktivisten zum Thema "Klimagerechtigkeit und Religion. Was ist zu tun?" statt.
Die Vorträge von Fachleuten unterschiedlicher theologischer und religionsbezogener Fächer aus dem In- und Ausland werden per Livestream auch im Internet zugänglich gemacht. Konzipiert haben die Reihe der Medien- und Sozialethiker Alexander Filipovic und der Pastoraltheologe Johann Pock, die beide an der Katholisch-Theologischen Fakultät lehren. (Infos: https://ktf.univie.ac.at/ringvorlesungklimagerechtigkeitundreligion)
Quelle: kathpress