Kromp-Kolb: Kirche mitverantwortlich für Klimakrise
Der Kampf gegen den Klimawandel und dessen verheerende Folgen erfordert eine Abkehr vom Gewinnstreben und Leistungsdenken. Das hat die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress betont. "Wir Menschen in den industrienahen Ländern haben kein Verständnis mehr dafür, dass wir von der Natur abhängen", so die Meteorologin. Von ihrer Kritik nahm sie auch die Kirche nicht aus: "Das Christentum hat in gewisser Weise versagt und die Liebe zum Menschen und zur Natur verloren." In der Entwicklung des ökonomischen Denkens sei nichts mehr von der paradiesischen Liebe und Verbundenheit mit der Umwelt übrig geblieben, sagte Kromp-Kolb.
Auch das jüngste Papst-Schreiben "Laudate Deum", mit dem Franziskus seinen Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung und ein nachhaltiges Wirtschaftssystem bekräftigte, werde nicht für eine Wende sorgen, zeigte sich die Wissenschaftlerin pessimistisch: "Der Inhalt ist wichtig und gut. Ich bezweifle aber, dass es viel gelesen wird."
Der Einsatz für Klimaschutz hängt laut Kromp-Kolb nicht nur vom ökologischen Wissen ab, sondern auch vom Menschenbild: Ein Richtungswechsel hin zur Nachhaltigkeit erfordere folgende Einstellung: "Wir sind Teil der Natur. Die Natur ist nicht da, um uns zu dienen, denn wir kommen nicht ohne sie aus." Aktuell begreife sich der Mensch nicht mehr als Teil der Natur. Vor allem in Städten sei die Natur zu einer Art "Ausstellungsstück" geworden, das man in Parks oder Tierparks bewundern könne, konstatierte die emeritierte Professorin an der Wiener Universität für Bodenkultur.
Als Grund nannte sie das zunehmende Gewinn- und Leistungsstreben der Wirtschaft - das auch von der Kirche angenommen wurde. Kromp-Kolb: "Das ist nicht nur ein Verlust für die Beziehung zur Natur, sondern auch für die Beziehung zu unseren Mitmenschen."
Visionen statt Katastrophen vor Augen
Im Kampf gegen die Klimakrise benötigten die Menschen "die positive Vision einer guten Zukunft", bloß Katastrophen vor Augen zu haben sei keine gute Motivation, meinte die Meteorologin. Mit "Laudate Deum" schaffe der Papst zwar den Spagat zwischen einer Ermahnung von Klimaleugnern und einem Aufruf für mehr Einsatz für den Klimaschutz, es fehle aber schlicht an der Leserschaft. Das am 4. Oktober erschienene "Apostolische Mahnschreiben" lobte Kromp-Kolb als glaubwürdig und zudem konkreter als die Sozial- und Umwelt-Enzyklika "Laudato si" des Jahres 2015, dem Vatikan-Dokument traut die Forscherin aber nicht zu, eine Umwelt-Bewegung in Gang zu setzen. Sie bezweifelte, ob in Pfarren und anderen kirchlichen Strukturen "Laudate Deum" ein Anlass sein werde, konkret gegen die Erderwärmung aktiv zu werden. "In Kirche wie Wissenschaft geht es letztlich darum, vom Wissen ins Tun zu kommen", meinte die Klima-Expertin.
Menschen benötigten Beispiele, um sich etwas unter der Klimatastrophe und den möglichen Auswegen daraus vorstellen zu können, wies Kromp-Kolb hin. Als konkretes Beispiel nannte sie die Frage, ob man alte Ölheizungen erneuern oder austauschen sollte. "Pfarren haben praktische Probleme, die in dem päpstlichen Schreiben weder angesprochen noch gelöst werden."
"'Laudate Deum" hält Kromp-Kolb zugute, einen "wichtigen Schritt in Richtung Entwirrung" zu setzen. Denn noch immer würden viele Menschen Wetter mit Klima oder Luftverschmutzung mit Treibhausgasen verwechseln. Das Schreiben enthalte neben der Aufforderung, sich mit den wissenschaftlichen Fakten der herannahenden Klimakatastrophe zu konfrontieren, auch den Appell, Verantwortung zu übernehmen. Diese notwendige "innere Transformation" - wie sie Kromp-Kolb nannte - sei notwendig, um von der Ohnmacht ins Tun zu kommen. Jugend-Umweltbewegungen wie "Fridays for Future" oder die "Letzte Generation" seien Ausdruck des wachsenden Unverständnisses. "warum wir nichts oder zu wenig gegen den Klimawandel tun", sagte Kromp-Kolb.
Quelle: kathpress