Pilgerhospiz-Rektor: In Jerusalem "gewisse Normalität" trotz Krieg
Trotz des Krieges im Heiligen Land versuchen die Menschen in Jerusalem mit der Situation umzugehen und so etwas wie einen normalen Alltag zu leben. Das schilderte der Rektor des Österreichischen Pilger-Hospizes in der Jerusalemer Altstadt, Markus Bugnyar, in einem Interview mit dem Sender "Puls24" (Donnerstagabend). "Wir haben jetzt bereits acht Wochen Krieg. Da etabliert sich natürlich schon so etwas wie ein Alltagsleben", berichtete der Priester und Pilgerhaus-Chef, der seit rund 20 Jahren in Israel lebt. Geschäfte oder Restaurants etwa seien geöffnet, nur Touristen seien natürlich nicht zu sehen. Einerseits gebe es also eine gewisse Normalität, so Bugnyar. "Auf der anderen Seite kann man eine gewisse Anspannung auch wirklich physisch fühlen."
Die Menschen verfolgten die Nachrichten und hätten sich zuletzt etwa über die Freilassung von israelischen Geiseln aus den Händen der Hamas gefreut. Aber, so Bugnyar: "Natürlich kann hier niemand wirklich absehen, wie die nächsten Tage und Wochen aussehen werden." Er persönlich gehe davon aus, dass die Kampfhandlungen in der nächsten Woche zu einem Ende kommen werden, sagte der Pilger-Hospiz-Rektor: "dass es irgendeine Art von Vereinbarung geben wird, auch wenn heute noch niemand sagen kann, wie die im Detail aussehen wird".
Auf den "in Ausmaß und Brutalität vollkommen neuen" Hamas-Angriff vom 7. Oktober hätte jedenfalls jede israelische Regierung entsprechend reagieren müssen, egal unter welchem Premierminister, erklärte Bugnyar. "Hier sind wirklich Fakten zu schaffen, um sicherzustellen, dass sich ein derartiges Massaker nicht wiederholt in der Zukunft. Aber gleichzeitig sind die Menschen hier vor Ort durchaus dafür bekannt, realistisch zu sein." Die israelische Regierung verfolge die Ausschaltung der Hamas als Ziel, wobei dies aber sehr schwierig sei und viele in Israel auch Zweifel hätten, wie das jemals erreicht werden soll, so Bugnyar. "Jeder weiß: Die Hamas ist eine Organisation, die auf einer Ideologie aufbaut, die man nicht durch einen Krieg ausschalten kann. Diese Ideologie wird es auch danach geben, nach dem Krieg." Für jeden getöteten Hamas-Verantwortlichen gebe es welche, die nachrücken.
Insgesamt wachse der Druck auf die israelische Regierung - und zwar von innen wie von außen, wie Bugnyar erläuterte. International verwies er insbesondere auf die USA, die "deutlich signalisieren, dass man vielleicht auch wiederum sehr bald, sehr schnell den Weg zurück zu Verhandlungen findet, um irgendeine Art von Vereinbarung zu treffen". Im Land selbst stelle sich die Frage nach der politischen Verantwortung dafür, warum der Angriff der Hamas nicht verhindert wurde. In der bestehenden Regierung habe man möglicherweise auch ein Interesse, diesen Aufarbeitungsprozess hinauszuzögern, analysierte Bugnyar. "Die israelische Öffentlichkeit wird sich das so auf Dauer nicht gefallen lassen."
Pilger-Haus weitgehend leer
Das von ihm geleitete Pilger-Hospiz an der Via Dolorosa wird laut Bugnyar auch in der Advent- und Weihnachtszeit weitgehend leer stehen. Man habe zwar einige wenige Übernachtungsgäste und auch das hauseigene "Cafe Triest" werde von Leuten besucht, die in Jerusalem für Auslandsbehörden oder NGOs arbeiten. Alle Pilgergruppen aus dem Ausland hätten geplante Aufenthalte für den Rest des Jahres aber storniert, so der Rektor. "Jeder verfolgt die Bilder auch zu Hause in Österreich und in einer solchen Zeit kann man ehrlicherweise auch nicht erwarten, dass sich da jemand entspannt zu einer Bildungsreise oder Pilgerfahrt auf den Weg macht." Aktuell geht Bugnyar aber davon aus, dass sich das spätestens mit den Semesterferien in Österreich wieder ändern wird.
Von den lokalen palästinensischen Mitarbeitern des Hauses - unter ihnen sind Christen genauso wie Muslime - seien derzeit einige im unbezahlten Urlaub oder hätten wegen der Abriegelung der Westbank trotz Arbeitsgenehmigung zuletzt nicht nach Jerusalem kommen können, berichtete der Pilger-Hospiz-Rektor weiter. Mittlerweile arbeiten vor Ort auch wieder acht junge Leute aus Österreich, die im Pilger-Hospiz im Sommer einen Freiwilligen Auslandseinsatz begonnen haben und zu Beginn des Kriegs Jerusalem großteils verlassen hatten.
(Website Österreichisches Pilger-Hospiz Jerusalem https://www.austrianhospice.com/)
Quelle: kathpress