Bischöfe zu Silvester: Gesellschaftliche Polarisierungen überwinden
Wie lässt sich angesichts der Vielfachkrisen und der gesellschaftlichen Polarisierungen ein gedeihliches Zusammenleben fördern? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Predigten der österreichischen Bischöfe zum Jahresende. Die Antworten darauf fielen unterschiedlich aus - wenngleich Einigkeit darin bestand, dass Kirche weiterhin ein wichtiger "Player" sei, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bewahrung der Humanität auch in Krisenzeiten gehe. "Kriege, Polarisierungen brauchen unser aller gemeinsame Anstrengung", sagte etwa der Salzburger Erzbischof Franz Lackner im Salzburger Dom. In einer vernetzten Welt brauche es das Zusammenwirken aller - nicht zuletzt für den Frieden als "wahrhaft universales Gut", so Lackner.
Ein Instrument, um sich gesellschaftlich einzubringen, sei etwa jene Methode, die er selbst als besonders inspirierend bei der Bischofssynode in Rom erlebt hatte, so Lackner weiter. Es sei dies ein Wechselspiel von Gebet, Stille, Reden und Zuhören gewesen. Dies wäre "auch im gesellschaftlichen Leben von großem Nutzen", zeigte sich Lackner überzeugt, weil es ein tiefes Zuhören und Akzeptieren des Anderen beinhalte.
Zudem rief der Erzbischof dazu auf, die Chance zur gesellschaftlichen Mitgestaltung im kommenden Wahljahr zu nutzen: "Wir sehen der Europawahl entgegen, der Nationalratswahl, in Salzburg auch den Gemeinderatswahlen. Hier ist es unsere besondere Pflicht, uns im Sinne des bonum commune, des Gemeinwohls einzubringen und unser Stimmrecht zu nutzen." Gerade angesichts der sich verstärkenden Polarisierungen sei "jede einzelne Stimme wertvoll", appellierte der Erzbischof.
"Sternstunden" des Glücks erinnern
Auf die Verwobenheit der vielen Krisenherde der Gegenwart verwies auch der Linzer Bischof Manfred Scheuer in seiner Predigt am Silvesterabend. Doch eine Fixierung auf die Krisen und Katastrophen - von Klimakrise bis zu Kriegen, von Energiekrise bis zum Pflegenotstand - wäre kontraproduktiv: "Dann hätten wir keine Energie mehr für eine Veränderung. Dann würde uns die Kraft fehlen zum Handeln. Und die bloße Empörung schafft noch kein Vertrauen, ein eingeengter Blickwinkel führt zu einem Tunnelblick."
Dagegen würde ein positiver Blick auch auf "Sternstunden" des vergangenen Jahres etwa im eigenen Leben helfen, zeigte sich Scheuer überzeugt. "Es gibt Sternstunden des Lebens, die wir nie vergessen. Da sind Taborstunden, Erfahrungen des Glücks, der Lebensfreude, der intensiven Beziehung, die zu uns gehören. Solche Erinnerungen sind Anker der Hoffnung; sie geben Zuversicht auch in dunklen Stunden und lassen nicht verzweifeln."
"Konstruktive Geschichten" erzählen
Auf die Notwendigkeit "konstruktiver Geschichten", also positiver Erzählungen und Erinnerungen, verwies auch der Klagenfurter Bischof Josef Marketz in einem Gottesdienst zum Jahreswechsel. Gewiss würden viele Menschen auf die Frage, was für sie das Wichtigste im vergangenen Jahr war, mit den Erinnerungen an Krieg, Terror, Ängste vor Klimawandel etc. antworten. Auch bei der Frage nach den wichtigsten Ereignissen in der Kirche würden wohl viele Menschen vor allem die offenen Baustellen bzw. offenen Antworten auf drängende Reformfragen benennen.
Um in dieser Situation nicht zu verzweifeln, böte die bei der Bischofssynode in Rom erprobte Methode eine Antwort, so Marketz: "Es war nicht das Was, sondern das Wie der Beratungen. Und da treffen wir uns als Kirche mit der Politik und dem Journalismus. Es geht um die Art unseres Erzählens, um das Narrativ, wie wir heute sagen." Es brauche Geschichten, die nicht abwerten, die aufbauen und Hoffnung schenken: "Wir brauchen konstruktive Geschichten, die die sozialen Bande und das kulturelle Gewebe zusammenhalten. Die das Leben fördern und uns Kraft und Mut verleihen. Unser Blick soll sich auf das Gute in einer Situation fokussieren, dieses bestärken und dann, auch das gehört natürlich zur Echtheit, Wahrhaftigkeit, manches benennen, in dem Gutes fehlt."
Auf das Miteinander achten
Zu einem stärkeren Miteinander hat schließlich auch der Vorarlberger Bischof Benno Elbs zum Jahresschluss aufgerufen. Die zunehmende "Ellbogenmentalität", aber auch der raue Ton in Gesprächen, Medien und sozialen Netzwerken belasteten das Zusammenleben, warnte Elbs bei einem Gottesdienst am Sonntagabend im Feldkircher Nikolausdom. "Wo auf Spaltung und Abwertung anderer Menschen gesetzt wird, braucht es Gegenbewegungen", sagte der Bischof und appellierte, aufeinander zuzugehen statt aufeinander los. "Begegnen wir einander mit Respekt und Verständnis. Übernehmen wir Verantwortung füreinander. Setzen wir uns ein für Nächstenliebe und Zusammenhalt. Und beginnen wir damit nicht erst morgen, sondern schon heute."
In besonderem Maß sah der Feldkircher Bischof einen solchen Dienst an der Einheit der Kirche aufgetragen. Diese sei eine große Gemeinschaft von vielen unterschiedlichen Menschen und Ansichten, so Elbs: "Man wird nicht immer einer Meinung sein. Umso wichtiger ist es aber, das Bewusstsein wachzuhalten, dass wir zusammengehören und dass uns eines eint: der Glaube an einen Gott, der für uns alle Mensch geworden ist." "Katholisch-sein heißt: Es geht nicht ohne die anderen", fügte Elbs hinzu. "Es braucht alle: die Alten und die Jungen, die Konservativen und die Progressiven, die Akademiker und die Arbeiter, die Frommen und die Zweifler. Sie - wir - alle sind Teil der Kirche."
Gesellschaft braucht "soziale Klebstoffe"
Vertrauen, Empathie, Rücksicht, Dankbarkeit, Respekt und auf das Bewusstsein, dass alles mit allem verbunden ist. - Diese Haltungen sind für Bischof Hermann Glettler unerlässlich für die Gesellschaft. "Kraftkleber dieser Art machen unser Zusammenleben crashfest, verbinden, reparieren, halten zusammen, kitten, stabilisieren, lassen neue Formen entstehen", sagte der Bischof bei der Jahresschlussandacht im Innsbrucker Dom.
Ausdrücklich ging Glettler auf den "aktuellen Klimanotstand" ein und sagte: "Längst bräuchte es eine Bekehrung unserer Lebensstile und den politischen Mut zu Veränderungen, wenn wir die Erde nicht in eine finale Erschöpfung treiben wollen." Nachhaltig beeindruckt habe ihn ein Gespräch mit zwei Vertreterinnen der Letzten Generation. "Ihre Klarheit und Entschlossenheit, sich persönliche in die Waagschale zu werfen, gibt zu denken. Man muss sie nicht mögen, aber sie zu kriminalisieren ist der gefährliche Versuch, ihre prophetische Stimmen abzuwürgen - ohne das Problem anzugehen."
Im Blick auf das "Superwahljahr" 2024 - "nicht nur in Österreich" - plädierte der Innsbrucker Bischof für einen "Schulterschluss der Nach- und Vorausdenkenden, die um den Wert ehrlicher Dialoge wissen". Für eine gute Politik, die niemanden als Verlierer zurücklasse, sei ebenso eine große Portion Heiliger Geist vonnöten. "Ich bezeichne ihn als Gottes Herzensenergie, die Menschen zusammenführt, ohne dabei unterschiedliche Überzeugungen zu nivellieren."
Quelle: kathpress