Schönborn bei Glaubensfestival "Mehr": Glaube darf keine Flucht sein
Kardinal Christoph Schönborn ist am Freitagnachmittag als prominenter Hauptredner im Rahmen des ökumenischen Glaubensfestivals "Mehr" in der Augsburger Messe aufgetreten. Der Wiener Erzbischof rief die Anwesenden dazu auf, die eigene Berufung und den eigenen Glauben immer wieder kritisch zu hinterfragen, da beides "eine Flucht vor der Komplexität des Lebens" darstellen könnte. Schönborn sprach unter dem Motto des Glaubensfestival "God is here" ("Gott ist hier") über Themen, wie Zweifel, Freundschaft sowie seine Liebe zur Kirche und Dogmatik. Das Festival hat am Donnerstagabend nach einer längeren Corona-Pause begonnen und geht bis Sonntag; es werden knapp 11.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Hinter dem Festival steht das Augsburger Gebetshaus.
"Das Faszinierende an der Kirche ist, dass sie eine komplexe Wirklichkeit darstellt, die aus spirituellen und weltlichen Elementen besteht", so Schönborn, der u. a. als "Rockstar des Glaubens" vorgestellt wurde. Neben Schönborn werden als prominente Gäste auch Augsburgs Bischof Bertram Meier und Kira Geiss, Miss Germany 2023 sowie Kulturschaffende erwartet. Neben religiösen Vortragen gibt es Musik, Speed-Dating und eine Messe mit rund 160 Ausstellern.
Schönborn betonte, dass Gottes-Erfahrungen im Laufe des Lebens immer wieder neu gedeutet werden müssten und damit nie statisch seien. Sie stellten einen "Mix" aus Biologie, Psychologie und Biografie dar. Tiefe Gottes-Erfahrungen und Situationen der Unsicherheit und des Zweifels würden sich folglich nicht ausschließen, so der Kardinal, der mit 18 Jahren in den Dominikanerorden eintrat.
Das Leben stelle zudem immer wieder Prüfungen, ob die Berufung echt sei oder eine Flucht: "Es ist daher auch Aufgabe der Orden darauf zu achten, aus welchen Beweggründen Menschen eintreten", so Schönborn, der sich auch zu den aktuellen Debatten über geistigen Missbrauch in Kirchen und Religionen äußerte. Er erinnerte daran, dass Kirche und Orden auch Orte der Geborgenheit sein können und verwies auf persönliche Erfahrungen: So hätten Religion und Kirche in seiner Kindheit zwar keine prägende Rolle gespielt, er habe in seiner Jugend Kirche trotzdem als Zuhause erlebt und dort Gemeinschaft gefunden.
Zu beachten sei, dass speziell Klöster viel Sicherheit bieten würden: "Ich bin mit 18 ins Kloster gegangen, musste mich nie um einen Job kümmern, hatte immer einen gedeckten Tisch und Dach über dem Kopf und eine sehr gesicherte Existenz." Ähnliches gelte für viele im Klerus. Dies müsse man als Priester oder Ordensmann bedenken, bevor man Urteile über die Jugend oder die Welt treffe, so der Kardinal.
Schönborn appellierte an die Anwesenden, "auskunftsfähig über den eigenen Glauben" zu bleiben: Das Gespräch mit anderen Religionen und Konfessionen sei nur dann möglich, wenn man selbst im eigenen Glauben verwurzelt sei, meinte Schönborn, der zwischen 1987 und 1992 als Sekretär der Kommission für die Abfassung des Katechismus der Katholischen Kirche tätig war.
"Mehr" und "Zimzum"
Als neues Projekt hat das Gebetshaus vom 3. bis 6. Jänner 2025 in der Augsburger Messe ein christliches Jugendfestival unter dem Titel "Zimzum" geplant. Dieses finde in Kooperation mit der ökumenischen Missionsbewegung "Campus für Christus" statt. "Zimzum" war bereits für 2021 geplant gewesen, musste aber pandemiebedingt abgesagt werden. Zudem will das Gebetshaus ab 1. Februar einen kontinuierlichen Livestream aus seinem Gebetsraum anbieten, "um Hoffnung zu verbreiten". In dem Gebetsraum wird von sich abwechselnden Gläubigen seit zwölf Jahren ununterbrochen gebetet.
Das bisher letzte "Mehr"-Festival gab es 2020 mit rund 12.000 Teilnehmenden. Das Format fand erstmals 2008 statt, damals mit etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Bis 2018 gab es jährlich eine "Mehr"-Ausgabe. 2019 pausierte die Konferenz, um, so Hartl, die "Glaubens- und Gemeinschaftserlebnisse verarbeiten" zu können. In der Folge war ein Zwei-Jahres-Rhythmus angedacht, dann aber kam Corona. Das nächste "Mehr"-Festival soll nun 2026 stattfinden.
Im Jänner 2023 veranstaltete das Gebetshaus "Weniger", eine wegen der Pandemie im Vergleich zu "Mehr" stark verkleinerte Glaubenskonferenz mit rund 4.000 Besucherinnen und Besuchern. Im Juni 2023 lud Hartl zudem zum "Eden-Fest" in den Augsburger Kongress am Park. Die interdisziplinäre "Konferenz für eine menschliche Zukunft" zählte rund 900 Teilnehmende.
Das Gebetshaus Augsburg versteht sich als "ökumenische Initiative, die es sich zum Ziel macht, den christlichen Glauben auf zeitgemäße Weise erfahrbar zu machen".
Quelle: kathpress