Philosophin Paganini: Christliche Tierethik noch zu wenig entwickelt
Für eine weitere Entfaltung einer christlichen Tierethik hat die christliche Philosophin Prof. Claudia Paganini plädiert. Ob in Ernährungsfragen, in Tier- und Klimaschutzfragen oder in Fragen des Mensch-Tier-Verhältnisses: überall dort hätte die christliche Theologie viel zu sagen und könnte sich in einer säkularen Öffentlichkeit Gehör verschaffen, jedoch: "Ich höre diese Stimme derzeit nicht", so Paganini bei einem Vortrag an der Universität Wien am Dienstagabend. In dem Maße, wie sich die christliche Theologie für die Schwachen und Unterdrückten einsetzte, in dem Maße müsste sich dies auch in einer Tierethik niederschlagen.
Die Vorlesung stand unter dem Titel "A difference of degree and not of kind". Überlegungen zur Tierethik" und fand im Rahmen der aktuellen Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" statt. Während des laufenden Wintersemesters versammelt die Vorlesungsreihe wöchentlich und interdisziplinär Expertinnen und Experten, die über den Beitrag von Ethik und Religionen zu Fragen von Klima, Nachhaltigkeit und Schöpfung sprechen und diskutieren.
"Wir könnten ein Plus an Sensibilität für die Verletzlichkeit von Tieren als Mitgeschöpfe einbringen", sagte Paganini. Schließlich stünden Christinnen und Christen in der "positiven Pflicht, das Leid wahrzunehmen und zu verringern, gerade auch dann und dort, wo sich niemand sonst zuständig fühlt." Die Ausformulierung einer solchen christlichen Tierethik wäre daher auch der erste Schritt, um vom Reden ins Handeln zu kommen, so die Philosophin.
In einem kursorischen Durchgang durch die biblische wie die philosophische Tradition zeigte Paganini auf, dass Tierethik kein neues Phänomen darstelle oder gar "Flausen von Öko-Spinnern", sondern seine Wurzeln bereits im 5. Jahrhundert vor Christus in der antiken Philosophie habe. Theologisch gelte es, etwa mit biblischen Mythen wie dem "Sich-die-Erde-untertan-Machen" aufzuräumen, wie der oft zitierte Aufruf im Schöpfungsbericht nach Gen 1,28 heißt. Hier sei eine Übersetzung mit "Verantwortung übernehmen" oder "fürsorgen" weitaus treffender, so die Theologin. Weiters enthalte die Bibel auch sonst zahlreiche Bestimmungen zum Schutz der Tiere.
Dunkle Flecken im Blick auf die Tierethik machte Paganini außerdem in der Philosophiegeschichte aus - etwa bei Aristoteles oder Descartes, wo Tiere auf Fragen der Nützlichkeit für den Menschen reduziert und nicht in ihrer Würde als Geschöpfe Gottes gesehen würden.
Zehn Vorträge im Wintersemester
Die Wiener Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" findet jeweils an Dienstagen ab 18.30 Uhr statt. Die Themenpalette der Vorträge reicht von der Schöpfungstheologie und einer neuen Sicht auf den Menschen innerhalb dieser Schöpfung ("Ende des Anthropozäns") über tierethische Fragen bis hin zur Analyse des Phänomens "Apokalyptik".
Die zehn Vorträge von Fachleuten unterschiedlicher theologischer und religionsbezogener Fächer aus dem In- und Ausland werden eingerahmt von Podiumsdiskussionen zu Beginn und am Schluss. Konzipiert haben die Reihe der Medien- und Sozialethiker Alexander Filipovic und der Pastoraltheologe Johann Pock, die beide an der Katholisch-Theologischen Fakultät lehren. (Infos: https://ktf.univie.ac.at/ringvorlesungklimagerechtigkeitundreligion)
Quelle: kathpress