Menschenrechtsstadt Graz bekennt sich zum interreligiösen Dialog
Die Menschenrechtsstadt Graz bekennt sich gerade in turbulenten, von Konflikten geprägten Zeiten zum interreligiösen Dialog. Das wurde am Dienstagabend im Grazer Rathaus deutlich, als das Jubiläum "10 Jahre Grazer Erklärung zum interreligiösen Dialog" mit einer Fachtagung unter dem Titel "Horizonte und Wirklichkeiten" im Beisein zahlreicher Religionsvertreter gefeiert wurde. Integrationsstadtrat Robert Krotzer (KPÖ) - er vertrat die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr im vollbesetzten Gemeinderatssaal - hob in seinen Begrüßungsworten hervor, dass der Dialog zwischen den Religionen in der steirischen Landeshauptstadt, die im Jahr 2000 zur ersten Menschenrechtsstadt Europas wurde, tief verankert ist.
Die Grazer Erklärung zum interreligiösen Dialog "Com Unity Spirit" war Frucht einer gleichnamigen Konferenz im Juli 2013, bei der sich 150 Teilnehmende aus zahlreichen europäischen Ländern und aus allen Weltreligionen um Brückenschläge bemühten. Anna-Maria Steiner, Auslandshilfe-Referentin der Caritas Steiermark und damals Mitglied eines vierköpfigen Redaktionsteams, blickte bei der Fachtagung auf die Entstehungsgeschichte des Textes zurück. An dessen Erarbeitung waren u.a. der damalige Grazer Pfarrer (und jetzige Innsbrucker Bischof) Hermann Glettler, Religionswissenschaftler Markus Ladstätter, Sozialethiker Leopold Neuhold und die Ökumene-Theologen Pablo Argarate und Grigorios Larentzakis von der Uni Graz, der damalige evangelische Superintendent Hermann Miklas sowie Vertreter anderer Weltreligionen beteiligt.
Federführend war damals auch das Grazer Afro-Asiatische Institut (AAI) mit dem dort angesiedelten Projekt "Com Unity Spirit"; dem laut seinem Leiter Johannes Mindler-Steiner interreligiöser und unterkultureller Dialog "in die DNA eingeschrieben" ist. Das AAI war wie auch der Interreligiöser Beirat der Stadt Graz und die Private Pädagogische Hochschule Augustinum Veranstalter der Fachtagung.
Wahrheit gemeinsam suchen
Festredner Leopold Neuhold erinnerte daran, dass Friede immer ein Prozess sei, der Empathie füreinander und ein echtes Zuhören voraussetzt. Es gelte, friedensfördernde Elemente der Religionen herauszuarbeiten, statt den Fokus darauf zu legen, im Recht zu sein und die eigenen Taten mit Gott zu rechtfertigen. "Frieden ist ein Prozess, an dem die Religionen mitwirken müssen", betonte der Ethiker. Für den wichtigen ehrlichen Dialog zwischen ihnen sei es freilich auch wichtig, Elemente in den Religionen zu erkennen, die konfliktfördernd sind.
Neuhold nannte Herausforderungen, die sich gerade heute stellen: "Wir müssen lernen, einander zuzuhören." Es werde zwar viel von Dialog geredet, doch seien es oft "Selbstgespräche", die echtes Verständnis verhindern. "Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden und verstanden ist nicht getan", wie der Theologe pointiert formulierte. Auch müsse man aufhören, in Trennungen und Spaltungen zu denken im Sinne von "Wir und die anderen". Und schließlich sei anzuerkennen, dass die Wahrheit relativ und eine gemeinsame Suche danach erfordere. Religionen gingen allzu oft davon aus, dass sie die reine Wahrheit vermitteln, merkte Neuhold an.
Krisen erschweren den Dialog
Im vergangenen Jahrzehnt war es nach den Worten des Religionswissenschaftlers Markus Ladstätter nicht immer leicht, den interreligiösen Dialog aufrechtzuerhalten. Gerade der durch Corona, Ukraine-Krieg und zuletzt den Nahost-Konflikt verursachte Krisenmodus sei hier hemmend. Umso wichtiger sei, dass religiöse Bildung Extremismus und Radikalisierung vorbeugen, war sich Ladstätter mit dem islamischen Gefängnisseelsorger und Lehrer Mehmet Celebi einig.
Beide waren wie auch Gerhard Weißgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, der evangelische Pfarrer Marcus Hütter und ÖVP-Gemeinderätin Claudia Unger als Mitglied des Menschenrechtsbeirates der Stadt Graz Teilnehmer am Podiumsgespräch "Interreligiösen Dialog leben - heute und morgen". In der Entwicklung der eigenen religiösen Identität liege der Schlüssel zum respektvollen, wertschätzenden Umgang mit dem Anderen und letztlich mit der gesamten Umwelt und allen Lebewesen, betonte Weißgrab. Hütter vertrat die Überzeugung, dass Religionen auch die eigene Widerstandskraft gegenüber einer krisenhaften Realität stärken können. Religionen haben gesellschaftspolitische Relevanz und sollen sich auch in der Öffentlichkeit zeigen, sagte Unger.
"Die Überzeugung, dass der interreligiöse Dialog vielfältig zu einer friedlichen Gesellschaft beiträgt", sowie die entscheidende Rolle der nachfolgenden Generationen für ein gelingendes Miteinander blieben als zentrale Ergebnisse der Fachtagung, fasste "Com Unity Spirit"-Projektleiterin Jennifer Brunner vom AAI gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress zusammen. Die vielfältigen Herausforderungen in der heute so diversen Gesellschaft, die von Radikalisierung, Spaltung, Umweltzerstörung, Vereinsamung und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt sei, wurden laut von Brunner vielen Teilnehmenden betont. Religionen seien zwar ambivalent und würden durchaus auch instrumentalisiert und somit "Teil der Probleme". Doch seien ihnen auch viele Ressourcen eigen, die ein friedliches Zusammenleben in Vielfalt fördern können.
Die Tagung im Grazer Rathaus wird am Mittwoch u.a. mit einer Diskussion über die "Sozialpolitische Rolle der Religionen" und einem Gespräch über die "Rolle der Religionen in Kunst und Kultur" mit dem Schriftsteller Josef Winkler und Hochschulseelsorger Alois Kölbl fortgesetzt.
(Link zur Grazer Erklärung: https://comunityspirit.com/grazer-erklarung)
Quelle: kathpress