Zsifkovics: Welt braucht heute Vorbilder wie Martin von Tours
Die heute so kriselnde Welt mit Krieg, Umweltzerstörung, Flucht und Überfremdung, Wissenschaftsskepsis und Verschwörungen, einer "stümpernden" Wirtschaft und vielen Zukunftsängsten braucht heute Vorbilder wie den heiligen Martin von Tours (um 316/317-397). Das hat der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics in einem Hirtenwort über den gebürtigen Pannonier aus der Spätantike festgehalten, der 2024 seit 100 Jahren Landespatron des Burgenlandes ist. Mit Blick auf Martin, der in einer zur Ikone gewordenen Geste seinen Mantel mit einem Bettler teilte, und dessen Festtag am 11. November appellierte Zsifkovics: "Wir müssen Solidarität, Mitgefühl und Mitleid großschreiben. Leben ohne Empathie und Sympathie verkümmert."
Das "Kanzelwort" des Bischofs anlässlich des im Burgenland mit reichem Brauchtum verbundenen Martinsfest hat Tradition. Heuer wird der Hirtenbrief, der auch in kroatischer und ungarischer Sprache vorliegt, zum Jubiläumsjahr auch über die Kanäle des Landes ausgeschickt. Denn - wie Zsifkovics erinnerte - dass der heilige Martin zum Landespatron wurde, "hat eher politische als religiöse Gründe". Westungarn, das als das heutige Burgenland 1921 zu Österreich kam, "war wirtschaftlich, strukturell und kulturell heruntergefahren, verarmt und vergessen". Die um eine neue Identität ringende Region wollte sich laut Zsifkovics von der alten ungarischen Heimat, die den heiligen König Stephan verehrte, abgrenzen. Die burgenländische Landesregierung ersuchte die Apostolische Administration im Juli 1924, "die Frage zu prüfen und im Falle der Zustimmung dahin zu wirken, dass der heilige Martin zum Landespatron für das Burgenland erklärt werden möge". Das Einverständnis dazu kam per Vatikan-Dekret im Advent 1924.
Erst 35 Jahre später, als die Apostolische Administration im Jahr 1960 zur Diözese Eisenstadt wurde, wurde der heilige Martin auch Diözesanpatron. Die Jahre dazwischen - mit der Tilgung des Burgenlandes von der NS-Landkarte, der Auslöschung jüdischen Lebens, Vertreibung der Roma und Weltkrieg, sind nach den Worten des Bischofs "ein Stück unserer Geschichte, sie darf nicht verdrängt werden".
Martins-Taten gegen "Ellbogengesellschaft"
Auch gegenwärtig sei nicht alles eitel Wonne: "Was heute als Wohlstand glänzt, ist nicht nur gut, oft bröckelt es hinter den Fassaden", schrieb Zsifkovics. Es gebe Armut, Streit und Zerrissenheit, Neid, Gier, Verschuldung und Schuldzuweisungen, Geschwätz und Intoleranz. Appelle zur Toleranz verhallten oft ungehört. In einer "Ellbogengesellschaft" habe auch Gott keinen Platz, bedauerte der Bischof. Und die Kirche sei für viele "zu einer unbeweglichen Institution erstarrt und zudem verdächtig, Wasser zu predigen und Wein zu trinken". Dies führe zum Eindruck einer "verkehrten Welt", so Zsifkovics: "Die Zukunft schwächelt ... deshalb braucht es heute den heiligen Martin!"
An die Adressaten seines Kanzelwortes appellierte der Bischof: "Ich bitte Sie alle: Setzen wir Martinstaten!" Dies bedeute, Versöhnung zu stiften, sich für Frieden einzusetzen, das Gemeinsame in Kirchen, Politik und Gesellschaft vor das Trennende zu stellen. Die Volksgruppen im Land Burgenland und das Miteinander in der Ökumene nannte Zsifkovics eine große Bereicherung. Dies verpflichte zum Miteinander-Reden, statt den "digitalen Rückzug in die Echokammern der sozialen Medien" anzutreten. "Der Bildschirm ist kein Ersatz für Begegnung."
Es brauche auch Ehrfurcht für Kinder und Alte, Behinderte, Kranke, Pflegebedürftige, Arbeitende und Arbeitsunfähige, Ungeborene und Verstorbene. Solidarität und Mitgefühl seien ebenso wichtig wie Gastfreundschaft: "Nur wer mit anderen Leben teilt, gewinnt." Auch die neu Zugezogenen seien eine Bereicherung, "es darf niemand fremd bleiben".
Im Brauchtum tief verankert
Die Kirche habe den Auftrag, für die Menschen da zu sein. Dazu gehöre ihre ständige Erneuerung, "nur dann kann sie im Leben Fuß fassen", so der Bischof. Die jüngst beendete Synode in Rom habe gezeigt, dass die Kirche "auf einer guten Spur" sei. Der Schlüssel zu allen "Martinstaten" sei "Freundschaft mit Gott", von der auch das Leben und Wirken des Landes- und Diözesanpatrons bestimmt gewesen sei. Der erste Nichtmärtyrer, der heiliggesprochen wurde, werde im pannonischen Raum besonders verehrt, wies Zsifkovics hin: Diözesen, Klöster, Kirchen, Pfarren und viele Orte tragen seinen Namen, das Brauchtum um Martini sei mit Laternenumzügen, Gansl-Essen, neuem Wein und Martinskipferl, Martinsfeuer, Martinisegen und Martinsliedern vielfältig.
Der Eisenstädter Bischof erinnerte noch an ein anderes 100-Jahr-Jubiläum, nämlich die Gründung der Evangelischen Superintendenz Burgenland: "Ich wünsche unserer Schwesterkirche Gottes Segen und unseren Kirchen auch in Zukunft ein gutes christliches Miteinander und Füreinander!" Für das Martinsjahr 2024 kündigte Zsifkovics eine Pilgerreise zum Grab des Heiligen nach Tours an und bat abschließend: "Der heilige Martin sei uns allen und unserem Burgenland ein Fürsprecher und Wegbegleiter heute und in Zukunft!"
Martinsfest mit Erzbischof Nemet
Am Samstag, 11. November, feiert die Diözese Eisenstadt ihr alljährliches Martinsfest. Höhepunkt ist ein Festgottesdienst um 9 Uhr im Martinsdom, bei dem Erzbischof Ladislav Nemet, Metropolit von Belgrad und Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) mit Bischof Zsifkovics konzelebrieren wird. Die Messe wird live auf www.martinus.at übertragen und markiert den Beginn des Jubiläumsjahres "Heiliger Martin - 100 Jahre Landespatron des Burgenlandes". Für "Martinstaten" wird um Spenden an die Caritas der Diözese Eisenstadt gebeten, die Hilfsbedürftigen im Burgenland zugutekommen (Konto: IBAN AT34 3300 0000 0100 0652, Verwendungszweck: Martinstat).
Bereits am Vorabend, 10. November, um 17:30 Uhr, wird am Eisenstädter Landhaus und Europaplatz das Martinsfeuer entzündet. Um 18.30 Uhr folgt unter dem Motto "Feel The Dome #aunfeian" ein Jugendgottesdienst, "der abgeht" und junge Gläubige "eine geile Stimmung genießen" lässt, so die Ankündigung.
Am 11. November stehen außerdem noch eine Festakademie im Martinsdom samt Gespräch mit Erzbischof Nemet um 14 Uhr sowie ein Laternenumzug vom Schloss Esterhazy zum Dom um 17 Uhr auf dem Programm.
(Info: www.martinus.at/martinsfest)
Quelle: kathpress