Tödtling-Musenbichler: Caritas soll unbequem und laut sein
Die neue Präsidentin der Caritas-Österreich, Nora Tödtling-Musenbichler, hat eine "weiblichere" Linie für die Hilfsorganisation angekündigt: Armut sei weiblich, "dort als Frau selbst hinzuschauen und Maßnahmen zu setzen, ist mir ein großes Anliegen", sagte die designierte Caritas-Präsidentin im "Kronen Zeitung"-Interview (Ausgabe Sonntag). Die Hilfsorganisation solle auch künftig "so unbequem wie nötig und so laut wie nötig" sein, wenn es darum gehe, Menschen am Rande der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Speziell im Wahljahr 2024 sei es wichtig, dort hinzuschauen, wo es am dringendsten sei, so die 40-Jährige: "Aber wir entscheiden unsere Zukunft auch als Gesellschaft mit: Ich wünsche mir eine, die solidarisch ist. Und wir können Solidarität."
Tödtling-Musenbichler wurde am Dienstag von der Caritas-Vollversammlung zur Nachfolgerin von Michael Landau (63) gewählt wurde. Sie ist damit die erste Frau an der Österreich-Spitze der Hilfsorganisation. Ihre Wahl nannte sie "ein starkes Zeichen"; es sei ein wichtiger Schritt, "wo wir als Caritas neue Wege gehen und zugleich aufzeigen, was schon da ist".
Schon jetzt sei die Hilfsorganisation großteils weiblich, sei es in den Einrichtungen, der Freiwilligenarbeit, im Büro oder den Führungsebenen, erklärte Tödtling-Musenbichler. "In allen Arbeitsfeldern und vor allem in der Pflege sind viele Frauen tätig, die Vollzeit arbeiten wollen, aber es nicht können, weil es zu wenig Kinderbetreuungsplätze gibt." Hier starte oft ein Teufelskreis in die Armut.
Armutsbekämpfung
Angesichts der massiven Teuerungswelle bleibe die Armutsbekämpfung ein großes Thema für die Caritas. "Wir merken, dass unser Sozialsystem grundsätzlich funktioniert, aber Lücken hat", meinte dazu die neue Präsidentin der Caritas-Österreich. Ziel sei es, die Lücken zu schließen, um Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. "Da haben wir drei Hebel: die Anhebung der Ausgleichszulage auf Höhe der Armutsgefährdungsschwelle; die Reform der Sozialhilfe und des Arbeitslosengeldes, verbunden mit der Valorisierung der Notstandshilfe", erläuterte Tödtling-Musenbichler.
Lerncafes und Vinzi-Werke
Die neue Caritas-Präsidentin wurde am 5. Jänner 1983 in Judenburg (Stmk) geboren und wuchs in Knittelfeld auf. Als Schülerin initiierte sie "Lerncafés" für benachteiligte Schülerinnen und Schüler, wofür sie 1999 von der damaligen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic mit der Humanitas Medaille geehrt wurde. Mittlerweile gibt es österreichweit 68 Caritas-Lerncafés. Als Vorbilder dafür hätten ihr Menschen gedient, die sie gestärkt hatten: "Diese Begleitung, diese Möglichkeiten und Perspektiven wünsche ich jedem Kind in Österreich, unabhängig von den finanziellen Ressourcen seiner Eltern", so Tödtling-Musenbichler im "Kronen Zeitung"-Interview. Damals wie heute sei ihr die Hilfe von Mensch zu Mensch wichtig, "um die Bodenhaftung nicht zu verlieren und zu spüren, was die Menschen wirklich brauchen".
Kindern und Jugendlichen wünschte sie Menschen, "die sie begleiten, ihnen Halt und Sicherheit geben und dass sie Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, aufbauen können". Aktuell bemerkte sie jedoch ein fehlendes Grundvertrauen, "dass es gut wird und dass es gut sein kann".
Beruflich war Tödtling-Musenbichler von 2004 stellvertretende Leiterin im VinziDorf der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg. Ab 2010 war sie Koordinatorin und Leiterin der VinziWerke Österreich; ab 2021 war sie als Vizedirektorin ins Direktorium der Caritas Steiermark tätig, mit 1. Juli 2022 wurde sie von Bischof Wilhelm Krautwaschl zur Direktorin des diözesanen Hilfswerks bestellt - als Nachfolgerin von Herbert Beiglböck, der die diözesane Caritas seit 2016 geleitet hat. Bis 2022 blieb sie Vorstandsmitglied des Hauptrates der Vinzenzgemeinschaften Österreichs. Sie absolvierte u.a. den Lehrgang für Pastoralpsychologie und studierte zuletzt berufsbegleitend Social Management an der Donau Universität Krems.
Nora Tödtling-Musenbichler (40) wurde am 21. November von der Caritas-Vollversammlung im Vorarlberger Bildungshaus St. Arbogast zur Nachfolgerin von Michael Landau (63) gewählt, der das Amt nach zehn Jahren an der Spitze der zweitgrößten Hilfsorganisation des Landes übergibt. Tödtling-Musenbichler leitete bisher die Caritas der Diözese Graz-Seckau. Ihr zur Seite wird künftig Alexander Bodmann als Vizepräsident stehen, diese Funktion hatte Tödtling-Musenbichler bisher selbst inne.
Quelle: kathpress