Sozialethiker: Religionen kommt bei Klimaschutz große Verantwortung zu
Den Religionen kommt bei Fragen des Klimaschutzes und des Ringens um Klimagerechtigkeit eine größere Rolle zu als ihnen das oftmals klar ist: Darauf hat der Münchner Sozialethiker und Theologe Prof. Markus Vogt bei einem Vortrag am Dienstagabend an der Universität Wien hingewiesen. "Die christliche Botschaft ist nicht glaubwürdig allein durch das Wort, sondern durch das gelebte Zeugnis, durch das Handeln. Darin liegt die enorme Chance der Kirche in der gegenwärtigen Klimakrise: zu aktivieren und selber aktiv zu werden." Vogts Vortrag stand im Rahmen der aktuellen Ringvorlesung an der Katholisch-Theologischen Fakultät und unter dem Titel "Religionen im Klimawandel. Kompetenzen, Ambivalenzen und Transformationen".
Es brauche seitens der Religionen ein mehrfaches Engagement: Zum einen müsse gerade aus christlicher Sicht die eigene religiöse und auch theologische Tradition im Umgang mit Fragen der Schöpfung durchaus kritisch durchleuchtet werden. "Das Christentum ist Teil einer naturvergessenen Zivilisation. Es ist kein Zufall, dass die expansive Moderne im Windschatten des Christentums entstanden ist." Hier brauche es eine kritische "Relecture" und auch eine Lernbereitschaft im Blick auf andere Religionen, forderte Vogt. Ein bloßes "Ausreden auf eine missverständliche Deutung" christlicher Religion sei zu wenig. Zum anderen müssten die Religionen sich stärker untereinander vernetzen und auch stärker politisch einbringen, denn: "Die Herausforderung ist global und fordert einen internationale und interreligiöse Verständigung. Eine Religion, eine Kultur allein kann das nicht richten".
Was das Christentum konkret einbringen könne in den modernen Klimadiskurs sei etwa die Umweltbildung im Sinne einer Veränderung der Vorstellungen von Freiheit, Fortschritt und gelingendem Leben. Dies komme einer "kulturellen Revolution" gleich, so Vogt unter Bezugnahme auf Papst Franziskus. "Menschenschutz und Naturschutz müssen als Einheit begriffen werden" - das bedeute, dass es keinen Einsatz für das Klima geben könne, ohne sich auch nachhaltig für Fragen der Gerechtigkeit einzusetzen. "Mir liegt da ein ökologisch eingebetteter Humanismus am Herzen."
Eine weitere Kompetenz des Christentums machte der Sozialethiker im "realistischen Blick" auf die tatsächliche Situation aus: "Das Christentum steht für eine Hoffnung, nicht für Optimismus. Und diese Hoffnung ist eine durchkreuzte Hoffnung, keine Hoffnung mit rosaroter Brille. Wir neigen ja dazu, uns im Klimadiskurs selbst zu täuschen und zu verharmlosen." Durchkreuzte Hoffnung meine dabei: "Kritische Zuversicht, die die Katastrophen und das Leiden nicht verdrängt, die bei dem momentanen Kurs, auf dem sich die Welt befindet, auf uns zukommen werden."
In dem Kontext sprach sich Vogt auch für eine stärkere Solidarisierung der Kirche mit den jungen Klimaaktivisten aus: "Es ist Aufgabe der Kirche, an der Seite der jungen Menschen zu stehen in ihrer Angst und Verzweiflung." Dies sei Teil ihres Sendungsauftrages, "zuzuhören und Hoffnung zu geben und zu solidarischem Handeln anzuregen". Schließlich gehe die Welt "auf eine Zeit der Katastrophen zu" - dies nicht zu sehen und den jungen Menschen in ihrer Zukunftsangst beizustehen, sei eine Verfehlung des kirchlichen Auftrags.
Den Plan der Österreichischen Bischofskonferenz, bis 2030 den kirchlichen CO2-Ausstoß der Diözesen um insgesamt 60 Prozent zu reduzieren, nannte Vogt schließlich "nicht hinreichend, aber besser als nichts".
Die Wiener Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" findet jeweils an Dienstagen ab 18.30 Uhr statt. Die Themenpalette der Vorträge reicht von der Schöpfungstheologie und einer neuen Sicht auf den Menschen innerhalb dieser Schöpfung ("Ende des Anthropozäns") über tierethische Fragen bis hin zur Analyse des Phänomens "Apokalyptik".
Die zehn Vorträge von Fachleuten unterschiedlicher theologischer und religionsbezogener Fächer aus dem In- und Ausland werden eingerahmt von Podiumsdiskussionen zu Beginn und am Schluss. Konzipiert haben die Reihe der Medien- und Sozialethiker Alexander Filipovic und der Pastoraltheologe Johann Pock, die beide an der Katholisch-Theologischen Fakultät lehren. (Infos: https://ktf.univie.ac.at/ringvorlesungklimagerechtigkeitundreligion)
Quelle: kathpress