Pax-Christi-Präsident: "Gewalt ist ansteckend"
"Gefährliche Schritte in Richtung Eskalation der Gewalt" angesichts der jüngsten Terrorakte der Hamas und der militärischen Gegenreaktion Israels, beobachtet der Theologe und Friedensforscher, Wolfgang Palaver. Die Hamas habe mit dem Terroranschlag vermutlich gar auf "kalkulierte Weise" eine Gegenreaktion Israels provoziert, vermutete der Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi Österreich im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (aktuelle Ausgabe). Laut Palaver ist die Ursache für Gewalt einfach erklärt: Gewalt ist ansteckend und neigt zu Eskalation. "Eine Seite setzt Schritte der Gewalt, die andere Seite gibt das mit etwas Nachdruck zurück usw. Aber dieser Weg ist eine Sackgasse."
Angesichts der Gewaltspirale sei nun die internationale Gemeinschaft gefragt, jene Kräfte in Israel und Palästina zu stärken, die zu einer gewaltfreien Konfliktlösung beitragen könnten. Der Pax-Christi-Präsident erinnerte zudem an die seit Jahrzehnten ungelöste politische Situation zwischen Israel und Palästina. Weder das Oslo-Abkommen in den Neunziger-Jahren, noch die von US-Präsident Donald Trump 2020 initiierten "Abraham-Accords" hätten Frieden gebracht.
Die politischen Aktionen hätten die Situation der Palästinenser nicht verbessert, sondern letztlich gar prekärer gemacht, "weil dadurch die bisherigen Partner hinter den Palästinensern weggefallen sind". Und weiter: "Vielleicht ist auch ein Grund für diesen massiven Terrorschlag, dass man glaubte, die Welt durch etwas Exzessives darauf aufmerksam machen zu müssen."
"Von beiden Seiten her hätte es wohl noch Schritte gebraucht, um zu einem wirklichen Frieden zu kommen", so der emeritierte Professor für Christliche Gesellschaftslehre, der von 2002 bis zu seiner jetzigen Emeritierung an der Innsbrucker Katholisch-Theologischen lehrte. Auch die Fortsetzung der Siedlungspolitik durch die Regierung Netanjahu sei kein positiver Schritt gewesen, konstatierte der Experte für die Erforschung des Zusammenhangs von Gewalt und Religion.
Schwierige Vergleiche
Relativierend äußerte sich Palaver bei dem Vergleich des aktuellen Nah-Ost-Konflikts mit dem Kampf gegen die Apartheid in Südafrika. So habe Nelson Mandela Terrorismus sehr stark abgelehnt und auch die Guerilla-Attacken wären praktisch nie gegen Zivilisten gegangen. Außerdem habe es weltweit unterstütze Sanktionen gegen Südafrika gegeben, die schließlich zur Änderung der Situation geführt hätten.
"Im Fall von Israel-Palästina ist das, vielleicht auch aus historischen Gründen, viel schwieriger", erläuterte Palaver. Und weiter: "Auch die internationale Staatengemeinschaft hat das sehr schnell politisiert und zurückgedrängt. Diese Wege muss man beschreiten, will man nicht den Weg der Gewalt gehen."
Pax Christi setze als Friedensbewegung vorrangig auf Gewaltfreiheit als Methode zur Konfliktlösung, erläuterte Palaver. Pax Christi International gründete vor einigen Jahren die "Catholic Nonviolence Initiative" (Katholische Initiative Gewaltfreiheit), um diese Botschaft stärker in die kirchliche Lehre und Praxis einbringen zu können.
Pax Christi
Pax Christi Österreich ist eine Teilorganisation der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi International. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg - ursprünglich als Versöhnungswerk zwischen Franzosen und Deutschen - gegründet. Pax Christi hat es sich zur Aufgabe gemacht, aus dem Glauben heraus für ein friedliches Zusammenleben der Menschen und Völker einzutreten.
Ausgangspunkt des Engagements von Pax Christi ist das christliche Gebot der Feindesliebe, das sich für uns in einer vorrangigen Option für die Gewaltfreiheit äußert. Seit Jahren unterstützt Pax Christi auch das ökumenische Begleitprogramm für Palästina und Israel (EAPPI), das sich für Frieden im Heiligen Land einsetzt. Aktueller Präsident von Pax Christi Österreich ist der Innsbrucker Theologe Wolfgang Palaver. (Info: www.paxchristi.at)
Quelle: kathpress