20.000 Menschen bei Lichtermeer
"Lassen wir uns nicht vom Hass überwältigen"
20.000 Menschen bei Lichtermeer
"Lassen wir uns nicht vom Hass überwältigen"
Mehr als 20.000 Menschen haben Donnerstagabend laut Mitorganisator Daniel Landau am Lichtermeer am Wiener Heldenplatz teilgenommen, um für die Freilassung der Hamas-Geiseln sowie gegen Antisemitismus, Terror, Gewalt und Hass zu demonstrieren. Vertreter der katholischen Kirche traten nicht auf - gleichwohl hatten sie im Vorfeld zur Teilnahme am Lichtermeer aufgerufen oder sich bereits in Wortmeldungen solidarisch mit Israel gezeigt und sich strikt gegen jeden Antisemitismus gestellt. Zuletzt appellierte Kardinal Christoph Schönborn in seiner Kolumne in der Gratis-Zeitung "Heute": "Lassen wir uns vom Hass nicht überwältigen".
Den meisten Reden war gemein, dass sie mit den Worten "Bring them home now" ("Bringt sie sofort nach Hause") endeten - gleichermaßen ein Aufruf an die Hamas, die Geiseln freizulassen, wie der Name einer Initiative. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, verglich die Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center, den islamistischen Anschlägen in Paris im November 2015 sowie dem Attentat auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Jänner desselben Jahres. "Es war das grausamste Massaker an Jüdinnen und Juden, das die Welt nach 1945 gesehen hat.", so Deutsch. "Hier gibt es keinen Kontext: Es sind Verbrechen der grausamsten Art."
Der designierte Botschafter Israels in Österreich, David Roet, betonte, dass ihn der Heldenplatz, auf dem das Lichtermeer stattfand, an die dunkelsten Kapitel der Geschichte erinnere. Doch "ich erkläre, dass 'Nie wieder' jetzt ist, 'Nie wieder' gilt für alle." Der Botschafter äußerte sich auch zum Ausmaß der Unterstützung: "Ich bin dankbar für die parteienübergreifende Anerkennung in Österreich und in der ganzen Welt."
Daniel Jesch las einen Text des Schriftstellers Michael Köhlmeier. Dieser hatte laut Landau darum gebeten, sich beim Lichtermeer zu äußern. "Es kann doch keine Sache geben, die rechtfertigt, dass kleine Kinder getötet werden. Und dass man auch noch damit prahlt", ließ Köhlmeier Jesch sprechen. Ein zweiter Schriftsteller erschien persönlich am Rednerpult: "Wie gut es tut, die Fahne Israels zu sehen, das attackiert wird!", sagte Doron Rabinovici über die hochgehaltene Fahne. "Es geht der Hamas nicht nur um die Freipressung ihrer Judenmörder. Es geht ihr um Judenhass, es geht ihr um antisemitische Hetze weltweit", meinte der Autor.
Auch drei Angehörige von Entführten kamen beim Lichtermeer zu Wort. Aleksandra Aliyev sei von ihrer jüngeren Schwester Karina am Tag von deren Entführung angerufen worden. Karina habe zu ihr gesagt: "Wenn ich es nicht überlebe - bitte sei glücklich. Lebe." Der Vater der entführten Liri Albag, Eli Albag, nutzte das Wetter während der Kundgebung als Metapher. "Der Himmel weint um die Kinder, die ermordet wurden." "Vergesst die Geschichte nicht", setzte er fort - und deutete auf den Balkon der Hofburg, auf dem Adolf Hitler am 15. März 1938 unter Begeisterungsstürmen den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland ausgerufen hatte.
"Lassen wir uns nicht vom Hass überwältigen"
Kardinal Christoph Schönborn appelliert angesichts der stark angestiegenen Angriffe auf Jüdinnen und Juden für ein gesellschaftliches Zusammenrücken. "Lassen wir uns vom Hass nicht überwältigen", schreibt der Wiener Erzbischof in seiner Freitags-Kolumne für die Gratiszeitung "Heute". Die Brandstiftung auf dem jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs und das Beschmieren der Friedhofsmauern mit Nazi-Symbolen in der Nacht auf Allerheiligen haben ihn erschüttert, so Schönborn, "das sind Zeichen, die bei uns keinen Platz haben sollen".
Der Erzbischof erinnerte in diesem Zusammenhang auch an den Terrorangriff von 2020 in Wien, der sich am Donnerstag zum dritten Mal gejährt hatte. In den Tagen danach habe es ein überwältigendes Mitgefühl der Menschen gegeben: "Wir lassen uns vom Hass, diesem tödlichen Virus, nicht infizieren", sei damals überall in der Gesellschaft spürbar gewesen. Dieses Gefühl brauche es auch heute, angesichts der Angriffe auf jüdische Menschen und Einrichtungen.
Als Hoffnungszeichen nannte Schönborn in diesem Zusammenhang die Initiative "Parents Circle Families Forum", bestehend aus israelischen und palästinensischen Familien, die im Nahostkonflikt Kinder verloren haben. "Das gemeinsame Schicksal eint sie", so der Kardinal. "Gemeinsam setzen sie sich für Frieden und Versöhnung ein. Ein Vorbild für uns alle!"
Marketz: Zeit, Widerstand zu leisten
Einen Aufruf, "in dieser friedlosen Zeit für alle Opfer von Krieg, Terror, Hass und Gewalt zu beten", hat auch der Kärntner Bischof Josef Marketz an den Beginn des Allerseelen-Requiems am Donnerstagabend im Klagenfurter Dom gestellt. Ein Lichtermeer habe dieser Tage "die Friedhöfe erleuchtet als sichtbares Zeichen unseres christlichen Glaubens an die Auferstehung der Toten und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit unseren Lieben".
Marketz verwies dabei auf eine andere Art von Lichtermeer am Heldenlatz in Wien, das während des Gottesdiensts als Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und Faschismus veranstaltet wurde. Der Kärntner Bischof sprach auch von "Zeichen der Zeit, denen auch wir Widerstand leisten sollten".
Auch Caritas-Präsident Michael Landau sprach am Donnerstagabend bei dem Lichtermeer in Wiens Innenstadt von einem "starken, wichtigen Zeichen". "Es sind viele. Trotz des Regens, der gerade eingesetzt hat", schrieb Landau auf X. Laut Organisatoren waren 20.000 Menschen als Zeichen gegen Hass und Antisemitismus auf den Heldenplatz gekommen.
Wiens Caritasdirektor Klaus Schwertner bezeichnete die Situation in Israel, im Gazastreifen und im Westjordanland auf X als "erschütternd". "Der brutale Terror der Hamas gegen Zivilist*innen, gegen Frauen und Kinder, Jung und Alt, ist zutiefst zu verurteilen", so Schwertner. Aufgrund seiner Geschichte habe Österreich eine besondere Verantwortung. "Und diese Verantwortung bedingt auch, dass wir uns gegen jedwede Form von Antisemitismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen antimuslimischen Rassismus und für ein friedliches Miteinander einsetzen wollen", schrieb der Wiener Caritasdirektor, der ebenfalls am Lichtermeer in Wien teilnahm.
Quelle: kathpress