Sozialethiker: Kritik an Intransparenz bei Signa-Krise
Intransparenz, scheinbar mangelnde Kontrolle durch Behörden und mangelnde Kommunikation: Für den Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), Markus Schlagnitweit, fehlt es bei der aktuell diskutierten Causa rund um die Signa-Gruppe des Tiroler Investors René Benko an Antworten. Am Mittwoch hatte das Immobilienunternehmen beim Handelsgericht Wien den Insolvenzantrag eingereicht. "Wo haben hier Kontrollmechanismen versagt? Zählt die öffentliche Hand zu den Geschädigten, oder ist lediglich ein kleiner Kreis von Investoren betroffen", diese Fragen gelte es laut dem Sozialethiker zu beantworten. "Die Intransparenz in der Causa nährt jedenfalls Verdachtslagen", so Schlagnitweit im Kathpress-Gespräch.
Als dringend notwendig erachtet der ksoe-Direktor eine Aufklärung vonseiten der Justiz und Politik, um Verdachtslagen und mögliche juristische "Schlupflöcher" zu prüfen. "Die Intransparenz ist dermaßen groß, dass ich mich frage, ob es vonseiten der Behörden gar keine Kontrollen über dieses Firmenkonstrukt gegeben hat?" Hinzu kämen Gerüchte rund um Verbindungen zwischen Signa und der Politik, die ebenfalls geklärt werden müssten.
Im Gegensatz zu Klein- und mittelständischen Unternehmen, die zahlreiche bürokratische Hürden bis zu einer erfolgreichen Unternehmensgründung durchlaufen müssten, scheine es bei Signa kaum oder jedenfalls nur mangelhafte Prüfungen gegeben zu haben. "Entweder gibt es so viele legistische Schlupflöcher, oder Benkos Anwälte sind schlauer als die Staatsverwaltung. Es ist jedenfalls irritierend."
Kritik übte Schlagnitweit zudem an der medialen Berichterstattung über Signa. Diese würde zwischen berechtigter Kritik, "Infotainment" und Voyeurismus schwanken. "Es wird ständig darüber berichtet, aber nicht aufgeklärt", konstatierte der ksoe-Direktor. "Was sind die gesellschaftlichen Folgen dieser Pleite? Wurden Gewinne privatisiert, und werden die Schulden jetzt vergemeinschaftet?"
Schnelles Wachstum
Die Signa Gruppe sei schnell gewachsen, jedoch sei das Wachstum ohne "solide Grundlage" vor sich gegangen, so das Fazit von Schlagnitweit, der eine grundsätzliche Anfrage an das System stellte. Auf Basis eines möglicherweise überhöhten, rein spekulativen Buchwertes des Unternehmens hätten Investoren große Summen in das Unternehmen gesteckt, um selbst Mittel durch günstige Kredite oder Gewinnabschöpfungen generieren zu können. "Das sind höchst dubiose, aber offenbar in unserem kapitalistischen System gängige Praktiken, die sich vermutlich nur große Unternehmen leisten können, weil die kleinen sehr genau auf ihre Bonität geprüft werden", so der Sozialethiker.
Wenn der Buchwert - der Wert, mit dem Vermögen und Schulden eines Unternehmens in der Bilanz erfasst werden - und die damit verknüpften Zukunftserwartungen nicht der Realität entsprechen und sich als überzogen herausstelle, haben wir es mit einer Blase zu tun, erklärte Schlagnitweit das Problem. In der Folge beginne das Konstrukt zu wanken, aber da hätten möglicherweise manche ihre Gewinne bereits realisiert und ihre Vorteile gezogen. "Man fragt sich dann aber, was ist denn mit dem Verlust? Wie hoch ist der? Werden Verluste an die Allgemeinheit weitergegeben? Wer haftet dafür? Alles fragwürdig. Ich muss gestehen, ich blicke selbst nicht mehr durch", so der Sozialethiker.
Nachhaltiges Wachstum?
Angesprochen darauf, ob ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum überhaupt möglich sei, verwies Schlagnitweit auf die Forstwirtschaft: "Ein Baum, der zu schnell wächst, hat keine gute Holzqualität. Ein stabiles, festes, dauerhaftes Holz braucht seine Zeit zum Wachsen." Übertragen auf die Wirtschaft, habe er den Eindruck, dass ein rasantes Wachstum, wie es in manchen Branchen offenbar möglich sei, sich nur in den seltensten Fällen als wirklich nachhaltig herausstelle.
"Unternehmen, die zu schnell wachsen, kommen leicht ins Wanken, sobald sich die Rahmenbedingungen ändern", meinte der Ethiker mit Verweis auf den Immobilienmarkt, der aktuell etwa aufgrund der Ressourcenknappheit und hoher Zinsen ins Stottern geraten ist.
Regeln und Regulative
Unternehmen wie Marktwirtschaft würden von Voraussetzungen leben, die sie selbst nicht herstellen könnten, erläuterte Schlagnitweit. Dazu gehören etwa Werte wie Vertrauen und Vertragstreue. Auch profitierten Unternehmen von der öffentlichen Infrastruktur oder vom öffentlich finanzierten Bildungssystem.
"Der Markt braucht jedenfalls Regeln und Regulative", forderte Schlagnitweit. "Und für sein Funktionieren braucht es außerdem Transparenz, keine übermäßigen Machtgefälle etc." Ein unregulierter Markt würde sich hingegen irgendwann selbst auflösen, da im Konkurrenzkampf der Unternehmen sich letztlich der Stärkste durchsetze und "so übermächtig wird, dass er alles diktieren kann" und ein Marktmonopol aufbaue. "Und dann ist das freie Spiel von Angebot und Nachfrage zu Ende", folgerte der Sozialethiker.
Der Investor René Benko habe im Sinne der kapitalistischen Marktökonomie vielleicht "alles richtig gemacht". Jedoch funktioniere der Markt nur dort gut und nachhaltig, wo er auch transparent sei und Regulativen unterliege, so Schlagnitweit.
Quelle: kathpress