Expertin: Heilung nach Abtreibung braucht Selbstvergebung
Abtreibungen hinterlassen bei vielen Beteiligten Wunden, die teils erst viel später aufbrechen und einer "Heilung" bedürfen: Darauf hat die Österreich-Leiterin von "Rachels Weinberg", Claudia Schneidenbach, am Donnerstag im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress hingewiesen. Die aus den USA stammende, in 80 Ländern tätige christliche Organisation lädt mehrmals pro Jahr zu Einkehr-Wochenenden zur Heilung tiefer Wunden und Aufarbeitung oft traumatischer Erfahrungen eines Schwangerschaftsabbruchs. Vor allem gehe es dabei darum, eine positive Beziehung zum abgetriebenen Kind aufzubauen und sich selbst zu vergeben, so die diplomierte Lebens- und Sozialberaterin.
Den Bedarf nach "innerer Heilung" nach Abtreibung hatten zuletzt auch Österreichs Bischöfe in einer Erklärung zum 50. Jahrestag der Fristenregelung angesprochen. Zwei Drittel der Frauen, die eine Abtreibung vornehmen ließen, würden diese Entscheidung als Verletzung der eigenen Überzeugungen erleben und hätten sich bei entsprechender Unterstützung für statt gegen ihr Kind entschieden. Ihr stilles Leid nach dem gewaltsamen Verlust ihres Kindes werde jedoch häufig tabuisiert und zumal lange verdrängt, so die Bischöfe. Laut Schneidenbach sind nicht nur Frauen betroffen: Auch Männer, Großeltern und sogenannte "Abtreibungsüberlebende", zu denen auch Geschwisterkinder zählen, müssten mit Folgen leben. Und nicht nur diese: "Es gibt bei dem Thema keine unbeteiligten Dritten", so die Expertin.
Gesellschaftlich totgeschwiegen werde, wie drastisch diese Belastungen sein könnten. Viele Betroffene entwickelten laut Schneidenbach posttraumatische Belastungsstörungen, mit Symptomen von Flashbacks, tiefsitzender Traurigkeit, Selbstzweifeln und Selbsthass über emotionale Kälte, Beziehungs- und Essstörungen bis hin zu Süchten und Suizidgedanken. Bei Frauen seien auch körperliche Folgen wie Blutungen, Entzündungen, Unfruchtbarkeit oder erhöhtes Risiko für Fehl- und Frühgeburten denkbar. "Betroffene leiden oft über Jahre hinweg und wissen gar nicht, was der Grund ist. Das kommt daher, dass Abtreibung normalerweise weder von Ärzten und Therapeuten noch von der Gesellschaft als Ursache erwähnt wird", so die "Rachels Weinberg"-Leiterin.
Bei den Wochenenden von "Rachels Weinberg", die von einem ehrenamtlichen Team aus geschulten Mitarbeitern, einem Priester und einem Therapeuten begleitet werden, geht es zunächst um die geistliche Ebene. "Vermittelt wird den Teilnehmenden, dass Gott sie liebt und nicht verurteilt. Wer das erfährt, kann auch sich selbst und anderen vergeben", erklärte Schneidenbach. Behandelt wird auch die je eigene Lebensgeschichte, geschehe doch Abtreibung "nie im luftleeren Raum". Ziel ist schließlich der Aufbau einer neuen, von Liebe und Dankbarkeit geprägten Beziehung zum verstorbenen Kind, das wieder als Mensch gesehen wird. Viele Frauen seien nämlich im Schmerz gefangen, sagte Schneidenbach: "Quasi als Selbstbestrafung verharren sie darin und haben Angst, sie könnten sonst ihr Kind vergessen." Ein Gedenkgottesdienst beschließt die drei Tage.
"Rachels Weinberg" wird in einer katholischen und in einer überkonfessionellen christlichen Version angeboten. Religiosität wird für die Teilnahme nicht vorausgesetzt, "aber man muss grundsätzlich bereit sein, sich darauf einzulassen", betonte Schneidenbach. Rund 200 Personen haben seit 2011, als der private, durch Spenden finanzierte Verein in Österreich startete, an den Wochenenden teilgenommen. Die Rückmeldungen seien äußerst positiv. "Viele sagen, sie hätten hier ein neues Leben begonnen, und es wirkt auch in ihre Beziehungen und Familien hinein", so dessen Leiterin. (Info: www.rachelsweinberg.at)
Quelle: kathpress