Bischöfe: Solidarität mit Geflüchteten aus Berg-Karabach
Österreichs Bischöfe sind Dienstagabend im Rahmen ihrer Herbstvollversammlung mit dem armenisch-apostolischen Bischof Tiran Petrosyan zusammengetroffen. Petrosyan informierte die Mitglieder der Bischofskonferenz über die aktuelle Lage in Armenien und Berg-Karabach sowie die Situation, in der sich die mehr als 100.000 aus Berg-Karabach (Artsach) geflüchteten Armenier befinden. Petrosyan dankte den Bischöfen für ihre Solidarität mit den Menschen Berg-Karabachs und für ihre ökumenische Verbundenheit mit der Armenisch-apostolischen Kirche.
Artsach existiere praktisch nicht mehr, berichtete Bischof Petrosyan. Vielleicht noch drei Dutzend Armenier seien in Berg-Karabach geblieben. "Und ohne internationale Sicherheitsgarantien werde auch niemand mehr in die Heimat zurückkehren", zeigte sich der Bischof überzeugt.
Aserbaidschan hatte Berg-Karabach am 19. September mit überlegenen militärischen Mitteln angegriffen. Schon nach einem Tag war der Krieg entschieden. Gut 300 armenische Soldaten waren dabei ums Leben gekommen, auch zivile Opfer waren zu beklagen. Der Bischof berichtete auch, dass sich noch mehr als 1.000 armenische Kriegsgefangene in Aserbaidschan befinden würden, über deren Verbleiben keine Informationen vorliegen.
Bewegt zeigte sich der Bischof von der Hilfsbereitschaft in Armenien. Sowohl die staatlichen Stellen als auch die Bevölkerung hätten die mehr als 100.000 Geflüchteten aufgenommen und versorgt. Armenien stehe vor immensen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen und könne jede Hilfe brauchen, so der Bischof, der diesen Appell auch an Österreich richten wolle. Die Bundesregierung habe bisher zwei Millionen Euro Hilfe zur Verfügung gestellt, wofür er dankbar sei. Weitere Hilfe wäre aber dringend nötig.
Ein düsteres Bild zeichnete der Bischof im Blick auf das kirchliche bzw. kulturelle armenische Erbe in Berg-Karabach. Es sei zu befürchten, dass Aserbaidschan die Kirchen, Klöster oder Friedhöfe zerstören werde. Petrosyan verwies auch auf das Beispiel Nachitschewan. Aserbaidschan habe die historische Existenz der Armenier in Nachitschewan dem Erdboden gleichgemacht, alle Kirchen, Klöster und Friedhöfe wurden zerstört.
"Von der Welt im Stich gelassen"
Ort der Begegnung Petrosyans mit den heimischen Bischöfen war das Kloster der Barmherzigen Schwestern in Laab im Walde. Am Rande der Begegnung zeigte sich Bischof Petrosyan im Kathpress-Interview sehr enttäuscht von der internationalen Staatengemeinschaft, der Gas aus Aserbaidschan scheinbar wichtiger sei als das Leben der armenischen Bevölkerung Artsachs: "Die Armenier fühlen sich wieder einmal von der Welt im Stich gelassen." Ebenso kritisierte der Bischof aber auch die russischen "Friedenstruppen", die eigentlich die Sicherheit der Bevölkerung Artsachs hätten garantieren sollen. Doch in der Realität hätten sie mit Aserbaidschan kooperiert. Gute Beziehungen zu Aserbaidschan und der Türkei seien für Russland derzeit wichtiger als das Schicksal Armeniens, zeigte sich der Bischof enttäuscht.
Petrosyan berichtete zudem von der realistischen Gefahr, dass Aserbaidschan auch noch den Süden Armeniens angreift und erobert, um eine Landverbindung zu Nachitschewan und damit zur Türkei herzustellen.
Den Beteuerungen Aserbaidschans, wonach die Einwohner von Berg-Karabach zurückkehren könnten, wollte der Bischof keinen Glauben schenken. Er verwies unter anderem darauf, dass die aserbaidschanischen Behörden die Haupstraße der ehemaligen Artsach-Hauptstadt Stepanakert in "Enver-Pascha-Straße" umbenannt hatten. Enver Pascha war einer der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern ab 1915 im Osmanischen Reich.
Damit die Armenier aus Berg-Karabach in ihre Jahrtausende alte Heimat zurückkehren können, brauche es auf jeden Fall internationale Truppen, die ihre Menschenrechte und ein würdevolles Leben garantieren würden, so der Bischof. Dies könne etwa im Rahmen einer UN- oder EU-Mission geschehen. Gleichzeitig müsse der Schutz von uralten armenischen Kulturgütern und Kirchen in Berg-Karabach durch eine internationale Mission wie der UNESCO gewährleistet sein.
Gute Beziehungen Armenien-Österreich
Zwischen der Katholischen Kirche in Österreich und Armenien bzw. der Armenisch-apostolischen Kirche gibt es gute Beziehungen. So hat etwa Katholikos Karekin II. sogar einige Jahre in Wien Theologie studiert. Mehrmals führten seine Reisen das armenische Kirchenoberhaupt auch schon nach Österreich. In Armenien wiederum konnte er heimische Bischöfe, etwa Bischof Alois Schwarz - ein Freund aus Studienzeiten - oder Bischof Manfred Scheuer, willkommen heißen. Freundschaftlich verbunden ist der Katholikos auch mit Kardinal Christoph Schönborn. Bereits seit 2001 ist Karekin II. auch Protektor der Wiener Stiftung Pro Oriente.
Eng verbunden ist der Katholikos auch mit dem Salzburger "Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens" (ZECO). Dieses setzt sich unter der Leitung der Armenien-Expertin Jasmine Dum-Tragut intensiv für die Bewahrung des christlichen Erbes in Berg-Karabach ein. Dum-Tragut hat u.a. auch ein offizielles Amt am Heiligen Stuhl von Etschmiadzin inne. Sie ist wissenschaftliche Beraterin im "Mother See of Holy Etchmiatzin's office for Artsakh Spiritual-Cultural Heritage Issues".
Auch dem Salzburger Erzbischof Franz Lackner ist die Solidarität mit Armenien bzw. Berg-Karabach ein großes Anliegen. Lackner rief sowohl als Salzburger Erzbischof als auch als Vorsitzender der Bischofskonferenz mehrmals zum Gebet und zur Hilfe auf, zuletzt Ende September in einem gemeinsamen Aufruf mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ).
Quelle: kathpress