Chalupka: "Christen gefordert, an Seite der Juden zu stehen"
Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka hat zum Einsatz gegen Antisemitismus aufgerufen. "Dass Jüdinnen und Juden sich in Österreich nicht mehr sicher fühlen, dagegen gilt es zu kämpfen", so Chalupka wörtlich im "Presse"-Interview (Dienstag). Und weiter: "Wir sind als Evangelische und Christen gefordert, mit Jüdinnen und Juden an einer Seite zu stehen. Das ist uns an diesem Reformationstag ein ganz besonderes Anliegen."
Der Reformationstag (31. Oktober) fällt heuer in den Evangelischen Kirche mit dem 25-Jahr-Jubiläum des Synodenwortes "Zeit zur Umkehr. Die Evangelischen Kirchen und die Juden" zusammen. Mit dem Dokument hatten sich die Lutherische und Reformierte Kirche 1998 verpflichtet, "dem Antisemitismus in jeder Weise zu wehren", so Bischof Chalupka: "Es wurde das eigene Erbe benannt und die antisemitischen Schriften Luthers hat man verworfen, und man hat sich davon distanziert. Das ist für uns Erbe und Auftrag zugleich."
Die Evangelische Generalsynode verabschiedete die Erklärung 1998 aus Anlass des 60. Jahrestages der Novemberpogrome von 1938. Wörtlich heißt es in dem Text u.a.: "Mit Scham stellen wir fest, dass sich unsere Kirchen für das Schicksal der Juden und ungezählter anderer Verfolgter unempfindlich zeigten. Deshalb sind nicht nur einzelne Christinnen und Christen, sondern auch unsere Kirchen am Holocaust, an der Schoah mitschuldig geworden." Aus diesem Wissen um die eigene Schuld und das eigene Versagen, wissen die Evangelischen Kirchen "sich verpflichtet, jeglichem gesellschaftlichen und persönlichen Antisemitismus zu wehren."
Stillstand in der Ökumene
Im "Presse"-Interview nahm Bischof Chalupka auch auf den Synodalen Prozess in der Katholischen Kirche Bezug und zur Situation der Ökumene Stellung. Im Schlussdokument zur jüngsten Weltsynodenversammlung in Rom würden zwar im Teil über die Ökumene die orthodoxen Kirchen mit ihren Synoden ausdrücklich genannt, die protestantischen Kirchen würden hingegen nicht erwähnt. "Dieses weite Feld der Beteiligung, wie es bei uns aufgespannt wird, fehlt", so Chalupka.
Der Passus über die Ökumene stelle in dem Text sehr auf die ökumenische Praxis ab, setze aber keine weiteren Schritte der Einheit, befand der lutherische Bischof: "Die Themen Eucharistie oder Amt kommen gar nicht vor, die uns in der Ökumene bewegen." In diesen Bereichen gebe es seit vielen Jahren keine Bewegung mehr. Betont werde im Dokument allerdings die gemeinsame Praxis, etwa im Einsatz für die Schwachen und im gemeinsamen Leben der Christen.
Entscheidungs-Kirche
Der Bischof räumte ein, dass es in der Evangelischen Kirche genauso wie die in der Katholischen Kirche hohe Austrittszahlen gibt. "Die sind gar nicht anders als die der Katholischen Kirche. Wir liegen bei zwei Prozent der Mitglieder pro Jahr. Wir sind auf einem Weg der Kirchen des selbstverständlichen Hineingeboren-Werdens zu einem sich ganz bewusst entscheiden", so Chalupka. Nachsatz: "Den Weg sind wir sicher noch nicht zu Ende gegangen."
Die Existenz der Kirche an sich hänge aber nicht an ihrer Mitgliederzahl, "sondern an dem, wie sie ihren Auftrag erfüllt, wie sie das Evangelium lebt und welche Wirkkraft sie in einer Gesellschaft entwickelt". Das mache Kirche aus "und nicht Mitglieder zu zählen. Wir sind kein Verein", betonte der Bischof.
Das Evangelium sei zukunftsfähig und suche sich seine Gestalt in der jeweiligen Kirche und setze sich auch durch, zeigte sich Bischof Chalupka überzeugt. Zudem verstehe sich auch die Evangelische Kirche als Weltgemeinschaft und nicht als isolierte Insel im nationalen Kontext. Chalupka: "Da war gerade in diesem Jahr eine ganz wichtige Begegnung die Weltversammlung der lutherischen Kirchen in Krakau. Da haben wir gesehen, dass wir als europäische Kirchen in einem bestimmten Säkularisierungsprozess stehen, der aber für die weltweite Kirche natürlich gar nicht gilt." So seien die lutherischen Kirchen, aber auch alle Kirchen global betrachtet wachsende Kirchen "mit einer großen Lebendigkeit".
Quelle: kathpress