Opferschutzgruppen in Gesundheitseinrichtungen vernetzen sich
Mit einem "Gründungssymposion" am Freitag in Kritzendorf bei Wien hat der "Österreichische Dachverband für Opferschutzgruppen im Gesundheits- und Sozialbereich" seine Aktivitäten und Ziele einem breiteren Publikum vorgestellt. Bereits am Vorabend informierten die Verantwortlichen des Dachverbands bei einem Pressegespräch in den Räumlichkeiten der Barmherzigen Brüder in Wien über ihre Anliegen. Der Gesundheits- und Sozialbereich spiele eine wesentliche Rolle in der Früherkennung von häuslicher Gewalt und sei daher auch von wesentlicher Bedeutung für die Unterstützung von Betroffenen, so Thomas Beck, Obmann des neu gegründeten Dachverbands und Psychologe an den Universitätskliniken Landeskrankenhaus Innsbruck.
Eine Studie zu Gewalt an Frauen zeige auf, dass 19,5 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen Hilfe im Gesundheitswesen oder einer Beratungseinrichtung suchten - mehr als beispielsweise bei der Polizei (16,8 Prozent) oder bei anderen Unterstützungseinrichtungen gegen Gewalt (12,4 Prozent). Die Anforderungen im Zusammenhang mit Betroffenen häuslicher Gewalt für das medizinische Fachpersonal seien enorm. Hier komme deshalb den Opferschutzgruppen in den Gesundheitseinrichtungen, die hilfreich zur Seite stehen, eine zentrale Bedeutung zu, so Beck.
Per Gesetz aus dem Jahr 2011 muss es zumindest in jedem Akutspital eine Opferschutzgruppe geben. In gut 90 Prozent sei das inzwischen auch der Fall. Für Pflegeheime, Sanatorien oder Kuranstalten und ähnliche Einrichtungen gelte die gesetzliche Verpflichtung nicht, erläuterte Beck. Hier gebe es Opferschutzgruppen nur auf freiwilliger Basis.
Laut Obmann Beck würden Studien belegen, dass rund 25 Prozent aller Patientinnen und Patienten eines Krankenhauses mit häuslicher Gewalt konfrontiert seien. Und im Blick auf die Geschlechter informierte die Obmann-Stellvertreterin Monika Kern, dass die Betroffenen zu 70 Prozent Frauen und zu 30 Prozent Männer seien.
"Gewaltwiderfahrnisse sind weder an ein Geschlecht noch ein bestimmtes Alter gebunden", bestätigte Sabine Sramek, Vorstandsmitglied und Pflegedirektorin einer Einrichtung der Barmherzigen Brüder in Kritzendorf. Neben den Formen der physischen, psychischen und/oder sexuellen Gewalt zählten beispielsweise auch weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und Kinderehe oder Gewalt und Diskriminierung alter Menschen zu den Gewaltformen.
Neben den unmittelbaren Verletzungsfolgen von Gewalt führten Gewaltwiderfahrnisse auch zu weitreichenden gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen, sowohl auf physischer, als auch auf psychischer Ebene. Sramek: "Besonders bei Kindern zieht die Zeugenschaft häuslicher Gewalt deutliche Konsequenzen nach sich. Auch die Gewalt gegen alte Menschen und in der Pflege entsteht auf Basis zahlreicher Ursachen und Hintergründe und ist leider weit verbreitet."
Opferschutz erfordert Vernetzung
"Unsere Erfahrungen aus vielen Jahren im Opferschutz im Gesundheits- und Sozialbereich haben uns gelehrt, dass eine wichtige Voraussetzung für einen funktionierenden Opferschutz in diesen Bereichen die Vernetzung und eine gemeinsame Vertretung der Interessen ist. Ohne diese ist eine effiziente Opferschutzarbeit nur schwer möglich", unterstrich Obmann Beck.
Als Hauptaufgabe hat sich der Dachverband die Unterstützung und Koordination von Opferschutzgruppen gestellt. Dazu gehörten etwa die Information und Beratung bei der Neugründung von Opferschutzgruppen, die Vernetzung von bestehenden Opferschutzgruppen, Schulungsprogramme bzw. Aus- und Fortbildungsangebote, Beratung und Begleitung der Opferschutzgruppen oder auch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und damit gesellschaftliche Sensibilisierung für das Thema häusliche Gewalt. (Infos: www.dachverband-opferschutzgruppen.at)
Quelle: kathpress