Nahost-Konflikt: Bundeskanzler lud Religionsvertreter zu Rundem Tisch
Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Montagvormittag die Spitzenrepräsentanten der Kirchen und Religionen in Österreich zu einem Runden Tisch geladen. Im Mittelpunkt der Unterredung stand der Beitrag der Religionen für den friedlichen Zusammenhalt in der Gesellschaft infolge des Terroranschlags der Hamas gegen Israel und die seither eingetreten Eskalation. Konkrete Themen waren laut einer Aussendung des Bundeskanzleramts der Brandanschlag auf die jüdische Zeremonienhalle am Zentralfriedhof, die aktuelle Sicherheitslage, die Sichtweisen der größten Kirchen- und Religionsgesellschaften Österreichs sowie die aktuelle Situation im Nahen Osten und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft in Österreich.
Die katholische Kirche wurde von Erzbischof Franz Lackner, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, repräsentiert. Mit dabei waren auch der evangelische Bischof Michael Chalupka und der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis). Weiters nahmen der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ümit Vural an dem Austausch teil. Die Politik war neben dem Bundeskanzler mit Vizekanzler Werner Kogler und Kultusministerin Susanne Raab vertreten.
Alle Teilnehmenden betonten laut Aussendung, dass jegliche Form von Hass, Gewalt und Diskriminierung keinen Platz in der österreichischen Gesellschaft hätten. Alle Religionsgemeinschaften sollten gleichen Schutz und gleiche Anerkennung genießen. Der Angriff der Terrororganisation Hamas dürfe nicht benutzt werden, um Hass und Antisemitismus in Österreich zu schüren. Anlässlich der besorgniserregenden Entwicklungen und des Anstiegs antisemitischer Vorfälle sei vor allem das jüdische Leben in Österreich zu schützen.
Die Vertreter der Religionsgemeinschaften hielten fest, dass Religion immer etwas Verbindendes und nichts Spaltendes sein dürfe. Religion dürfe niemals für Hetze und Gewaltaufrufe missbraucht werden. Alle Teilnehmenden waren sich demnach einig, dass gewalttätige Konflikte nicht auf Österreichs Straßen ausgetragen werden dürfen.
Die Vertreter der Bundesregierung bedankten sich laut Aussendung für die Bemühungen der Religionsvertreter um den Dialog. Dieser sei wichtig und solle auch in Zukunft gelebt werden, da er für einen friedvollen Zusammenhalt in der Gesellschaft essenziell sei.
Solidarität mit Jüdinnen und Juden
Erzbischof Lackner bekräftigte in seinem Statement, dass es in Österreich keinen Platz für Antisemitismus geben dürfe. Dieser werde oft übersehen und sei mitunter "im toten Winkel". Umso mehr brauche es daher Wachsamkeit gegenüber allen Formen von Antisemitismus.
Zugleich unterstrich der Erzbischof die Solidarität der Kirche mit den Jüdinnen und Juden in Österreich und weltweit. "Erschüttert" zeigte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz vom Umstand, dass eine Reihe von Staaten Israel sogar das Existenzrecht absprechen würden. In dieser Frage dürfe es aber keine Äquidistanz oder Neutralität geben, betonte Lackner im Blick auf die Solidarität mit Israel.
Angesichts der gefährlichen Lage sprach sich Erzbischof Lackner für Wachsamkeit und Klarheit aus: Höflichkeit könne auch eine Form von Lüge sein. Der Einsatz der Kirche für den Frieden müsse daher von "Wahrheit, Mitgefühl und Gerechtigkeit" geprägt sein.
Orthodoxie für Frieden und Zusammenhalt
Metropolit Arsenios (Kardamakis) zog in Anschluss an den Runden Tisch im Bundeskanzleramt vom Montag ein positives Resümee. Gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress betonte der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich den Einsatz der Orthodoxie für Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er wies auch alle antisemitischen Vorfälle entschieden zurück.
Im Rahmen des Runden Tisches hatte sich der Metropolit zudem für verstärkte Friedensbemühungen für den Nahen Osten ausgesprochen. Das Heilige Land müsse ein heiliger Ort für Angehörige aller Religionen sein und bleiben, so Kardamakis. Er thematisierte zugleich die schwierige Situation der christlichen Minderheit in der Region, die auch besonders der Solidarität der Christinnen und Christen im Westen bräuchten.
Chalupka würdigt Runden Tisch
Auch der evangelische Bischof Michael Chalupka hat am Montag eine positive Bilanz des Runden Tisches im Bundeskanzleramt gezogen. Alle anwesenden Kirchen- und Religionsvertreter hätten unterstrichen, dass es in Österreich keinen Platz für Antisemitismus gibt und ein solcher auch in den eigenen Reihen nicht geduldet werde, sagte Chalupka auf Anfrage der Nachrichtenagentur Kathpress. Die Begegnung habe gezeigt, dass ein offener Austausch zwischen den Kirchen und Religionen möglich sei und man sich gemeinsam für ein gutes Zusammenleben im Land engagiere. Alle Kirchen und Religionen stünden für ein Österreich, in dem Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können. Es sei unerträglich, dass jüdische Einrichtungen bewacht werden müssten.
Im Blick auf die Evangelische Kirche erinnerte Bischof Chalupka daran, dass diese vor 25 Jahren das Dokument "Zeit zur Umkehr. Die Evangelischen Kirchen und die Juden" verabschiedet hatte. Mit dem Dokument hatten sich die Lutherische und die Reformierte Kirche 1998 verpflichtet, dem Antisemitismus in jeder Weise zu wehren. Antisemitische Schriften Martin Luthers wurden verworfen, die evangelische antisemitische Schuldgeschichte benannt und der Anstoß zur verstärkten Aufarbeitung derselbigen gelegt.
Diese Aufarbeitung sei ein fortlaufender Prozess, wie Chalupka erläuterte. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die evangelische Pauluskirche in Wien-Landstraße, wo nun 15 von dem NS-Künstler Rudolf Böttger gestaltete Fenster mit farbigen Stoffbahnen verhüllt wurden, damit judenfeindliche Ikonografie nicht mehr unkommentiert bleibt. Die Verhüllung stellt nur eine vorläufige Lösung dar, in weiterer Folge sollen die antisemitischen Kirchenfenster komplett ausgetauscht werden
Quelle: kathpress