Nora Tödtling-Musenbichler neue Caritas-Präsidentin
Die Caritas Österreich hat erstmals in ihrer Geschichte eine Frau als Präsidentin. Nora Tödtling-Musenbichler (40) wurde am Dienstag von der Caritas-Vollversammlung im Vorarlberger Bildungshaus St. Arbogast zur Nachfolgerin von Michael Landau (63) gewählt, der das Amt nach zehn Jahren an der Spitze der zweitgrößten Hilfsorganisation des Landes übergibt. Tödtling-Musenbichler leitet die Caritas der Diözese Graz-Seckau. Ihr zur Seite steht künftig Alexander Bodmann als Vizepräsident - eine Funktion, die Tödtling-Musenbichler bisher innehatte. Zur Vorstellung des neuen Präsidiums wurde eine Pressekonferenz am Freitag, 9 Uhr, in der Wiener Pfarre Alt Ottakring (Johann-Krawarikgasse 1, 1160 Wien) angekündigt.
Pressekonferenz (24. November)
Tödtling-Musenbichler äußerte sich erfreut über ihre Wahl und erklärte, die Caritas lebe in einer von Krisen, Unsicherheit und Komplexität geprägten Zeit "Werte der Solidarität und des Zusammenhalts" und wolle Zuversicht und Hoffnung geben. "Wir setzen uns als Caritas für alle Menschen ein, die keine Stimme haben oder nicht gehört werden, für Menschen am Rand der Gesellschaft in Österreich, ebenso für jene, die von Kriegen und Katastrophen weltweit betroffen sind. Wir brauchen ein tragfähiges und stabiles Netz der Mitmenschlichkeit", so Tödtling-Musenbichler.
Caritas-Bischof Benno Elbs, der selbst an der Vollversammlung und Wahl beteiligt war, gratulierte Tödtling-Musenbichler und betonte, er wisse die Caritas Österreich auch unter ihrem neuen Präsidium in besten Händen. Den scheidenden Präsidenten Landau lobte er dafür, dass er "den grundlegenden Auftrag des Evangeliums nicht nur in die Praxis umgesetzt, sondern ihn auch für alle Menschen zugänglich gemacht" und dabei "in unsere Welt übersetzt, konkret und spürbar gemacht" habe. Gleichzeitig sei er "manchmal ein Unbequemer, der sich bedingungslos in den Dienst derjenigen gestellt hat, die am Rande der Gesellschaft und des Lebens stehen".
Lern-Cafes und Vinzi-Vergangenheit
Die neue Caritas-Präsidentin wurde am 5. Jänner 1983 in Judenburg (Stmk) geboren und wuchs in Knittelfeld auf. Dort rief sie schon als Gymnasiastin am BG Knittelfeld ein Lernprojekt für benachteiligte Schülerinnen und Schüler ins Leben, für das sie Landeshauptfrau Waltraud Klasnic im Jahr 1999 mit der Humanitas Medaille ehrte. Musenbichlers Projekt des ersten "Lerncafes" entwickelte sich seither zum Erfolgsprojekt und wuchs seither auf 68 Caritas-Lerncafes österreichweit an. Sie selbst absolvierte nach einem Semester Theologie den Lehrgang für Pastoralpsychologie und studierte zuletzt berufsbegleitend Social Management an der Donau Universität Krems. Die künftige Präsidentin ist verheiratet mit Maximilian Tödtling und lebt in Graz.
Beruflich war Tödtling-Musenbichler von 2004 stellvertretende Leiterin im VinziDorf der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, wobei es sich um eine Einrichtung für obdachlose Männer mit schwerer Suchterkrankung handelt. Ab 2010 war sie Koordinatorin und Leiterin der VinziWerke Österreich, bis sie im November 2021 als Vizedirektorin ins Direktorium der Caritas Steiermark wechselte und mit 1. Juli 2022 von Bischof Wilhelm Krautwaschl zur Direktorin des diözesanen Hilfswerks bestellt wurde - als Nachfolgerin von Herbert Beiglböck, der die diözesane Caritas seit 2016 geleitet hat. Bis 2022 blieb sie Vorstandsmitglied des Hauptrates der Vinzenzgemeinschaften Österreichs.
Landau lobt "hochkompetente Frau an Caritas-Spitze"
Der scheidende Präsident Landau zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut, dass künftig eine "hochkompetente Frau" an der Spitze der Caritas Österreich stehen werde. Dies sei ein "starkes, weibliches Zeichen für die Caritas nach innen wie nach außen". Landau lobte die "soziale Ader" seiner Nachfolgerin mit Verweis auf ihren bisherigen Werdegang und betonte, er wisse die Verantwortung als Präsidentin der Caritas Österreich bei Tödtling-Musenbichler "in besten Händen". Mit ihr, Bodmann und den amtierenden Direktoren und Generalsekretären werde die Caritas "auch weiterhin die starke Stimme für soziale Gerechtigkeit sein".
Landau hatte am Wochenende angekündigt, nach 28 Jahren in Leitungsfunktionen der Caritas und zehn Jahren an deren Österreich-Spitze nicht mehr für die Wiederwahl in letzterer Funktion zu kandidieren. Er sehe den richtigen Zeitpunkt gekommen, um das Amt in andere Hände zu legen und einen "Generationenwechsel" einzulegen, sagte der Priester und promovierte Biochemiker. Zudem wolle er sich künftig "mit voller Kraft" seiner Aufgabe als Präsident der Caritas Europa widmen. Für dieses 2020 angetretene Leitungsamt im Netz von 49 Mitgliedsorganisationen in 46 Ländern wurde er im Vorjahr einstimmig wiedergewählt, wobei hier die Amtsperiode noch bis 2027 dauert. Seine Aufgabe als Direktor der Caritas Erzdiözese Wien hatte er im Frühjahr nach über 25 Jahren Tätigkeit an Alexander Bodmann und Klaus Schwertner übergeben.
Balaskovics neu im Präsidium
Die Caritas-Österreich-Vollversammlung setzt sich aus insgesamt 29 Personen zusammen, darunter je drei Vertreterinnen und Vertretern der diözesanen Caritasorganisationen, Caritas-Bischof Benno Elbs, der Präsident, der Vizepräsident, die Generalsekretäre der Caritas Österreich und weitere Mitglieder der Geschäftsleitung. Laut den Statuen dürfen Präsident und Vizepräsident nicht aus derselben Kirchenprovinz (Wien und Salzburg) kommen. Neben der Neuwahl der Präsidentschaft wurden bei der Vollversammlung auch Melanie Balaskovics, Caritasdirektorin der Diözese Eisenstadt ins Präsidium gewählt. Walter Schmolly, Caritasdirektor der Diözese Feldkirch, wurde als schon bisheriges Präsidiums-Mitglied für diese Aufgabe bestätigt.
Aufgabe der auf drei Jahre gewählten Präsidentin ist es, die Caritas Österreich nach innen und außen zu vertreten und den Vorsitz bei allen Sitzungen der Vollversammlung und des Präsidiums zu führen. Das Präsidium berichtet als Kollektivorgan über seine Arbeit an die Vollversammlung. Das Präsidium entscheidet mit einfacher Mehrheit, wobei die Präsidentin ein Dirimierungsrecht hat, also das Recht bei Stimmengleichheit durch seine Stimme eine Entscheidung herbeizuführen.
Wichtige Größe im Sozialbereich
Die Caritas ist das wichtigste Hilfswerk der katholischen Kirche in Österreich, mit 17.000 hauptamtlichen und knapp 46.000 ehrenamtlichen Mitarbeiter an mehr als 1.600 Standorten. Sie engagiert sich im Kampf gegen Armut, in der Obdachlosenhilfe, im Bildungsbereich oder in der Hospizarbeit. Sie unterhält außerdem u.a. 71 Sozialberatungsstellen in allen Bundesländern. Neben ihrer Arbeit im Inland ist die Caritas auch im Ausland im Einsatz - sowohl in der Akut- und Katastrophenhilfe als auch in der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit. Aktuell besonders gefordert ist die Hilfsorganisation beispielsweise in der Ukraine, aber auch in der Republik Moldau, im Nahen Osten oder in Ländern der Subsahararegion. (Infos: www.caritas.at)
Bereits einmal Laie an Caritas-Spitze
Nach dem Rückzug des Priesters Landau übernimmt mit Tödtling-Musenbichler wieder eine Laiin die Führung der katholischen Hilfsorganisation. Zwischen 1995 und 2013 hatte mit Franz Küberl bereits einmal ein Nicht-Geistlicher die Caritas geführt. Erster Präsident der Caritas Österreich war mit Jakob Weinbacher (1947 bis 1952) ein amtierender Wiener Weihbischof. Ihm folgte Prälat Hermann Pfeiffer (1952 bis 1964), der wiederum von Prälat Leopold Ungar (1964 bis 1991) abgelöst wurde. Nach vier Jahren unter der Führung von Helmut Schüller (1991 bis 1995) folgte Franz Küberl als erster Nicht-Kleriker in diesem Amt, der 18 Jahre als Präsident amtierte. 2013 übernahm der damalige Wiener Caritas-Direktor Michael Landau.
Quelle: kathpress