"Wildtier-Gedenkfeier": Ethiker Remele problematisiert Jagd
Für den Theologen und Ethiker Kurt Remele ist die konventionelle Jagd ein "fragwürdiges Unternehmen, das zahlreiche ethische Fragen provoziert". Bei der Jagd würden nämlich "empfindungsfähige Mitgeschöpfe, die selbst gerne weitergelebt hätten, in Todesangst versetzt, angeschossen oder getötet", sagte der Tierethiker im Rahmen einer "Wildtier-Gedenkfeier" am Freitag in Wien. Der emeritierte Sozialethiker an der Universität Graz und Fellow des Oxford Centre for Animal Ethics kritisierte auch die traditionellen "Hubertusmessen": Sie trügen massiv dazu bei, "Jagdmythen aufrechtzuerhalten".
Die Wildtier-Gedenkfeier fand am Fest des heiligen Hubertus in der Wiener Donaucity-Kirche statt und wurde von den Proponenten des laufenden Volksbegehrens für ein neues Bundesjagdgesetz veranstaltet (https://bundesjagdgesetz.at). Gefordert wird ein bundesweit einheitliches Jagdgesetz, das auf den Säulen Tierschutz und Ökologie basiert. So sollen etwa die Fallen-, Bau- und Gatterjagd und das Aussetzen von gezüchteten Tieren wie Fasanen zum Abschuss verboten, die Schonzeiten erweitert sowie Trophäen-Schauen, Bleimunition und die Jagd auf gefährdete Tierarten abgeschafft werden.
Der Tierarzt und Jagdkritiker Rudolf Winkelmayer und Madeleine Petrovic, die Präsidentin von Tierschutz Austria, begrüßten als Vertreter dieser Anliegen die Gäste der Gedenkfeier. Weitere Proponenten sind der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal und Martin Balluch vom Verein gegen Tierfabriken, Unterstützer sind zahlreiche bekannte Namen aus Wissenschaft, Rechtswesen und Kultur wie Helmut Pechlaner, Chris Lohner, Bernd Lötsch und auch Kurt Remele.
In seinem Vortrag setzte sich Remele mit den unterschiedlichen Typen der Jagd auseinander: "Subsistenzjagd", die zum Überleben notwendige Form der Jagd, ökozentrische Jagd, der es um die Erhaltung von Ökosystemen geht, aber auch die seiner Überzeugung nach bedenkliche Sport- und Freizeitjagd, in der Jagd als Hobby gepflegt und als gesellschaftliches Ereignis zelebriert wird.
Jagen - ein Hobby wie Yoga?
"Andere machen Yoga, ich gehe eben jagen", zitierte der Theologe eine Hobbyjägerin. Diese Gleichsetzung der Jagd als Tötung von Mitgeschöpfen, das einer Rechtfertigung bedürfe, mit Hobbys wie Yoga, Briefmarkensammeln und musizieren sei hochproblematisch. Laut Remele handelt es sich hier aus ethischer Sicht um eine "persuasive Kennzeichnung" und "Werturteils-Erschleichung", die sowohl bei Weidmännern als auch bei kirchlichen Amtsträgern verbreitet sei: Man bezeichne die Jagd euphemistisch als unschuldiges Freizeitvergnügen oder als nahezu mystische Naturerfahrung. Das Töten von Tieren werde umgedeutet zu einer Selbstaufopferung der Wildtiere für den Menschen. Jene, die kritische Fragen an die konventionelle Jagd stellen, würden als "ideologiegetrieben" und "naturfern" diffamiert, beklagte Remele.
Alljährlich rund um das Hubertusfest am 3. November gefeierte "Hubertusmessen" seien Ausdruck eines unreflektierten "Trachtenvereins-Katholizismus", zitierte Remele den Konzilstheologen Karl Rahner. Die Berufung auf den heiligen Hubertus, der der Jagd abschwor, sei kritisch zu hinterfragen. Laut der in verschiedenen Versionen überlieferten Hirschlegende wurde der Heilige an einem Karfreitag auf der Jagd beim Anblick eines prächtigen Hirsches mit einem Kruzifix zwischen den Sprossen des Geweihs bekehrt. Diese Legende wurde laut dem Ökumenischen Heiligenlexikon zum Motiv, dem "oft unmäßigen Jagdgebaren Einhalt zu gebieten".
Remele zitierte abschließend den verstorbenen Nobelpreisträger und anglikanischen Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu: "Es ist eine Art theologischer Schwachsinn zu glauben, dass Gott die gesamte Welt nur für die Menschen gemacht habe oder dass Gott nur an einer Spezies unter den Millionen Lebewesen interessiert ist, die Gottes gute Erde bevölkern."
Quelle: kathpress