Theologe: Antisemitismus ist auch Folge des kirchlichen Niedergangs
Der infolge des terroristischen Angriffs der Hamas am 7. Oktober auf Israel in Europa wieder aufflammende Antisemitismus und der Niedergang der christlichen Kirchen hängen miteinander zusammen: Diese These vertritt der Salzburger Theologe Prof. Gregor Maria Hoff in einem Gastbeitrag in der Wochenzeitung "Die Furche" (21. Dezember). Ein ungebremster Antisemitismus, der selbst vor Gewalt nicht zurückschrecke, werde sich in dem Maße weiter dramatisieren, "in dem sich nachwachsende Generationen nicht mehr auf jene Erfahrung beziehen können, die aus der Bibel mehr als das Rätselbuch einer abgestorbenen Vergangenheit macht", so Hoff. Insofern stelle die "genozidale Terrorattacke" der Hamas eine "zeitgeschichtliche Zäsur" dar.
Religiöse Entwurzelung, wie sie die jüngste "Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung" (KMU) in Deutschland aufgezeigt und als ungebremst anhaltend vorausgesagt hat, löse das letzte Wissen von einer Hoffnung auf, die nicht bloß auf das je Eigene zielt, "sondern auch die einschließt, für die man erinnernd-betend hofft: die Toten, die Opfer der Geschichte", so Hoff.
Biblische Hoffnung stelle dagegen einen "Frieden der Gerechtigkeit für alle Menschen in den Raum". Wo diese Hoffnung und das Wissen darum schwinde, löse sich auch das Verständnis um die besondere Bedeutung des Volkes Israel auf. "Das hat Folgen nicht zuletzt für jene Erinnerungskultur, die an der Schoa haftet und zur Gründung und völkerrechtlichen Anerkennung des Staates Israel führte".
Dies treffe sogar die Kirche und ihre Vertreter selbst, schrieb Hoff: "Wenn etwa der Antwerpener Bischof Johan Bonny, ein kluger Theologe, am Jahrestag der Novemberpogrome den Terror der Hamas als 'ideales Alibi' für den Einmarsch israelischer Truppen in Gaza bezeichnet und vor diesem Hintergrund das Selbstverteidigungsrecht Israels in einem Atemzug mit dem der Palästinenser erwähnt. (...) Ein katholischer Bischof muss wissen, welche historischen Zusammenhänge er als Theologe aufruft, wenn er sich an Pius XII. und sein Schweigen angesichts der Schoa erinnert fühlt, um damit seine Stellungnahme zu begründen."
Mit der "Auflösung der zivilisatorischen Prägekraft der christlichen Kirchen" stehe daher letztlich auch die "Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft" auf dem Spiel, so Hoff abschließend.
Quelle: Kathpress