Fristenregelung: Flankierende Maßnahmen mit "viel Luft nach oben"
Elternberatung, Kinderbetreuungsgeld oder moderne Sozialhilfegesetze: Sie alle wurden als sogenannte "flankierende Maßnahmen" zur Fristenregelung am 29. November 1973 beschlossen und bis heute nur teilweise umgesetzt. Seitens des Vereins "Aktion Leben" ist bei diesen "positiven Maßnahmen zum Schutze des werdenden Lebens" - zu welchen auch die Schwangerenberatung gehört - "noch viel Luft nach oben", zog Generalsekretärin Martina Kronthaler im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress Zwischenbilanz.
Gemeinsam mit der Straffreiheit für Abtreibungen hatte der Nationalrat am 29. November 1973 einstimmig Maßnahmen beschlossen, welche die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche minimieren sollten. Diese reichten vom Ausbau und der Bewerbung von Beratung und der Erleichterung von Adoptionsmöglichkeiten über sexuelle Bildung und Wissen über Verhütung bis hin zu sozialpolitischen Maßnahmen für ein "gutes Leben mit Kindern". Auch die Erhöhung der Geburtenbeihilfe und Erhöhung des Karenzurlaubsgeldes für verheiratete wie ledige Mütter wurden damals genannt. Die Bundesregierung sei angehalten, "in ihren Kompetenzbereich fallende Maßnahmen vorzubereiten und durchzuführen", hieß es in dem Entschließungsantrag.
Auch die SPÖ, von welcher die Initiative für die Fristenregelung ausgegangen war, trug die flankierenden Maßnahmen mit. Bundeskanzler Bruno Kreisky erklärte damals, man müsse "alles tun, um im Bereich der Politik diesen ganzen Paragraphen so obsolet zu machen, wie dies mit den Mitteln der Politik, der Psychologie und auch der Moral nur geht, um die Frau zu veranlassen, dass sie dann, wenn sie empfangen hat, das Kind behält. Deshalb glaube ich, dass man alles, wirklich alles tun muss, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, Kinder zu haben." Ähnlich sagte auch Justizminister Christian Broda, es gehe "in erster Linie um die Senkung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche".
50 Jahre später gelte es die Umsetzung dieser Maßnahmen zu prüfen, hat die Aktion Leben zum Jahrestag gefordert. Dringend notwendig sei etwa ein "Plan für Prävention von ungeplanten Schwangerschaften, differenziert für die unterschiedlichen Bedürfnisse und altersentsprechend". Wissenschaftlich gesicherte Informationen seien für zielgruppengerechte Prävention unabdingbar, weshalb die Aktion Leben weiterhin eine "anonyme Statistik und eine davon unabhängige Erforschung der Motive für Abbrüche" einfordere. Denn: "Fakten zu ungeplanten Schwangerschaften und Abbrüchen, aber auch dem weiteren Lebensweg der Frauen, haben wir nicht."
Aufholbedarf der Sozialpolitik
Generalsekretärin Kronthaler wies im Interview auf weitere nötige Maßnahmen hin, beginnend mit der Vereinfachung von Bürokratie, etwa beim Kinderbetreuungsgeld. Frauen seien in der Schwangerschaft und speziell im ersten Lebensjahr ihrer Kinder abhängig von Staat und Partner, was mitunter zu Spannungen führe. Finanziell prekär könne es für Frauen auch nach Trennungen oder Scheidungen werden, etwa wenn Unterhaltszahlungen vonseiten der Männer auf sich warten lassen. "Hier bleiben die Frauen übrig. Viele müssen bis zu einem Jahr auf Unterhaltszahlungen warten", so Kronthaler, deren Verein u.a. Beratung und finanzielle Unterstützung bietet.
Auch der 2023 noch immer existierende "Gender-Pay-Gap" - also die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern - gelte es zu schließen, mahnte Kronthaler. "Wir bräuchten ein richtiges Miteinander von Männern und Frauen und das Bewusstsein darüber, dass Frauen nach wie vor Nachteile haben, wenn sie sich für Kinder entscheiden." Außerdem brauche es mehr Unterstützung vonseiten der Arbeitgeber, wenn Männer in Karenz gehen oder Teilzeit arbeiten wollen.
Immerhin habe es seit Beschluss der Fristenregelung jedoch einige wichtige Weiterentwicklungen wie das Kinderbetreuungsgeld unabhängig von vorangehender Erwerbsarbeit gegeben, räumte Kronthaler ein. Dieses sei Ergebnis eines hartnäckigen "Einstehens für die Rechte von Frauen, Kindern und Eltern".
Beratung und Sexualerziehung
Kritik übte Kronthaler hingegen weiters auch an fehlender Information für Schwangere über die vielfältigen Beratungsangebote in Österreich. Auch Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Personal oder Apothekerinnen und Apotheker hätten schlicht zu wenig Wissen darüber, so die Generalsekretärin. Die im neuen Eltern-Kind-Pass vorgesehenen Elternberatungen seien allerdings zu begrüßen.
Weiters seien Verhütung und Sexualerziehung auch 2023 ein schwieriges Thema, konstatierte Kronthaler. Noch immer gebe es keine kostenlose Verhütungsberatung bei Gynäkologinnen und Gynäkologen, um Risiken, passende Methoden und Möglichkeiten abzuklären. Zur oft vorgetragenen Forderung nach kostenlosen Verhütungsmitteln sagte Kronthaler: "Was nützt ein gratis Kondom, wenn ich es nicht korrekt benutzen kann?" Zudem gäbe es schlicht zu wenig Körperwissen, egal bei welcher Altersgruppe. Vor oder mit der Einführung solcher Maßnahmen brauche es folglich flächendeckende Informationskampagnen, Workshops und Weiterbildungen.
Quelle: kathpress