Kinderwunsch in Österreich dramatisch rückläufig
Von einem dramatischen Rückgang des Kinderwunsches in Österreich berichtet das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF): Zwischen 2009 und 2023 sank der Kinderwunsch von 2,1 auf 1,68 pro Frau im gebärfähigen Alter. Zudem hat sich die Zahl jener Frauen, die sich überhaupt kein Kind mehr wünschen, mehr als verdreifacht. Das geht aus der am Dienstag veröffentlichten "Generations and Gender Survey" hervor, die das ÖIF gemeinsam mit anderen Instituten der Universität Wien, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Salzburg durchgeführt hat. Die Teuerung wird von den Studienautoren als ein entscheidender Faktor dieser Entwicklung genannt.
Befragt wurden für die im vergangenen Winter durchgeführte Untersuchung mehr als 8.000 Personen zwischen 18 und 59 Jahren. Im Vergleich zu derselben 2009 durchgeführten Untersuchung sank bei den befragten Frauen zwischen 18 und 45 Jahren der Kinderwunsch deutlich. Weniger als früher wünschen sich heute genau ein Kind, noch deutlicher sank jedoch die Anzahl der Frauen mit höherem Kinderwunsch (minus 35 Prozent). Hingegen nahm vor allem jene Gruppe zu, die gar keine Kinder möchte - in absoluten Zahlen von hochgerechnet vormals 100.000 auf nunmehr 360.000. Bei den in den 1990er-Jahren Geborenen wird sich das drastisch auswirken: Die Forscher schätzen, dass 23 bis 24 Prozent von ihnen kinderlos bleiben werden.
Berücksichtigen müsse man, dass Gesamtzahl der aufgrund ihres Alters potenziellen Mütter in Österreich seit 2009 um rund 8 Prozent gesunken ist, "von 1,63 Millionen auf gut 1,50 Millionen", gab Studienleiter Norbert Neuwirth vom ÖIF im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress zu bedenken. Sei schon durch diese Entwicklung ein Geburtenrückgang zu erwarten, so verstärke sich der Trend durch die Veränderung beim Kinderwunsch noch zusätzlich. 2009 sei der Gesamtkinderwunsch - der dann freilich nur zu einem bestimmten Teil realisiert wird - mit 2,1 Kindern pro Frau noch auf Erhaltungsniveau gelegen. Heute liege er weit darunter.
Generation unter 30 am meisten betroffen
Zu den vielfältigen und bereits bekannten Ursachen für diese Entwicklung - wie längere Ausbildungszeiten, Partnerfindung und mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf - hat sich laut den Wissenschaftlern in den jüngsten Jahren mit der Teuerung und ihren Folgen noch eine weitere hinzugesellt. Knapp ein Drittel der Befragten gab an, sie hätten wegen der Krisen den eigenen Kinderwunsch entweder geändert (11 Prozent) - und zwar stets in Richtung weniger bzw. keine Kinder mehr - oder seien sich diesbezüglich unsicher (19 Prozent). Frauen und Menschen unter 30 sind am meisten davon betroffen. Die Belastung durch Preisentwicklungen sei auffallend hoch und stehe klar im Zusammenhang mit Änderungen im Kinderwunsch, sagte Neuwirth. Die Covid-Pandemie habe zum Zeitpunkt der Erhebung hingegen keine nennenswerte Rolle für den Kinderwunsch mehr gespielt.
Auch die weiterhin nicht funktionierende Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit bezeichneten die Wissenschaftler als problematisch: Bei drei Viertel der Befragten wirke sich die Erwerbsarbeit "häufig oder manchmal negativ" auf Familienbelange aus. Dass dabei Alleinerziehende vor größeren Problemen stehen als Paare mit Kindern, dürfte auch auf die unausgewogene innerfamiliäre Arbeitsteilung bei weitgehend gegenläufigem Erwerbsausmaß bei Paaren mit Kindern zurückzuführen sein.
ÖIF-Leiter Wolfgang Mazal bezeichnete die Entwicklungen beim Kinderwunsch als durchaus nachvollziehbar: "Wenn man die Herausforderungen der Eltern bedenkt, versteht man, warum sie offenbar dreimal überlegen, Kinder in die Welt zu setzen." Zu den interessanten weiteren Details der Studie gehöre, dass Mütter überwiegend angaben, Arbeit im Homeoffice reduziere Stress, während bei Vätern Gegenteiliges sichtbar wurde. Frauen bzw. Mütter machen zudem heute die Entscheidung über ihr Erwerbsausmaß weitgehend nicht mehr vom Partner abhängig. Die Ergebnisse sollten laut Mazal ein Nachdenken über gesellschaftliche Verhältnisse anstoßen, konkret zur Frage: "Sind Lebensstil und gesellschaftliche Organisation nachhaltig und zukunftsoffen?", so der Familienforscher.
Praktizierende Katholiken haben mehr Kinder
Veröffentlicht wurde die Studie in der Broschüre "Familien in Österreich. Partnerschaft, Kinderwunsch und ökonomische Situation in herausfordernden Zeiten". Sie entstand im Rahmen des Generations and Gender Programme (GGP), das vom Bundeskanzleramt (BKA), Sektion Familie und Jugend, sowie dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) gefördert wird.
Weitere in der Broschüre veröffentlichte Erhebungen stellen einen Bezug der Religionszugehörigkeit zur idealen Kinderzahl her. Personen katholischen Bekenntnisses, die häufig den Gottesdienst besuchten, gaben im Durchschnitt 2,4 Kinder als ideal an. Bei weniger aktiven Katholikinnen und Katholiken sowie Personen ohne Bekenntnis lag dieser Wert bei 2,0.
Als die Forscher um Gwen Gölt und Caroline Berghammer von der Universität Wien überprüften, wie sich die für sich selbst gewünschte Kinderzahl im Alter von 20 bis 29 zur späteren tatsächlichen Kinderzahl im Alter von 40 bis 44 Jahren verhielt, so bestätigte sich dies: Junge Personen ohne Bekenntnis wünschten sich im Durchschnitt 1,5 Kinder und bekamen dann 1,2 Kinder. Praktizierende Katholikinnen und Katholiken wünschten 2,2 und bekamen 2,1 Kinder, also fast ein Kind mehr. Dazwischen lagen jene, die ihren Glauben nicht praktizierten.