Graz: Veranstaltungsreihe über Gender und Queer in Kunst und Religion
Wie hartnäckig sich Geschlechterkonstrukte sowie Vorurteile und Ängste bezüglich nicht-binärer Geschlechtsidentitäten halten, zeigt die Veranstaltungsreihe "Gender und Queer in Kunst und Religion" der Universität Graz auf. Lange hätten etwa Frauen in der Kunst einen Dilettantinnen-Status gehabt, während Männer als Abbild eines kreativen Gottes galten, sagte die Veranstalterin der Vortragsreihe, die Grazer Theologin Prof. Martina Bär. "Das produktive Vermögen und das Geniale wurde dem Mann zugeordnet und die Diskriminierung von Frauen religiös legitimiert", so Bär im Kathpress-Interview. Kunst habe aber auch die Kraft, Geschlechterkonstrukte der jeweiligen Zeit zu durchbrechen, aktuell etwa durch Darstellungen von Transpersonen.
"Gegenwartskunst kann der Theologie viel sagen", meinte Bär. Sie verwies etwa auf würdevolle Darstellungen von diskriminierten Menschen. "Da hat Kunst Relevanz für die Theologische Anthropologie, in der es darum geht, den Menschen als Ebenbild Gottes zu verstehen", so Bär über die Verbindung von Theologie und Kunst. Letztere könne für "ethisch sensiblen Gläubige" ein Fundort für die Frage sein, wie man Gesellschaft und Religion gender- und queersensibel denken könne.
Mit der Veranstaltungsreihe im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten wolle man daher aufzeigen, wie Epochen oder Kunstschaffende soziale und religiöse Geschlechternormen und Themen wie Sexualität beleuchten und einer neuen, feministischen oder queeren Ästhetik zugeführt haben, erklärte Bär.
Biologischer Körper
Bis heute halte sich zudem die Idee, "dass zwischen biologischem Körper und der psychologischen Geschlechtsidentität ein Bedingungsverhältnis besteht, aus der dann gesellschaftliche Rollen abgeleitet werden", so Bär. Sie verwies etwa auf Geschlechterstereotype, was als typisch männlich oder weiblich gilt. Als Beispiel nannte Bär Männerdarstellungen und -akte, die in der Renaissance und Antike üblich gewesen seien, sich aber heute Pornografie-Vorwürfen stellen müssten. Dahinter stecke auch eine Angst vor Homosexualität, da männliche Aktbilder homosexuelle Assoziationen wecken würden, so die Fundamentaltheologin.
Dem gegenüber stünden wiederum Bilder von Männern aus der Renaissance, die sie als sensibel oder emotional zeigen. Diese lyrischen Männerporträts von Tizian oder Giorgione zeigten Männer, die nicht der binären typisch männlichen Norm entsprachen. Künstlerinnen und Künstler würden ihre Werke auch dazu nutzen, "um das bislang nicht zur Sichtbarkeit gebrachte zur Sichtbarkeit bringen", meinte Bär weiter. Sie verwies etwa auf Transpersonen oder das Selbstbildnis der deutschen Expressionistin Paula Modersohn-Becker (1876-1907) als Schwangere.
Kritik übte Bär an der Geschlechtertheologie, die Konstrukte von Weiblichkeit und Männlichkeit forciert habe. Dies sei bis heute am ambivalenten Umgang der Kirche mit Homosexuellen ersichtlich. Die teils ablehnende Haltung der Kirche von homosexuelle Menschen oder Transgenderpersonen erklärte Bär damit, dass diese die von der Kirche proklamierte heterosexuelle Normalität durchbrechen würden. "Diese Fremdheitserfahrung kann Angst machen", so die Theologin.
Veranstaltungsreihe in Graz
Noch bis Jänner 2024 sprechen Kunsthistorikerinnen, Theologinnen sowie Künstlerinnen über die verschiedenen Zugangsweisen von Epochen und Ländern. Die Vortragsreihe "Gender und Queer in Kunst und Religion" bietet zudem Einblicke in kuratorische Ansätze und Methoden. Am 9. Jänner spricht die Alttestamentlerin Katharina Pyschny über "Sexualität(en) im Alten Testament: Biblische und ikonographische Perspektiven"; den Abschluss der Reihe macht die jüdische Theologin Melissa Raphael mit einem Vortrag zum Thema jüdisch-feministische Kunst.
Die Vorträge werden auch live via Youtube übertragen (https://www.youtube.com/@kultumgraz1811/streams).
Quelle: kathpress