Theologen Tück und Hoff kritisieren Vatikan-Reaktion auf Hamas-Terror
Die Kritik an der anfangs zu wenig deutlichen Haltung des Vatikans zum Hamas-Terror gegen Israel wird jetzt auch von in Österreich lehrenden Theologen öffentlich erhoben. Der an der Wiener Theologischen Fakultät lehrende Professor für Dogmatik, Jan-Heiner Tück, moniert am Freitag in der "Presse" mangelnde Klarheit und Entschiedenheit der katholischen Kirchenspitze angesichts des Angriffs auf Israel. Auch der Salzburger Fundamentaltheologe und Konsultor der Päpstlichen Kommission für die Beziehungen zum Judentum, Prof. Gregor Maria Hoff, vermisst in der "Furche" die klare Benennung der Tatverantwortung.
"Blinde Flecken" in den ersten Reaktionen des Vatikans auf den Hamas-Terror gegen Israel ortet Prof. Tück: Zwar sei das Recht auf Selbstverteidigung Israels gleich zugestanden worden, "aber sofort der Fokus auf die bedrohte Zivilbevölkerung im Gazastreifen gelegt" worden - diese Sichtweise unmittelbar im Augenblick des Terrors einzunehmen, um beiden Seiten gerecht zu werden, sei im Fall der vatikanischen Friedensdiplomatie, die auf Ausgleich bedacht ist, kontraproduktiv, so Tück in einem Gastbeitrag in der "Presse". Schließlich gebe es "Situationen, wo Neutralität aufhört, neutral zu sein".
Wer darauf verzichte, "angesichts eines beispiellosen Massakers den Aggressor klar beim Namen zu nennen, verhöhnt die Opfer ein weiteres Mal und verspielt die Autorität", im weiteren Konflikt- und Kriegsverlauf mäßigend einzuwirken, führt Tück weiter aus. Die Dissonanzen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl dürften dabei nicht im Sinne von Papst Franziskus sein. Schließlich sei ihm stets um ein gutes Verhältnis zum Judentum gelegen. "Aber seine Mahnung, Terror und Krieg seien immer eine Niederlage für die Menschen, und sein Aufruf zu Friedensgebeten waren aus israelischer Sicht zu allgemein gehalten und haben den Verdacht einer gewissen Empathielosigkeit mit den ermordeten Juden befördert." Warum etwa habe der Papst zwar katholische Priester in Betlehem und Gaza mehrfach angerufen, um sich über die Lage der Palästinenser zu informieren, nicht jedoch jüdische Familien, die Angehörige verloren haben, fragt Tück.
Hamas zielt auf Vernichtung Israels
Theologisch basiere der päpstliche Blick auf das Leid der Palästinenser auf einer aus der lateinamerikanischen Befreiungstheologie bekannten Position, die die Solidarität mit Armen und Unterdrückten betone. Dabei werde jedoch ausgeblendet, dass die Hamas seit 2007 "ein Regime etabliert hat, das grundlegende Rechte wie Religions- und Gewissensfreiheit, Presse- und Versammlungsfreiheit kassiert hat. Die in linken Kreisen teils verbreitete Rede von der 'Apartheid-Politik' macht auf Defizite im Umgang mit den Palästinensern aufmerksam, übergeht aber vielleicht doch, dass die Hamas, die Hisbollah und ähnliche Organisationen nichts weniger als die Vernichtung des 'zionistischen Staates Israels' anzielen."
Tück erinnerte in dem Zusammenhang an den Gründungsimpuls des Staates Israel, der historisch mit der NS-Judenvernichtungspolitik bzw. der Shoah zu tun habe. "Eine Theologie, die Auschwitz als Zäsur ernst nimmt und sich der Erinnerungssolidarität mit den jüdischen Opfern verpflichtet weiß, wird dies nie vergessen." Wer indes den Hamas-Terror als "Befreiungskampf" verstehe, der "verharmlost den genozidalen Hass, der hinter dem Treiben islamistischer Terror-Organisationen steht, die nicht selten auch Hitler glorifizieren."
Vatikan-Reaktion auf Hamas-Angriff "verstört"
Die nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel eingenommene zurückhaltende, ja "ambivalente" Haltung des Vatikans "verstört" laut dem Salzburger Fundamentaltheologen Prof. Hoff "erheblich". Während sich Bischöfe etwa aus Österreich und Deutschland sofort und unzweideutig positioniert hätten, seien die Statements aus dem Vatikan "sonderbar zurückhaltend" ausgefallen und hätten davon abgesehen, "unmissverständlich zu brandmarken, wer diesen Terrorakt begangen hat", schreibt der Konsultor der Päpstlichen Kommission für die Beziehungen zum Judentum in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Er hätte es als angemessen erachtet, hätte die in Rom versammelte Synode "über Gebete hinaus" dazu eine klare Stellungnahme abgegeben.
Unzureichend erscheint Hoff, was Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin der internationalen Presse zunächst über den Papst ausrichtete: Dieser sei traurig über die Gewalt und bete für alle Toten und Verletzten dieser neuen Welle der Gewalt", hieß es. Hoff nimmt auch Anstoß daran, dass in den Stellungnahmen des Vatikans und "auch in der vor einigen Tagen nachgereichten Verurteilung des Hamas-Terrors durch Parolin" ein besonderer Aspekt keine Rolle zu spielen scheint, nämlich "dass jeder Angriff auf jüdisches Leben und die Vernichtung des Staates Israel, die für Hamas, Hisbollah und Iran ihre Terroragenda anleitet, kein politisches Thema neben anderen für die Kirche sein kann". Seit dem 2. Vatikanischen Konzil erkenne die katholische Kirche an, dass das Judentum die Wurzel sei, "die das Christentum trägt". Israel und das Judentum gehören nach den Worten des Theologen untrennbar zur christlichen Identität - mitsamt dem jüdischen Leben und Glauben in Israel. "Nicht nur religionshistorisch, sondern jetzt. Immer", wie Hoff hinzusetzt.
Umso mehr stelle sich die Frage, warum der Papst in seiner ersten Stellungnahme verschwiegen habe, "was Staatschefs und Bischöfe sofort benannten: mit der Verurteilung des barbarischen Angriffs auch die Verantwortung der islamistischen Terroristen". Schon in der Ukraine und vor allem nun in Israel verliere Franziskus "die Bewertungsbalance ... aus dem Blick", wenn er die unmittelbare Tatverantwortung nicht klar benenne und verurteile, monierte Hoff. Die menschenrechtliche Agenda des Papstes und seine Autorität nähmen dadurch Schaden.
Quelle: kathpress