Caritas: Anstieg der Obdachlosigkeit erfordert schnelles Handeln
Die Caritas hat angesichts einer österreichweiten Zunahme von Obdachlosigkeit wie auch von Delogierungen wirksamere Maßnahmen gegen Wohnungslosigkeit gefordert. Der Druck auf Menschen in Armut nehme durch die Rekordinflation und die steigenden Mieten zu, wodurch derzeit rund 20.000 Menschen in Österreich wohnungslos seien - davon 60 Prozent in Wien, warnte der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in der Obdachloseneinrichtung "Gruft". Gemeinsam mit Radio-Moderator Robert Kratky rief Schwertner zu Spenden für das Gruft-Winterpaket auf, die angesichts der kalten Temperaturen oft Leben retten.
1.694 Delogierungen hat es in Wien allein im ersten Halbjahr 2023 gegeben, österreichweit waren es 2.912, erklärte Schwertner. Der Andrang nach warmen Schlafplätzen nehme stark zu, seien doch die verschiedenen Notquartiere für Obdachlose - allein die Wiener Caritas bietet 210 Plätze in sechs Quartieren, darunter auch in der Gruft - ausgelastet, "heute Nacht zu 95 Prozent", verdeutlichte der Caritas-Direktor. Sein Appell an die Politik: "Wer einen Anstieg der Wohnungslosigkeit verhindern wolle, muss jetzt handeln!"
Zwar hätten Bund und Länder bereits einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Verbesserungen geschafft hätten, so Schwertner. Besonders die Winterhilfe des Fonds Soziales Wien gemeinsam mit den Hilfsorganisationen, die zusätzlich 1.000 Notquartiersplätze schufen, sei hier zu nennen, wie auch die Ankündigung des Sozialministeriums, für ebenso viele Menschen im Rahmen eines Housing-first-Ansatzes eigene Wohneinheiten bereitzustellen. Allerdings sollte die Nothilfe auf das ganze Jahr ausgedehnt werden, forderte Schwertner, zudem sei auch mehr "strukturelle Solidarität" vonnöten, um Wohnungslosigkeit und Armut präventiv entgegenzuwirken.
"Unumgänglich" wäre laut dem Sozialexperten eine umfassende Reform der Sozialhilfe hin zu einer "echten bedarfsorientierten Mindestsicherung" sowie ein Nationaler Aktionsplan für leistbares Wohnen. Die von der Vorgängerregierung eingeführte Obergrenze sowie die Anrechnung anderer Unterstützungen bei deren Berechnung seien "fatale Fehler" gewesen, sah Schwertner in der momentanen Teuerungskrise bestätigt. Der mit 5 Prozent angesetzte Mietpreisdeckel sei zudem zu hoch, da von einem Rückgang der Inflation auszugehen sei.
Nicht übernachten, sondern überleben
Gemeinsam mit Robert Kratky rief Schwertner bei der Pressekonferenz zu Spenden auf, ohne die viele der Caritas-Hilfen nicht möglich wären. 70 Euro kostet ein "Gruft Winterpaket", das aus einem winterfesten Schlafsack sowie warmen Mahlzeiten für eine Woche besteht. "Wenn die Temperaturen um den Gefrierpunkt liegen, kann dies Leben retten", verdeutlichte der Caritasdirektor. Selbiges gelte für die Nutzung des Caritas-Kältetelefons (in Wien unter 01-480 4553, eigene Nummern in den anderen Bundesländern), wenn man eine obdachlose Person in Not antrifft: Streetworker gehen den Hinweisen nach, was im vergangenen Winter 9.700 mal geschah.
Dass Spenden an die Caritas-Winterhilfe sinnvoll eingesetzt werden, bezeugte Robert Kratky. Der bekannte Radiomoderator hatte Tage zuvor Mitarbeiter der Caritas-Suppenausgabenstelle Canisibus sowie Caritas-Streetworker bei ihren nächtlichen Einsätzen begleitet. Im Gebüsch auf der Wiener Donauinsel gebe es im Winter "kein Übernachten, sondern nur den Versuch zu überleben", berichtete er von seinen prägenden Eindrücken von Menschen, die "in drei Plastiksäcken ihr ganzes Hab und Gut verwahren". Er selbst sei, obwohl warm gekleidet, nach zwei Stunden durchgefroren gewesen und habe noch im Obdachlosenquartier gespürt, "dass selbst Privatsphäre ein Luxus ist".
Notquartier als Lebensrettung
Mit Markus Jokl schilderte auch ein ehemals Obdachloser die Bedeutung der "Gruft". Als er selbst vor 20 Jahren infolge familiärer Schicksalsschläge obdachlos wurde und den Winter auf der Wiener Donauinsel verbrachte, habe er nach einiger Zeit "dankbar" das Zentrum der Caritas in der Barnabitengasse 12a gefunden. "Ich wäre ohne Gruft heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben", so Jokl, der den Weg in ein geregeltes Leben zurückfand. Heute noch helfe er regelmäßig in der Gruft aus - "um etwas zurückzugeben", wie der Wiener erklärte.
Die Wiener Caritas bietet im Betreuungszentrum "Gruft" in Wien-Mariahilf ein Nachtquartier mit 60 Betten, davon 16 in einem eigenen Bereich für Frauen, sowie ein Tageszentrum mit 80 Sitzplätzen. 230 Mahlzeiten werden hier täglich ausgegeben, zudem werden von den 45 Mitarbeitenden auch Psychotherapie und Sozialarbeit angeboten. Nach 13 Jahren an der Spitze der Sozialeinrichtung gab Judith Hartweger bei dem Pressetermin die Übergabe der Leitung an ihre Nachfolgerin Elisabeth Pichler bekannt.
(Spendeninfo: Caritas-Spendenkonto IBAN: AT163100000404050050, BIC RZBAATWW, Kennwort: "Gruft Winterpaket", bzw. Online-Spenden unter www.gruft.at oder wirhelfen.shop/winterpaket)
Quelle: kathpress