Neue Caritas-Präsidentin: Armut ist in Österreich Realität
Armut ist in Österreich Realität, auch wenn niemand verhungern oder erfrieren muss: Darauf hat die neue Präsidentin der Caritas Österreich, Nora Tödtling-Musenbichler, am Sonntagabend im "ZiB 2"-Interview hingewiesen. Trotz der Regierungsmaßnahmen gegen die Teuerungen und die Inflation, bemerke die Caritas, dass es "in vielen Fällen zu wenig ist". Es brauche daher "eine strukturelle und nachhaltige Armutsbekämpfung", um Menschen aus der Armut zu holen. Konkret forderte Tödtling-Musenbichler im ORF eine Anhebung der Ausgleichszulage sowie eine Reform der Notstandhilfe und Sozialhilfe. Letztere benötige eine österreichweite Einheitlichkeit, so die designierte Caritas-Präsidentin. So dürfe es keinen Unterschied machen, ob man in Wien, der Steiermark oder in Vorarlberg in wohne.
Alleinerziehende sowie Mindestpensionistinnen und -pensionisten wären auf die Unterstützung von Hilfsorganisationen angewiesen, wies Tödtling-Musenbichler hin. Einkommen oder Pension reiche oft nicht mehr aus. Es werde daher mehr benötigen als die bestehenden Zahlungen und Sozialleistungen. Das oberste Gebot der Caritas sei eine "umfassende Armutsbekämpfung", betonte die ehemalige Leiterin der VinziWerke Österreich.
Positiv äußerte sich Tödtling-Musenbichler zu den Finanzausgleichsverhandlungen und den in Folge aufgestockten Pflegefonds. Es handle sich hierbei aber um eine Finanzierung der bestehenden Maßnahmen, nicht um ein "Mehr an Geld". Beim Thema Pflege seien zusätzliche Maßnahmen nötig, um den demografischen Entwicklungen entgegenzutreten sowie eine Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe. Dabei seien sowohl Bundesregierung als auch Länder gefragt. Außerdem wies Tödtling-Musenbichler auf eine "Willkommenskultur für Menschen aus dem Ausland hin", die in der Pflege arbeiten könnten.
"Es braucht neue Geschichten, dass wir auch wieder gut über die Pflege sprechen und dass wir die Pflege in ihrer umfassenden Form - sei es für Menschen mit Behinderung, sei es in der Langzeitpflege - sehen, was sie Großartiges leistet", meinte die bisherige Direktorin der Caritas Steiermark. Das drücke sich in Gehältern, dem "Zeigen nach außen" und in den Ausbildungsmöglichkeiten aus.
Caritas-Kollektivvertrag
Angesprochen auf die dritte Runde der Kollektivvertragsverhandlungen mit der Sozialwirtschaft wies Tödtling-Musenbichler auf bereits bestehende Gespräche mit den Caritas-Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hin. Man warte den Abschluss der Sozialwirtschaft ab, wolle aber zumindest die Inflation abdecken, hieß es. Die Caritas hat eigene Kollektivvertragsverhandlungen. "Es gibt ein Verhandlungspaket, das auf beiden Seiten liegt", so die designierte Caritas-Präsidentin.
Vor dem Wahljahr 2024 bekräftigte Tödtling-Musenbichler das Caritas-Motto "Not sehen und handeln". Man werde die Stimme erheben, wenn nicht ausreichend getan werde. Generell brauche es so viel Kommunikation wie möglich und so viel Kritik wie nötig. "Wenn wir sehen, dass es uns braucht, nämlich dann die Stimme zu erheben für Menschen, die sonst nicht gehört werden, werde ich mich dafür einsetzen und auch meine Stimme erheben", so Tödtling-Musenbichler. Sie bewertete das Miteinander von Politik und Caritas positiv. "Wir glauben, dass wir gute und verlässliche Partner sind, die auch die Expertise einbringen."
Tödtling-Musenbichler wurde am 21. November von der Caritas-Vollversammlung zur Nachfolgerin von Michael Landau (63) gewählt wurde. Sie ist damit die erste Frau an der Österreich-Spitze der Hilfsorganisation.
Quelle: kathpress